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ZÜRICH/ Opernhaus: LE NOZZE DI FIGARO. Ein toller Tag wird zum tollen Abend. Premiere

20.06.2022 | Oper international

Wolfgang Amadeus Mozart: Le nozze di Figaro • Opernhaus Zürich • Premiere: 19.06.2022

«Le nozze di Figaro» ist die letzte Premiere der Saison am Opernhaus Zürich. Jan Philipp Gloger macht aus dem tollen Tag einen tollen Abend.

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Foto © Herwig Prammer

Ausgangspunkt der Inszenierung von Regisseur Jan Philipp Gloger ist die schon in Beaumarchais’ Stück («La folle journée ou Le mariage de Figaro») angelegte Instabilität der Verhältnisse, die die Figuren permanent in Überforderungszuständen festhält und den Tag, den das Stück beschreibt so zum tollen, zum verwirrten und verwirrenden, Tag macht. Diese Instabilität der Handlung spiegelt einerseits die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der Entstehungszeit, andererseits ist individuelle und gesellschaftliche Überforderung genauso ein Thema der Gegenwart. Figuren wie den Grafen gibt es heute noch genauso: Ein subtiler Fingerzeig ist der Auftritt des Grafen als Polo-Spieler. Und was eben noch galt, kann im nächsten Augenblick anders sein: Wer hätte (zum Beispiel bei der Programmierung des Stücks) gedacht, dass in Europa bei der Premiere der Produktion seit über einem Viertel Jahr Krieg stattfindet? Die Personifizierung der Instabilität ist der Page Cherubino, der zu Beginn noch ausserhalb der gesellschaftlichen Verhältnisse, und damit auch der Instabilität, steht: «Non so più cosa son, cosa faccio, or di foco, ora sono di ghiaccio» («Ich weiss nicht mehr, wer ich bin, was ich tue, mal bin ich von Feuer, mal bin ich von Eis»). Im Laufe des Stücks gleichen sich die Verhältnisse immer mehr an und Cherubino wird dem Grafen immer ähnlicher. Dafür steht, dass Gloger die Handlung in einer herrschaftlichen Villa der Gegenwart spielen lässt und innerhalb dieser Villa die Angleichung augenfällig macht. Der erste Akt spielt im Innenhof, der zweite in den Räumen des Personals, der dritte im Salon der Herrschaft und der vierte, wo es dann zur Sache geht und alle gleich sind, auf dem Estrich. Ben Baur (Bühnenbild) hat Gloger dazu mit viel Liebe zum Detail eine herrschaftliche Villa auf die Bühne gestellt, wo gleich auch Derrick zu Ermittlungen auftauchen könnte. Die gleichermassen ästhetischen, wie zurückhaltenden Kostüme stammen von Karin Jud. Die routinierte Lichtgestaltung verantwortet Martin Gebhardt, die Video-Einblendungen mit dem neuen Verhaltenskodex (mit dem Gloger die Wiederinanspruchnahme des Ius prima noctis durch den Grafen stimmig ersetzt) kommen von Tieni Burkhalter.

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Foto © Herwig Prammer

Daniel Okulitch gibt mit elegantem Bariton einen oberflächlich zurückhaltenden, aber umso angriffigeren Conte di Almavia. Er ist genau der Typ, der die Passage «Führungskräfte wahren körperliche Distanz zu allen Untergebenen» aus dem von ihm geschaffenen, neuen Verhaltenskodex wieder streicht. Wenn das Orchester in den Folge-Vorstellung etwas mehr Rücksicht nimmt, wird er auch die passende stimmliche Präsenz erreichen. Anita Hartig hat als Contessa di Almaviva leider nicht den besten Abend erwischt. Die Stimme wird im Einheitsforte immer wieder scharf, weist ein beängstigendes Tremolo auf und die Diktion ist häufig verschwommen. Morgan Pearse gibt den Figaro mit warmem Bass und enormer szenischer Zurückhaltung. Mit einer Powerfrau wie der Susanna von Louise Alder an seiner Seite müsste die Oper eigentlich «Le nozze di Susanna» heissen. Alders herrlicher Sopran lässt nach einer kurzen Phase der Akklimatisation kaum noch Wünsche offen. Die Entdeckung des Abends ist Lea Desandre als Cherubino. Mit einem so frischem, jugendlichem Sopran, quicklebendiger Bühnenpräsenz und einnehmendem Äusseren ist sie die Idealbesetzung für die Hosenrolle des Pagen. Malin Hartelius als Marcellina und Yorck Felix Speer als Bartolo geben rundum überzeugende Eltern Figaros. Spencer Lang als Basilio, Christophe Mortagne als Don Curzio, Ziyi Dai als Barbarina und Ruben Drole als Antonio ergänzen das hervorragende Ensemble.

Der von Ernst Raffelsberger einstudierte Chor der Oper Zürich überzeugt mit präzisem, homogenem Klang und grosser Spielfreude. Szenisch unterstützt wird der Chor vom Statistenverein am Opernhaus Zürich.

Die Philharmonia Zürich hat erneut einen grossartigen Abend und spielt historisch informiert einen Mozart vom Allerfeinsten. Dirigent Stefano Montanari ist die Ausarbeitung der Farben und Details hervorragend gelungen und die Philharmonia folgt ihm höchst konzentriert. Wenn die Austarierung der Lautstärken noch etwas besser gelingt, bleiben keine Wünsche offen.

Ein toller Abend!

Weitere Aufführungen: Mi. 22. Juni, 19.00; Sa. 25. Juni, 19.00; Di. 28. Juni, 19.00; Fr. 01. Juli, 19.00; So. 03. Juli, 13.00; Do. 07. Juli, 19.00; So. 10. Juli, 20.00.

20.06.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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