Gioacchino Rossini: Le Comte Ory • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 07.01.2022
(2. Vorstellung • Wiederaufnahme am 31.12.2021)
«Dieu est amour»
Moshe Leisers und Patrice Cauriers sanfte Modernisierung des Grafen Ory funktioniert auch 10 Jahre nach der Premiere noch tadellos. Sie bleibt auch in neuer Besetzung ein grosses Vergnügen.
Foto © Toni Suter
Die Inszenierung von «Le Comte Ory» von Moshe Leiser und Patrice Caurier ist eines der Prunkstücke der Intendanz Pereira und wurde auch in der Intendanz Homoki schon verschiedentlich gespielt. Nun muss sich das Publikum umgewöhnen, denn die Rolle der Comtesse Adèle ist nicht mehr mit einem Koloratur-Mezzosopran mit einem Stimmumfang von über zweieinhalb Oktaven, sondern mit einem Koloratur-Sopran besetzt. Brenda Rae überzeugt als Adèle mit ihrer hervorragend geführten Stimme, die im ganzen Haus trägt und auch in den Höhen immer an Produktionen des Juilliard Opera Centers genehm bleibt. Ihrer grosse Vertrautheit mit der Rolle, die sie 2007 in einer Produktion des Juilliard Opera Centers das erste Mal verkörperte und die genaue Probenarbeit in Zürich verleiht ihrer Interpretation eine grosse, szenische Präsenz und Intensität. Ebenfalls neu in der Produktion und genauso perfekt eingearbeitet ist Edgardo Rocha als Le Comte Ory. Mit seidigem Glanz in der Stimme, strahlenden Höhen und heldischem Aplomb macht er seinem Ruf als einer der führenden Rossini-Tenöre alle Ehre. Es ist herrlich anzusehen, wie ihm nach der Sitzung mit den Schönen des Dorfes die Geldscheine überall aus der Kleidung rieseln oder er sich im zweiten Akt dann als Nonne der Gräfin an die Brust wirft. Schon in der Premiere dabei war Rebeca Olvera als Isolier. Ihr Sopran ist weiterhin tadellos und die Darstellung frisch wie an der Premiere. Ebenfalls schon an der Premiere dabei waren Liliana Nikiteanu als Ragonde und Oliver Widmer als Raimbaud. Die Überraschung des Abends ist Andrew Moore als Le Gouverneur. Mit seinem wunderbar tiefen Bass, der im ganzen Haus trägt, verleiht er seiner Interpretation Gestalt, als wäre er schon seit der Premiere dabei. Chelsea Zurflüh als Alice, Savelii Andreev als Mainfroy, Henri Bernard als Un paysan und Alejandro Del Angel als Gérard ergänzen das in bestem Sinne hochkomödiantische Ensemble. Bożena Bujnicka, Freya Apffelstaedt, Luis Magallanes, Benjamin Molonfalean und Ilya Altukhov sind die Coryphées (zusätzliche Stimmen für das Pezzo concertato im Finale des ersten Akts).
Foto © Toni Suter
Leiser und Caurier haben ihrer Inszenierung die Handlung aus dem Mittelalter in das Frankreich der 1960er-Jahre, das Frankreich der Algerien-Kriege, verlegt, um die sexuelle Befreiung der Frau aufzeigen zu können. Das ist ihnen ganz hervorragend gelungen, mit viel Humor und hintergründigem Lächeln und ohne Druck und Schenkelklopfen. Mit dem Schrei des gallischen Hahns beginnt ein komödiantisches Fest der Sonderklasse. Wie gut es gelungen ist, zeigt sich daran, dass alle Vorgaben aus dem Libretto weiter funktionieren. Der Ort ist immer noch vom Schloss der Herrschaft und der Kirche dominiert, aus der mittelalterlichen Zugbrücke wurde hier dem Humor der Inszenierung entsprechend ein hölzerne Showtreppe, die hinab zu einer Wüstung führt, wo Ory mit seinem Wohnwagen als Eremit die göttliche Liebe predigt («Dieu est amour») und die Frauen des Dorfes befreit (Bühnenbild: Christian Fenouillat). Der zweite Akt spielt im herzallerliebst mit viel Blick fürs Detail eingerichteten Schloss der Comtesse Adèle. Herrlich, wie Adèle und ihre Damen beim Gewitter Schutz hinter Staat und Kirche, einem Gemälde von General de Gaulle und einem Kruzifix, suchen. Auguste Cavalca hat Kostüme geschaffen, die zeitliche Verlegung aufs Beste unterstützen. Christophe Forey und Martin Gebhardt setzen die pittoreske Szene ins rechte Licht.
Die Chorzuzüger und der Zusatzchor der Oper Zürich klingen herrlich und sind mit sichtbarer Freude am Werk (Choreinstudierung: Janko Kastelic). Die Philharmonia Zürich spielt unter musikalischer Leitung von Victorien Vanoosten einen herrlich prickelnden, mitreissenden Rossini, wie man ihn sich besser nicht vorstellen kann.
Rossini vom Allerbesten!
Weitere Aufführungen: 09.01.2022, 13.00; 14.01.2022, 20.00; 16.01.2022, 20.00; 20.01.2022, 19.00.
09.01.2021, Jan Krobot/Zürich