Léo Delibes: Lakmé • Opernhaus Zürich • Konzertante Premiere: 02.04.2023
Eine Sternstunde der französischen Oper
Dieses Jahr spielt das Opernhaus Zürich Léo Delibes «Lakmé» als konzertante Aufführung. Die Produktion ist einer der in dieser Saison schon zahlreichen Höhepunkte.
Foto © T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf
Die konzertanten Aufführungen, so Intendant Andreas Homoki, dienten am Opernhaus Zürich dazu, Werke zeigen zu können, die man zeigen will, ohne dafür sechs Wochen Proben und eine szenische Ausstattung investieren zu müssen. Die szenische Einrichtung besorgte wie schon in den vergangenen Produktionen Natascha Ursuliak.
«Lakmé» ist eines der Werke, das einer ganz bestimmten Sängerin «in die Kehle komponiert» wurde. Die Librettisten Pierre Edmond Julien Gondinet und Philippe Emile François Gille wurden um 1880 auf die junge Amerikanerin Marie van Zandt (1858-1919) aufmerksam, die in Paris die Titelrolle von Thomas «Mignon» sang. Ihre Stimme und ihre Bühnenpräsenz wurden der Ausgangspunkt zur Gestaltung der Figur der Lakmé.
Wenn man nun eine Sängerin wie Sabine Devieilhe zu Verfügung hat, dann muss man «Lakmé» machen. Unbedingt. Eine bessere Interpretation der Rolle ist momentan nicht denkbar. Ihre Stimme nimmt schon bei ihrem ersten Auftritt, als sie noch gar nicht auf der Bühne steht, gefangen und lässt den Zuhörer bis zum bitteren Ende nicht mehr los. Die Stimme trägt hervorragend, ihre berückend zarten Piani ihrer glockenreinen Stimme sind bis in den letzten Winkel des Hauses vernehmbar. Im Blumenduett harmoniert die Stimme bestens mit dem Mezzosopran von Siena Licht Miller (Lakmés Begleiterin Mallika), so dass hier bereits ein erster Höhepunkt erreicht ist. Mit ihrer enormen Bühnenpräsenz vermag Devieilhe auch in den leidenschaftlich-dramatischen Szenen zu reüssieren, ohne dass die Stimme je scharf oder forciert klingen würde. Und dann: Die Glöckchenarie. Es ist wieder einer der Momente, wo der Verkehr ausserhalb des Theaters hörbar wird, im Haus eine absolute Stille herrscht. Devieilhe gibt die Glöckchenarie mit traumhafter Sicherheit und (in jeglicher Hinsicht) kaum in Worten zu fassender Virtuosität. Und dann bricht der Begeisterungsorkan des Publikums los, wie man ihn in den letzten dreissig Jahren am Haus kaum je erlebt hat. Devieilhe ist Lakmé: selten ist die Zartheit, Zerbrechlichkeit einer Figur so intensiv dargestellt zu erleben. Als Devieilhe zum Schlussapplaus auf die Bühne kommt, erhebt sich das Publikum. Sofort und quasi vollständig. Edgardo Rocha als Gérald, englischer Offizier, harmoniert bestens mit Devieilhe und kann mit seinem hellen, absolut höhensicheren Tenor und wohldosierte Leidenschaft punkten. Philippe Sly gibt den Brahmanenpriester Nilakantha mit herrlich kernigem Bassbariton. Björn Bürger als Frédéric, englischer Offizier, Saveliy Andreev als Nilakanthas Diener Hadji, Sandra Hamaoui als Geralds Verlobte Ellen, Bożena Bujnicka als ihre Cousine Rose und Irène Friedli als deren Erzieherin Mistress Benson ergänzen das phantastische Ensemble.
Foto © Toni Suter
Unter der musikalischen Leitung von Alexander Joel laufen die Philharmonia Zürich und der Chor der Oper Zürich (Choreinstudierung: Janko Kastelic) mit kompaktem und dennoch luftigem Klang, bestens abgestufter Lautstärke und Tempi zu unbekannter Höchstform auf.
Eine Sternstunde der französischen Oper!
Weitere Aufführungen: 08.04.2023 und 15.04.2023 jeweils 19.00.
02.04.2023, Jan Krobot/Zürich