Giuseppe Verdi: La traviata • Opernhaus Zürich • Wiederaufnahme: 23.12.2022
(Premiere am 18.04.2015)
Klassiker im Advent
Mit «La Traviata» hat im Advent nun der dritte Klassiker Wiederaufnahme am Opernhaus Zürich. Musikalisch gelingt eine Aufführung auf Weltklasse-Niveau.
Foto © T+T Fotografie_Toni Suter
Die Philharmonia Zürich unter musikalische Leitung von Francesco Ivan Ciampa spielt hoch fokussiert eine «La traviata» von erlesenem Wohlklang und intensiver dramatischer Kontur. Es ist quasi ein neues Stück zu erleben; Phrasen und Wendungen, die sonst in aller Regel untergehen, werden nun hörbar. Janko Kastelic hat den Chor der Oper Zürich einstudiert.
Nadezhda Pavlova debütiert als Violetta Valéry am Opernhaus Zürich und erringt einen grossen Erfolg. Mit ihrem vollen, runden Sopran gibt sie eine reife, im Leben verankerte Violetta Valery und füllt die Rolle besser aus als jüngere Kolleginnen mit leichteren Stimmen. Omer Kobiljak debütiert mit viel Schmelz und guten Höhen als Alfredo Germont. Wenn noch etwas an der Diktion gearbeitet wird, kann die Interpretation als vorbildlich gelten. George Petean singt einen Giorgio Germont wie er im Buche steht. Hier bleiben keine Wünsche übrig. Simone McIntosh als Flora Bervoix, Irène Friedli als Annina, Thomas Erlank als Gastone, Jungrae Noah Kim als Baron Douphol, Andrew Moore als Marquis D’Obigny, Stanislav Vorobyov als Doktor Grenvil, Maximilian Lawrie als Giuseppe und Amin Ahangaran als Commissionario ergänzen das hervorragende Ensemble.
Zur szenische Seite gibt es nichts zu sagen, was nicht schon gesagt worden wäre. Christoph Hetzer (Bühnenbild und Kostüme) hat David Hermann, der seine Inszenierung von «LaTraviata» im Hier und Jetzt – vor Finanzkrise und Digitaler Revolution – ansiedelt, eine «Loungelandschaft» auf die Bühne gestellt, die, ohne Catering, genauso gut der Empfangsbereich eines Bürohauses oder das Wartezimmer eines Spitals sein könnte. Im Verlauf der Oper lösen sich die Formen immer mehr auf, bis das vierte Bild dann in einer Art Notschlafstelle spielt. Deren Einrichtung wirkt dann aber wie aus einer anderen Zeit. So löblich das Bestreben ist, «La Traviata» zeitgenössisch zu zeigen, trägt diese Inszenierung aber nicht dazu bei, die Geschichte klar und deutlich zu machen. Die Figuren, seien es Violetta oder Flora als Prostituierte oder Giorgio als Autoritätsperson, sind zu wenig deutlich gezeichnet, die Schlüsselstellen wie das «Auszahlen» Violettas im dritten Bild zu schwach konturiert. Ex kommt immer wieder zu handwerklichen Fehlern wie im dritten Akt, wenn Alfredo, als Violetta ausgehen will und ihren Schwächeanfall hat, singt «Was sehe ich» und dabei stur ins Publikum schaut. Weder die grell beleuchtete dunkle Bühne (Licht: Frank Evin) noch die Videoinstallationen (Anna Henckel-Donnersmarck) dienen dem Bestreben einer zeitgenössischen Umsetzung. Zu den beiden «folkloristischen» Szenen des dritten Bildes hat es zu nicht mehr als banalen, schon unzählige Male gesehenen, infantilen und immer noch unpassenden «Tanzbewegungen» gereicht.
Musikalisch gelingt eine Aufführung auf Weltklasse-Niveau.
Weitere Aufführungen:
Mo. 26. Dez. 2022, 13.00; Sa. 31. Dez. 2022, 18.00; Fr. 06. Jan. 2023, 19.00;
So. 08. Jan. 2023, 20.00; Mi. 11. Jan. 2023, 19.00; So. 15. Jan. 2023, 14.00.
23.12.2022, Jan Krobot/Zürich