Giuseppe Verdi: La forza del destino • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 29.11.2025
(8. Vorstellung • Premiere am 02.11.2025)
Der Trump-Putin-Pakt oder Es darf kein zweites München geben!
Valentina Carrascos Inszenierung behält auch mit einer Alternativbesetzung ihre beklemmende Wirkung. Die aktuellen Entwicklungen bestätigen ihre Arbeit: Fällt die Ukraine, steht Polen offen. Und nicht nur Polen. Was Carrasco als Fiktion zeigt, könnte durchaus Realität werden.
Riccardo Massi triumphiert in der Rolle des Don Alvaro als begnadeter Stilist.

Foto © Monika Rittershaus
Valentina Carrasco (Inszenierung) zeigt «La Forza del destino» in einer handwerklich perfekten, zeitgenössischen, politisch geschärften Lesart. Für Carrasco ist der Krieg das zentrale Thema von «La Forza del destino». «Dies zeigt sich [für sie] daran, dass Verdi neben dem spanischen Drama vom Duque de Rivas auch Szenen aus Schillers Kriegsepos «Wallenstein» eingebaut hat». Um zu unterstreichen, dass die Oper eine über ihre Entstehungszeit und deren politischen Kontext hinausgehende Botschaft hat, ist es für Carrasco wichtig, das Stück an die Gegenwart zu rücken. «Wenn man heute in einer dreistündigen Oper über Schicksale in einem Krieg erzählen will, reicht es nicht, abstrakt zu bleiben. Man muss eine ganze Atmosphäre kreieren und auf konkrete Situationen oder Erinnerungen referieren, die das Publikum bereits hat». Nun fehlt dem Schweizer Publikum die Kriegserfahrung weitgehend. So hat sie sich entschieden, eine unwirkliche Situation zu erfinden. «Wir haben uns entschieden, die Schweiz in einem fiktiven Kriegszustand zu zeigen. Kunstwerke stellen immer Fragen. Und ich möchte, dass die Fragen, die Verdi in dieser Oper aufwirft, sehr konkret beim Publikum ankommen. Wir leben heute in einer Welt, in der uns Kriege durch die Medien ohnehin sehr nahekommen. Diese medialen Bilder verbinden wir in unserer Inszenierung mit kriegszerstörten ikonischen Gebäuden, die einem Schweizer Publikum bekannt sind». (Kostüme: Silvia Aymonino; Video: Massimiliano Volpini; Lichtgestaltung: Fabrice Kébour). Dieses Konzept ist bestes episches Theater und wird der Ausgangspunkt zahlreicher Assoziationen. Man kann das, was das Weltgeschehen der letzten mittlerweile bald vier Jahre prägt, auf die fiktive Heimat angewendet sehen. Die Video-Einblendungen während der Ouvertüre erklären und sprechen für sich selbst. Carrasco setzt ihr Konzept schlüssig um: «Ich glaube, die stärkste Kraft gegen den Krieg ist es, ihn zu zeigen. Und zwar nicht nur die Kämpfe, sondern auch deren Folgen: Dass Menschen zu wenig Wasser, Nahrung und medizinische Versorgung haben, dass sie krank sind. Wenn man all das sieht, wird man zum Pazifisten». Und so erhält die Inszenierung noch mehr Kraft: Fällt die Ukraine, steht Polen offen. Und nicht nur Polen. Was Carrasco als Fiktion zeigt, könnte durchaus Realität werden. Carrasco spricht damit auch die Schweizer Neutralität an, die in althergebrachter Art und Weise nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Preziosilla, hier Waffenhändlerin, verkauft ihre Waffen hier in der Schweiz, die, wie die Presse ausführlich berichtet hat, über Umwege dann im Krieg eingesetzt werden.
Mit dem Auftritt der Alternativbesetzung zeigt sich die musikalische Seite deutlich entspannter als in den ersten fünf Vorstellungen. Stanislav Vorobyov gibt Marchese di Calatrava mit schlankem, sonorem Bass. Elena Guseva überrascht als Donna Leonora mit einer leicht geführten, mächtigen Stimme, die im ganzen Haus trägt, wunderbar vollem Klang und grossem Farbenreichtum. Die Register sind perfekt verbunden, wobei die hohen Lagen durchaus etwas diskreter eingesetzt werden könnten. Schade ist, dass Guseva das Finale des zweiten Akts, wo sie ins Kloster aufgenommen wird, völlig vergibt. Wo ihre Rollen-Vorgängerin unter dem Gewicht des Gewehrs und all dem, was damit verbunden ist, schaut sie nur entgeistert. George Petean als Don Carlo di Vargas bestätigt einmal seinen Ruf einer der führenden Baritone unserer Zeit zu sein. Riccardo Massi gibt den Don Alvaro hellem, strahlendem, agil geführtem, höhensicheren Tenor und grosser Bühnenpräsenz. Ein wirklicher Stilist, der weiss, wie der Alvaro gesungen werden soll und ihn nicht als Verschnitt von Otello und Turridu anlegt. Annalisa Stroppa glänzt als energische Preziosilla mit satten Tiefen und wunderbaren Farben. Michele Pertusi als Padre Guardiano und Roberto Frontali als Fra Melitone können mit ihrer vollendeten italienischen Gesangskunst schon als Ideal-Besetzungen gelten. Natália Tuznik als Curra, Lobel Barun als Alcade, Tomislav Jukic als Mastro Trabuco und Max Bell als Chirurgo sowie Statistenverein am Opernhaus Zürich ergänzen das Ensemble.
Die bereits erwähnte Entspannung hat auch das Orchester der Oper Zürich und GMD Gianandrea Noseda erreicht. Es kommt zu einigen wenigen Wacklern, aber auch das Soufflieren und Anspornen hat abgenommen. Die Chöre (Chor der Oper Zürich, Chorzuzüger, SoprAlti und Kinderchor der Oper Zürich) haben die parallele Serie von Verdis «Macbeth» gut überstanden und werden für ihren wunderbar homogenen und satten Klang zu Recht begeistert gefeiert (Choreinstudierung: Klaas-Jan de Groot).
Grosse Oper!
Weitere Aufführungen: Mi. 17. Dez. 2025, 19.00; So. 21. Dez. 2025, 19.00.
02.12.2025, Jan Krobot/Zürich

