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ZÜRICH/ Opernhaus: LA CENERENTOLA. Derniere.  Eine Cenerentola «für die Ewigkeit»

26.03.2023 | Oper international

Gioacchino Rossini: La Cenerentola • Opernhaus Zürich • Derniere: 24.03.2023

 (7. Vorstellung • Wiederaufnahme: 08.03.2023 • Premiere am 17.09.1994)

 Eine Cenerentola «für die Ewigkeit»

Als Fazit der Aufführungsserie am Opernhaus Zürich lässt sich festhalten: Eine Cenerentola «für die Ewigkeit». Dies in zweierlei Hinsicht: Cecilia Bartoli, die schon vor knapp dreissig Jahren die Premiere bestritt, ist immer noch ein Singulär und singulär ist eine Serie von Vorstellungen «aus einem Guss», so wie es hier zu erleben war.

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Foto © https://www.salzburgerfestspiele.at/en/a/nicola-alaimo

Schon der Journalist, Kritiker, Essayist und Rossini-Fan Stendhal (1783-1842: ein Zeitgenosse des Meisters aus Pesaro, der 1823 eine Biographie über ihn veröffentlichte) befand, man könne Rossinis Opern beliebig oft besuchen ohne sich langweilen. Und wenn man eine Oper, das gilt nicht nur für Rossini, immer und immer wieder besucht, beginnen Szene und Musik langsam in den Hintergrund zu treten. Haben die menschlichen Sinne Szene (Inszenierung: Cesare Lievi; Ausstattung: Luigi Perego; Lichtgestaltung: Gigi Saccomandi) und Musik als solche «verarbeitet», beginnt die Ausführung von Szene und Musik in den Vordergrund zu treten.

Das Orchestra La Scintilla unter musikalische Leitung von Gianluca Capuano setzt die Partitur und allem voran Rossinis Markenzeichen, das Crescendo, mustergültig um. Lautstärke und Dynamik sind fein abgestuft und jedes neue Instrument, das im Orchester hinzukommt, kann die ihm von Rossini zugeeigneten Takte einer «Vorstellung» spielen ohne zugedeckt zu werden, ohne zu dominieren und wirkt dabei immer organisch eingebunden. Nur selten ist das immer lauter, immer schneller, immer mehr, eben das Crescendo, so perfekt austariert zu hören. Gewohnt vollmundig ist der Klang, ein besonderes Lob geht an die (Holz-)Bläser. Die perfekte Zusammenarbeit von Orchester und Dirigent ist auch für Aussenstehende spürbar und nicht minder beeindruckend ist, wie Orchester und Dirigent die Sänger durch den Abend tragen.

Die Angelina, genannt Cenerentola, ist eine der Paraderollen von Cecilia Bartoli. Auch nach fast dreissig Jahren spielt Bartoli die Rolle mit einer Frische, Natürlichkeit und Beweglichkeit, die ihresgleichen sucht. Sie kann immer noch absolut glaubwürdig die Zwanzigjährige geben, kann immer noch berühren und die Stimme ist beweglich wie eh und je. Wie sie den ihren Aufstieg aus der Asche in den Prinzenpalast umschreibenden Bogen vom Anfang mit dem gefühlvollen, fast volksliedhaften «Una volta c’era un re» («Es war einmal ein König») bis zur koloraturengespickten Schlussszene mit «Nacqui all’affano» («Geboren zum Leid») / «Non più mesta» («Nicht länger») ist schlicht singulär. Levy Sekgapane ist ihr als Don Ramiro, Prinz von Salerno, ein absolut ebenbürtiger Partner und überzeugt mit grundsympathischer Natürlichkeit, einem Strahlen, das sofort ansteckt, und vor allem in seiner Kommunikation mit dem Publikum. Mag die Produktion für ihn neu sein, die Rolle ist es nicht, denn mit ihr gab er 2014 sein professionelles Debut in Chemnitz und jetzt ist in jedem Moment zu spüren, dass er die Rolle dermassen verinnerlicht hat, dass er fähig ist, spontan auf seine Partner und das Publikum zu reagieren. Sein leicht und elegant geführter, makelloser Tenor di grazia scheint in Sachen Höhe keine Grenzen zu kennen und seine enorme, aber immer natürlich wirkende Kraft macht ihn zur grossen Konkurrenz seiner Fach-Kollegen. Geradezu frenetisch gefeiert wurde Nicola Alaimo für seine Interpretation des Dandini, Don Ramiros Diener. Auch er ist ein Spezialist für seine Rolle, denn mit seiner Interpretation gewann er im Alter von 19 Jahren 1997 den Giuseppe di Stefano-Wettbewerb im sizilianischen Trapani. Auch Alaimo hat sich die Frische und Natürlichkeit der Jugend bewahrt und weiss die Pointen so zielgerichtet zu setzen wie auch mit dem Publikum zu kommunizieren und es mitzureissen. Hinzu kommt ein phänomenaler Charakter-Bariton, der seine Rolleninterpretation zur Perfektion hin abrundet. Das Quartett der Hauptrollen vervollständigt Alessandro Corbelli als Don Magnifico, Vater von Clorinda und Tisbe. Auch er ist als Don Magnifico ein «alter Hase» und weiss das Publikum zu begeistern. Liliana Nikiteanu und Rebeca Olvera als Tisbe und Clorinda singen genau so herrlich, wie sie die zänkischen, arroganten Schwestern spielen. Die Überraschung der Aufführungsserie ist Stanislav Vorobyov in der Rolle des Alidoro, Philosoph und Lehrer Don Ramiros. Er lässt einen sauber geführten, bestens tragenden Charakter-Bass hören, der ideal zur Figur des Lehrers passt.

Tadellos die Leistung des von Ernst Raffelsberger einstudierten Chor der Oper Zürich.

Selten sind solch perfekte Vorstellungen zu erleben!

Keine weiteren Aufführungen.

 

26.03.2023, Jan Krobot/Zürich

 

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