Christoph Willibald Gluck: Iphigénie en Tauride • Opernhaus Zürich • Wiederaufnahme: 24.09.2023
(Premiere am 02.02.2020)
Wiedersehen macht glucklich!
Wiedersehen macht glucklich! Das Wiedersehen mit Glucks «Iphigénie en Tauride», genau das Wiederhören der Partitur und die Wiederbegegnung mit der Inszenierung von Andreas Homoki, bereitet an diesem Abend uneingeschränkt uneingeschränkte Freude.
Foto © Monika Rittershaus
Das Orchestra La Scintilla unter musikalischer Leitung von Georg Petrou spielt an diesem Abend schlicht sensationell. In grosser Besetzung angetreten, wird ein so schlanker Klang erreicht, der die grosse Besetzung nicht vermuten liesse. Diese «Leichtigkeit» und der Klang, trocken-herb und dennoch «saftig», angesiedelt zwischen dem, was allgemein als «barock» und dem, was als «Wiener Klassik» identifiziert würde, gibt genau die Bestrebungen von Glucks «Opernreform» wieder. Das Klangbild ist wunderbar homogen und hat, wo erfordert, doch Ecken und Kanten.
Gleichermassen homogen und klangschön im Sinne Glucks agiert der Chor der Oper Zürich, einstudiert von Janko Kastelic. Zusammen mit dem Statistenverein am Opernhaus Zürich setzen sie die Feinheiten der Inszenierung akribisch um.
Birgitte Christensen, in der Premierensaison sowohl als Diana wie als Iphigénie dabei, gibt eine absolut beeindruckende Iphigénie. Ihr voller, runder Sopran trägt perfekt und überzeugt in allen Lagen. Mit überragender Bühnenpräsenz gelingt ihr die ergreifende Darstellung ihres Traums von der Familie wie auch der Unterhaltung mit Orest und ihrer Emanzipation von Thoas. Elliot Madore gibt mit klangschönem, agil geführtem Bariton einen intensiven, glaubwürdigen Orest. Orestes Freund Pylade ist mit Juan Francisco Gatell (Gesang; Spiel: Jodok Schweizer) geradezu luxuriös besetzt. Es ist nichts davon zu hören, dass Gatell, der für Andrew Owens einspringt, nachmittags bereits den Prunier in «La rondine» gegeben hat. Sein Haute-Contre strahlt und glänzt ohne Einschränkungen. Gezim Myshketa gibt einen agilen, jugendlichen Thoas, König von Tauris. Er ist als Thoas ein dezent Getriebener, deswegen aber kein bisschen weniger glaubwürdig. Maria Stella Maurizi als Diane und Indyana Schneider als Femme Grecque komplettieren das traumhafte Ensemble.
Regisseur Andreas Homoki schätzt, so das Interview im Programmheft, bei Gluck unter Anderem das Fehlen von Milieuschilderungen, die Konzentration des Komponisten auf die Innenwelt der Figuren: dies gebe ihm eine grosse Freiheit Bildmetaphern zu finden. Tauris sei für ihn und seinen Ausstatter Michael Levine kein realer Ort, sondern eine Art Unterwelt oder Fegefeuer, wo die Traumatisierten zusammenkommen. Der von Levine erdachte schwarze, tunnelartige Raum, ähnlich der Zürcher Lucia von Robert Carsen, sorgt für ein gutes Mass an Beklemmung. Dringt in schmalen Rissen Licht ein, so wird der Raum etwas nach hinten auseinandergezogen. Wird er weiter auseinandergezogen, bietet er die Möglichkeit für Auftritte aus der Unterbühne, so zum Beispiel der Skythen. Die schlichten, strengen, schwarzen Kostüme passen bestens zum psychologisierenden Ansatz Homokis. Die Lichtgestaltung von Franck Evin unterstützt das bildmächtige Inszenierungskonzept.
Ein grosser Theaterabend!
Weitere Aufführungen:
Fr. 29. Sep. 2023, 20.00; So. 01. Okt. 2023, 14.00; Mi. 11. Okt. 2023, 19.00; So. 15. Okt. 2023, 20.00.
25.09.2023, Jan Krobot/Zürich