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ZÜRICH/ Opernhaus: IL TURCO IN ITALIA

Wohnblock 37

06.05.2019 | Oper

Gioacchino Rossini: Il turco in Italia, Opernhaus Zürich, Vorstellung: 05.05.2019

 (3. Vorstellung seit der Premiere am 28.04.2019)

Wohnblock 37

Die Inszenierung des «Türken in Italien» von Jan Philipp Gloger ist bestes episches Theater im Sinne Bertolt Brechts. Gloger verortet die Handlung in der Gegenwart und dazu hat ihm Bühnenbildner Ben Bauer auf der Dreh-Bühne den Wohnblock 37 geschaffen. Es sind drei der identischen Appartements zu sehen, die in diesem Haus vermietet werden, die Waschküche und der Eingangsbereich mit den Briefkästen. Die Ausgangslage lässt sich während der Ouverture entdecken: in einem Appartement wohnen Don Geronio und seine Gattin, Donna Fiorilla, im Anderen ist der erfolglose Dokumentarfilmer (Video-Design: Sami Bill), Schriftsteller und Journalist Prosdocimo untergekommen und das dritte Appartement steht leer. Bereits hier zeigt sich die Detailverliebtheit der Ausstattung: Geronios Wohnung sieht aus wie der Verkaufsraums des schwedischen Möbelhauses und Prosdocimos Einrichtung spiegelt herrlich die Träume des langhaarigen Altachtundsechzigers. Auch die Kostüme von Karin Jud sind eine Augenweide: Allein die Schürze von Don Narcisios Frau, so, wie wir sie von der «Grossmutter vom Land» kennen, beschreibt schon die Frustrationen des Ehe- und Familienalltags. Don Narcisio ist der Hausmeister der Nummer 37: in kariertem Hemd und Kittel. Oder der Pantoffelheld Don Geronio, der in jeder Lebenslage die Gemütlichkeit des heimischen Sofas ausstrahlt und aussieht, wie nach einem Nickerchen auf demselben. Seine Gattin Donna Fiorilla, modisch vermeintlich auf dem letzten Stand, lässt spüren, dass sie zu Höherem berufen ist. Und Selim, als Haupt einer türkischen Grossfamilie, die hier für die Zigeuner steht? Lederjacke, Trainerhose und schwarze Turnschuhe mit goldenen Applikationen…

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Foto: Hans Jörg Michel

Jan Philipp Gloger zeigt in seiner Inszenierung nicht das Neapel des 18. Jahrhunderts sondern heutige Menschen, mit denen sich der Zuschauer ohne Probleme identifizieren kann. Die dauerhaften Überforderungszustände, denen Rossinis Figuren ausgesetzt sind, kennen wir auch heute noch. Wie Gloger nun die Geschichte eng am Libretto auf die Bühne bringt und aktuelle Themen wie Migration und Integration (geniale Plakate mit Anleihen bei SVP und AfD), den Clash of cultures thematisiert, ist gleichermassen grosses Kino wie grosses Handwerk!

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Foto: Hans Jörg Michel

Unter Maestro Enrique Mazzola spielt die Philharmonia Zürich in kleiner Besetzung gross auf! Differenziert, mit dem richtigen Mass Brio erfährt Rossinis Partitur genau die Spritzigkeit, derer sie bedarf. Grosses Lob an die Blechbläser!

Julie Fuchs ist aus der Baby-Pause zurück und debütiert in der Rolle der Donna Fiorilla. Mit stupender Technik gelingt ihr eine nahezu ideale Verkörperung der Partie. Renato Girolami gibt ihren Gatten Don Geronio und verkörpert die Couch-Potatoe ganz dem Klischee entsprechend. Edgardo Rocha (Don Narcisio) bestätigt seinen Ruf als hervorragender Belcanto-Tenor voll und ganz. Man freut sich ihm zuhören und -sehen zu dürfen. Wie immer in Leidenschaft und Spielfreude kaum zu bändigen ist Rebecca Olvera (Zaida). Nahuel di Pierro ist als Selim die Entdeckung des Abends. Ein wunderbarer, kräftiger Bariton ist hier zu vernehmen.

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Foto: Hans Jörg Michel

Der Zusatzchor des Opernhaus Zürich, vorbereitet von Ernst Raffelsberger, und der Statistenverein am Opernhaus Zürich setzen das Konzept des Regisseurs hervorragend um.

Schade, dass Donna Fiorilla und Zaida mit zwei so ähnlich klingenden Sopranen besetzt wurden.

Ein Besuch lohnt sich!

Weitere Aufführungen: 10.05.2019, 14.05.2019, 18.05.2019, 23.05.2019, 26.05.2019 und 29.05.2019.

06.05.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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