Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ZÜRICH/ Opernhaus: I VESPRI SICILIANI. Ist es die Aufgabe des Regisseurs, die Geschichte seinen Bildern anzupassen?

11.06.2024 | Oper international

Giuseppe Verdi: I vespri siciliani • Opernhaus Zürich • Premiere: 09.06.2024

 

Ist es die Aufgabe des Regisseurs, die Geschichte seinen Bildern anzupassen?

Nach den Jahren 1930, 1951, 1971 und 2004 erlebt die Sizilianische Vesper ihre fünfte Produktion am Opernhaus Zürich. Obwohl man es eigentlich besser wissen könnte, wird immer noch eine italienische Übersetzung gegeben.

hfd
Foto © Herwig Prammer

Ivan Repušic am Pult der Philharmonia Zürich priorisiert in seinem Dirigat die Effekte und die Lautstärke. Noch «knalliger» kann man die Vespri kaum dirigieren. Leider fehlt es auch an Differenzierung und vor allem an Koordination mit der Bühne. Da gibt es Wackler zuhauf und Chor und Solisten sind permanent zum Forte gezwungen.

Janko Kastelic hat die Chöre (Chor der Oper Zürich, Chorzuzüger und Zusatzchor Opernhaus Zürich) einstudiert, die ihr bekanntes und oft bewiesenes Potential unter diesen Umständen leider nicht ausspielen können.

Maria Agresta in der anspruchsvollen Rolle der Elena vermag nur anfänglich zu überzeugen. Im Laufe des Abends verliert die Stimme ihr Fundament und von der geforderten Leichtigkeit ist beim Bolero («Mercè, dilette amiche») im fünften Akt nichts mehr da. Irène Friedli gibt routiniert die Ninetta. Alexander Vinogradov als Giovanni di Procida macht das Beste aus seiner Rolle, was ihm Regie und Dirigat noch zugestehen. Sein prächtiger, tadelloser Basssichert ihm als einzigen Bühnenpräsenz an diesem Abend. Quinn Kelsey gibt den Guido de Monforte: Gesang wie Spiel wirken gleichermassen hölzern, wie quasi frisch ab Konservatorium. Die Partie ist gelernt, aber noch lange nicht emotional durchdrungen. Sergey Romanovsky ist der Rolle des Arrigo nicht wirklich gewachsen. Die Extreme erreicht er zwar, aber die Stimme kann nie frei strömen und «flackert» mit fortschreitendem Abend immer mehr. Die kleineren Rollen sind mit Jonas Jud (Il sire di Bethune), Brent Michael Smith (Il conte Vaudemont), Raúl Gutiérrez (Danieli), Stanislav Vorobyov (Roberto) und Maximilian Lawrie (Manfredo) schon fast luxuriös besetzt. Aus dieser Gruppe sticht Omer Kobiljak mit prächtigem, höhensicherem Tenor als Tebaldo deutlich heraus.

Noch ratloser als die musikalische Seite des Abends lässt die szenische den Zuschauer zurück. Der Ansatz des epischen Theaters («Glotzt doch nicht so romantisch!»), das Theater als moralische Anstalt, die über den blanken, gedankenlosen  Konsum hinausführen soll, ist grundsätzlich und ohne Frage zu bejahen. Aber nicht, wenn man das Libretto dazu entsprechend selektiv lesen muss. (Böse Zungen würden vielleicht sogar von «verbiegen» sprechen). Calixto Bieito (Inszenierung) erklärt im Programmheft seine Arbeitsweise und damit auch das Problem dieser Inszenierung: «…eher Bildern folge, die ich im Kopf habe, und den Erinnerungen aus meiner Kindheit. … Ich versuche zuerst, Bilder zu finden und aus diesen Bildern dann die Erzählung zu entwickeln». Ist es die Aufgabe des Regisseurs, die Geschichte seinen Bildern anzupassen? Oder wäre die Aufgabe nicht eher, für die Geschichte Bilder zu finden, die Bilder der Geschichte anzupassen? So fixiert sich Bieito in seiner Regiearbeit auf die Gewalt gegen Frauen und lässt alles andere ausser acht. Seine sizilianische Vesper spielt in einer Ansammlung aus klinisch weissen Containern und Container-Fragmenten (Bühnenbild: Aida Leonor Guardia). Die erste Kindheitserinnerung, ein Sarg, der durch ein enges Treppenhaus getragen wird, wird schon vor der Ouvertüre zitiert, wenn Elena ein an eine Dach-Skiträger erinnerndes Objekt, es steht zu vermuten den Sarg mit ihrem ermordeten Bruder, lautstark über die Bühne schleift. Die weiteren Elemente wie Wildschweinköpfe oder die missbrauchten, mit reichlich Blut beschmierten Opfer wirken sehr schnell berechenbar und abgegriffen. Die Kostüme von Ingo Krügler gehen über eine Variation aktueller Alltagskleidung nicht hinaus. Sinn und Zweck der eingeblendeten Video-Schnipsel (Video: Adria Reixach) erschliessen sich nicht wirklich.

So erweist man dem Werk keinen Dienst, eher schadet man ihm.

Weitere Aufführungen:

Do. 13. Juni 2024, 19.30; Do. 20. Juni 2024, 19.00; So. 23. Juni 2024, 19.30; Fr. 28. Juni 2024, 19.00;

Do. 04. Juli 2024, 19.00; So. 07. Juli 2024, 14.00; Mi. 10. Juli 2024, 19.00; Sa. 13. Juli 2024, 19.00.

11.06.2024, Jan Krobot/Zürich

 

Diese Seite drucken