Pjotr Iljitsch Tschaikowski: Eugen Onegin • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 19.02.2023
Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin
(3.Vorstellung • Wiederaufnahme am 10.02.2023 • Premiere am 24.09.2017)
Ein grosser Abend!
Parallel zu den letzten beiden Vorstellungen von «Roberto Devereux» zeigt das Opernhaus Zürich mit «Eugen Onegin», dass es nicht nur im Italienischen Fach hervorragend aufgestellt ist. Und die Bewährungsprobe im deutschen Fach, die Premiere von «Siegfried», steht kurz bevor.
Foto © Monika Rittershaus
Selten sind Vorstellungen von so ganzheitlich hohem Niveau zu erleben. Bei diesem «Eugen Onegin» stimmt einfach alles. Weder szenisch noch musikalisch bleiben Wünsche offen.
Für Regisseur Barrie Kosky. beginnt die Arbeit an der neuen Regie mit dem Bild der Figuren in der Landschaft: dies sei der Ausgangspunkt für die Welt aus Gras, Blumen und Bäumen, für die Waldlichtung, die ihm als Einheitsbühnenbild dient. Hier erzählt Kosky die Geschichte eng am Libretto, den «Eugen Onegin» gehöre zu den wenigen Opern, in der man keine Takt ändern möge, weil nichts überflüssig oder unverständlich erscheine. Das Stück spielt bei ihm in einer nicht näher definierten Vergangenheit, denn der Zuschauer solle nicht rätseln, wann die Oper spiele, sondern sich auf die Geschichte, die Figuren und ihre Beziehungen konzentrieren. Unter diesen Voraussetzungen überzeugt Kosky vor allem mit seiner Personenführung: Keine der Figuren ist überzeichnet, trägt immer auch kontrastierende Elemente in sich. Wenn die Töchter Larinas auftreten, so geschieht dies mit einer enormen Jugendlichkeit und Frische, dass erst in einem ersten «Moment der Stille» klar wird, wer Olga und wer Tatjana ist. Ähnlich Larina und Filipjewna: Frustriert und der Macht der Gewohnheit ergeben, scheinen sie das Abfüllen der frischen Marmelade wie zwei junge Mädchen zu geniessen. Lenski zeichnet er als Mann, der weiss, was er will, und das dann auch verteidigt. Trotz all dieser Vernunft leidet er an einem gerüttelt Mass Eifersucht. Eugen Onegin ist hier auch etwas Sympathieträger ist, da er zwar ein «Ennui» ist und den Mief der ländlichen Gesellschaft verachtet, dies aber nicht noch durch ein dandyhaftes, geckenhaftes Auftreten unterstreicht. Verschiedene sanfte Veränderungen machen die Geschichte für den Zuschauer der Gegenwart noch leichter nachvollziehbar: So wird die Rückkehr der Bauern zum herbstlichen Picknick unter (adligen) Nachbarn und die Feier des Namenstags zum abendlichen Gartenfest mit Fackelbeleuchtung. Wenn Onegin am Schluss der Oper allein auf der Bühne sein Schicksal beklagt, steht er ganz allein auf der grossen Bühne, zurückgeworfen auf den Anfang. Gremins Palast ist verschwunden (Kompliment an die Bühnenmannschaft für den sicheren und vor allem schnellen Abbau), der Traum Liebe zu finden, verpufft. Rebecca Ringst (Bühnenbild) stellt Kosky dafür eine Lichtung im Wald, bewachsen mit Gras, das sich über sanfte Hügel bis in den Wald hineinzieht, auf die Bühne. Im dritten Akt kommt ein Gemäuer hinzu, das für Gremins Palast steht. Nun sind nur noch wenige Versatzstücke notwendig. Die diskreten, hoch ästhetischen Kostüme hat Klaus Bruns entworfen. Franck Evin zeigt mustergültig, was allein mit Licht möglich ist. So glaubt man am Schluss, herbstlichen Raureif auf den Blättern der Bäume zu sehen.
Foto © Monika Rittershaus
Ekaterina Sannikova gibt klarem, frischen lebendigen Sopran eine als Mädchen wie Ehefrau überzeugende Tatjana, Rachael Wilson mit herrlich verführerischen Mezzo eine mit ihrer Jugendlichkeit ansteckende Olga. Liliana Nikiteanu und Irène Friedli, zwei jahrzehntelange Stützen des Zürcher Ensembles, singen die Larina und die Filippjewna. Igor Golovatenko gibt den Eugen Onegin mit gepflegtem Charakter-Bariton und endlosem Atem. Auch ihm gelingt es hervorragend Koskys Konzept umzusetzen. Einen besseren Lenski als Benjamin Bernheim dürfte man im Moment kaum finden. Mit perfekt geführter Stimme, viel Schmelz und leichtem Metall gibt er einen Lenski mit der optimalen Mischung von Vernunft und Eifersucht. Vitalij Kowaljow ist als Gremin eine Traumbesetzung. Nathan Haller als Triquet und Amin Ahangaran als Hauptmann und Saretzki ergänzen das formidable Ensemble.
GMD Gianandrea Noseda, von 1997 bis 2007 Principal Guest Conductor am Mariinski-Theater von St. Petersburg, lässt die Philharmonia Zürich einen perfekt austarierten Tschaikowskispielen. Der Chor der Oper Zürich (Choreinstudierung Ernst Raffelsberger) mit Wohlklang und Spielfreude am Werk.
Ein grosser Abend!
Weitere Aufführungen: Fr. 24. Februar 2023, 19.00 und Mi. 01. März 2023, 19.00.
19.02.2023, Jan Krobot/Zürich