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ZÜRICH/ Opernhaus: ELEKTRA. Herlitzius, Meier, Fischesser – Philharmonia Zürich – Simone Young (Leitung)

Besser geht fast nicht mehr …

12.07.2019 | Oper

Zürich: Opernhaus – Richard Strauss «Elektra» – Herlitzius, Meier, Fischesser – Philharmonia Zürich – Simone Young (Leitung)    – Besuchte Aufführung 11. Juli 2019


Foto: Michael Hug

Besser geht fast nicht mehr …

Bereits nach den ersten drei Akkorden lässt sich erahnen: Das wird ein grosser Theaterabend! Und so ist es: Was die Sängerinnen, Sänger und die Philharmonia Zürich unter der Leitung von Simone Young hier bieten, ist musikalisch absolut outstanding! Da gerät die düstere und mittlerweile etwas in die Jahre gekommene Inszenierung von Martin Kusej – trotz der Sambatänzer am Schluss – noch so gerne in den Hintergrund; gut so.

Simone Young führt die SolistInnen und das Orchester kraftvoll und dennoch fein differenziert durch den Abend. Die Aufführenden können sich auf der Bühne voll und ganz ausleben und werden dabei durch die Philharmonia Zürich tatkräftig unterstützt; zuverlässig und präzis gibt die Dirigentin die Einsätze. Trotz grosser und zuweilen kräftiger Klangbogen werden die Sängerinnen und Sänger nie vom Orchester überdeckt. Äussert sensibel und feinfühlig arbeiten Dirigentin Young und das Orchester sowohl die anrührenden Stellen als auch die üppigen Klangfluten der Partitur heraus.

Das spannungsgeladene, mitreissende Dirigat wird von allen Personen auf der Bühne noch so gern aufgenommen und mit Leidenschaft umgesetzt. Zu Beginn zeigen die fünf Mägde Judith Schmid, Deniz Uzun, Irène Friedli, Hamida Kristoffersen, Natalia Tansaii und Aufseherin Marion Ammann, was Sache ist. Auch die Vertraute Justyna Bluj und die Schleppträgerin Yuliia Zasimova – beide Künstlerinnen kommen übrigens, wie Natalia Tansaii auch, vom Internationalen Opernstudio – wissen mit ihren jungen, frischen Stimmen zu gefallen.

Nicht selten sind die Kleinstrollen des jungen und des alten Dieners nur unbefriedigend besetzt. Gerade beim «jungen Diener» mögen die Sänger oftmals nicht zu überzeugen. Diese Kürzestrolle hat es aber auch ganz schön in sich! In Zürich sind die beiden vortrefflich besetzt: Iain Milne meistert die tenorale Achterbahn des jungen Dieners souverän, so, als wäre das gar nichts, Richard Walshe, ebenfalls vom Opernstudio, macht mit seiner sehr gepflegten und umsichtig geführten Bassstimme auf sich aufmerksam. Ein weiteres Mitglied des Opernstudios begeistert als der Pfleger des Orest: Alexander Kiechle liefert den Beweis, dass mit den Bässen der Züricher Sängerschmiede zu rechnen ist.

Aegisth ist bei Michael Laurenz in allerbesten Händen, ein Highlight für sich bildet Christof Fischesser als Orest. Eine Chrysothemis voller Leidenschaft bietet Tamara Wilson. Mit ihrer strahlenden, kräftigen Sopranstimme holt sie Elektras Schwester aus dem vermeintlichen Schattendasein heraus und macht ihre Botschaft deutlich erlebbar.


Christof Fischesser, Waltraud Meier, Evelyn Herlitzius, Simone Young (Foto: Michael Hug)

Ein weiterer Glücksfall ist Waltraud Meier als Klytämnestra. Die grossartige Sängerin verleiht der Rolle das Profil einer halb wahnsinnigen, verzweifelten Frau, welche durchaus noch Gefühle für ihre Tochter – und wäre es die da … – hegt und entsprechend unter deren Rückweisung leidet. Frau Meier gestaltet die Rolle mit fein differenziertem Gesang und nimmt ihr so das «Knusperhexen-Image». Wunderbar, diese Rolle aus dem Blickwinkel der verletzlichen Frau und Mutter zu erleben!

Für mich zählt sie gegenwärtig zu den grössten und bedeutendsten Sängerinnen für das deutsche Fach: Evelyn Herlitzius. Steht die zierlich wirkende Sängerin auf der Bühne, verschmilzt sie in jeder Beziehung mit ihrer Rolle und lässt sie nicht mehr los, bis der Vorhang fällt. Das macht diese grossartige Künstlerin in jeder Rolle, welche sie verkörpert, so ergreifend und einzigartig – ganz egal, ob sie als Brünnhilde, Isolde – oder eben wie heuer in Zürich als Elektra zu erleben ist. Sie bleibt nichts schuldig und zieht mit ihrer grossen Darstellungskunst und grossartigem Gesang, mit welchem sie sich scheinbar mühelos gegen die Wogen aus dem Orchestergraben durchsetzt, das Publikum in ihren Bann. Ihre Elektra ist leidenschaftlich, wild verzweifelt und doch flammt immer wieder ein Fünkchen Hoffnung auf. Trotz grosser Leidenschaft führt Evelyn Herlitzius ihre Stimme kontrolliert – auch die hohen Töne sind gesungen und nicht geschrien. Geschickt teilt die Sängerin ihre Kräfte ein und kann die Titelpartie von der ersten bis zur letzten Note ohne die geringste Müdigkeitserscheinung durchziehen. Was für eine Sängerin!!!

Grosser, lange anhaltender Applaus für alle Aufführenden eines ausserordentlichen Opernabends!

Michael Hug

 

 

 

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