Johannes Brahms: Ein deutsches Requiem op. 45, Opernhaus Zürich, Live-Stream: 07.02.2021
Klangkörper Zuschauerraum
Brahms in den Jahren zwischen 1856 und 1868 entstandenes «Ein deutsches Requiem» ist sicher das persönlichste Werk des Komponisten. Der Tod Robert Schumanns 1856 und der Mutter des Komponisten 1865 haben Brahms Schaffen auf jeden Fall beeinflusst: die Frage, ob sie die Komposition ausgelöst haben oder nicht, bleibt dann ein Streit unter Gelehrten.
Zentral für das deutsche Requiem ist die Botschaft des Trostes, die bereits die ersten Worte ausdrücken: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden„. Brahms Werk ist keine Kirchenmusik, keine liturgische Musik, sondern religiösen Musik, die für die Aufführung im Konzertsaal gedacht ist. Sein Requiem basiert nicht auf den Texten der kirchlichen Begräbnisfeiern, sondern auf vom Komponisten selbst aus der Lutherbibel ausgewählten Textstellen. Das deutsche Requiem ist ein Dank für das Leben und Trost für die Trauernden. Und passt damit bestens in die Gegenwart.
Foto © Monika Rittershaus.
«In Zeiten von Corona haben Live-Aufführungen von Werken für Chor und Orchester Seltenheitswert. Aber in Zürich wird das Konzert durch eine ganz besondere Aufführungssituation möglich. Da Publikumsbesuch zurzeit nicht möglich ist, wird für einen Abend auch der Zuschauerraum des Opernhauses zum Klangkörper: Die Damen des Chores nehmen – mit dem gebotenen COVID-Abstand – im Parkett Aufstellung, die Herren in der darüberliegenden Parkettgalerie, im vorderen Bühnenbereich sitzt das Orchester und mitten auf der Bühne steht der Dirigent mit Blick in den offenen Saal. Gianandrea Noseda bringt das gesamte Theater mit Brahms zum Klingen.» (https://www.opernhaus.ch/digital/corona-spielplan/brahms/)
Für das vierte Philharmonische Konzert greift das Opernhaus also auf eine bereits in der Saison 2010/2011 erprobte Variante der Chor-Aufstellung zurück. Trat der Chor damals in Rossinis «Guillaume Tell» nur für den finalen Freiheitschor im Zuschauerraum auf, ist er nun von Anfang an im Zuschauerraum aufgestellt. Den Damen des Chors der Oper Zürich und aus der Zürcher Sing-Akademie (Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger) gelingen ihre Einsätze klangschön und präzis verständlich, in den letzten Sätzen geradezu beeindruckend. Die Herren klingen leider, als ob sie hinter der Bühne sängen, weniger präsent und weniger verständlich.
Foto © Monika Rittershaus.
Gianandrea Noseda, ab kommender Saison Generalmusikdirektor des Opernhaus Zürich, wählt eher bedächtige Tempi und kostet Brahms Klangwelten deutlich, in Anbetracht der überlangen Pausen zwischen den einzelnen Sätzen fast überdeutlich aus. Die Philharmonia Zürich folgt ihm dabei höchst konzentriert und setzt in den letzten beiden Sätzen die dem Werk innewohnende Zuversicht klanggewaltig um.
Lydia Teuscher absolviert das Sopran-Solo mit wunderbar klarer Stimme und viel Gefühl, Konstantin Shushakov ist trotz übermässigem Vibrato bestens verständlich.
Bis 06.08.2021 in der ARTE Mediathek: https://www.arte.tv/de/videos/101799-001-A/johannes-brahms-ein-deutsches-requiem/
07.02.2021, Jan Krobot/Zürich