Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 27.09.2023
(2. Vorstellung • Wiederaufnahme am 23.09.2023 • Premiere am 26.05.2013)
«Der Vorhang zu und alle Fragen offen»
Seit gut 10 Jahren gilt am Schluss der Vorstellung weiterhin Brechts «Der Vorhang zu und alle Fragen offen». Wer Klamauk und Provokation mag, kommt hier voll auf seine Kosten.
Foto © Toni Suter
Die Philharmonia Zürich ist im hochgefahrenen Orchestergraben in grosser Besetzung angetreten. Entsprechen sinfonisch-breit, romantisch gerät der Klang, den Petr Popelka (musikalische Leitung) nur bedingt zügelt. Zu Beginn und gegen Ende drohen einzelne Solisten «überfahren» zu werden. Anzumerken ist aber, dass der Klang immer durchhörbar bleibt. Der Zusatzchor des Opernhauses Zürich (einstudiert von Janko Kastelic) setzt seine szenisch wohl nicht immer einfachen Einsätze klangschön und mit Verve um.
Konstantin Shushakov vermag als Don Giovanni mit einer soliden Interpretation der Rolle zu überzeugen. Golda Schultz als Donna Anna steigert sich im Verlauf des Abends deutlich. Anfänglich klingt ihr Stimme noch sehr leicht, so wie man sich eine Zerlina vorstellt, gewinnt dann aber an Fundament und Volumen. Die Koloraturen geraten tadellos, was die Ausfüllung mit Emotion betrifft, ist noch Luft nach oben. Oleksiy Palchykov präsentiert als Don Ottavio einen herrlichen Tenor mit makelloser Technik. In Sachen Stil ist aber noch viel zu tun, denn Mozart war kein Verist. Und ein Tenor muss nicht zwingend laut sein. Alastair Miles ist ein unangefochtener Komtur mit souveräner Bühnenpräsenz. Ruzan Mantashyan hat als Donna Elvira einen ganz schlechten Abend erwischt. Die Stimme ist nicht einheitlich geführt, die Register nicht verblendet, so dass die Stimme in den hohen Lagen recht schnell scharf klingt. Die Koloraturen geraten meist verschliffen, die Diktion lässt häufig zu wünschen übrig. Andrew Moore vermag als Leporello rundum, musikalisch wie szenisch, zu überzeugen. Das permanente, nervende Outrieren wird wohl Teil des Regie-Konzepts sein. Ziyi Dai als Zerlina ist eine absolute Luxus-Besetzung, die mit ihrem herrlichen Sopran der Zerlina schon fast «entwachsen» scheint. Brent Michael Smith gibt souverän den Masetto.
Sebastian Baumgarten möchte die Fragen, die er hofft, dass sie seine Inszenierung aufwirft, im Sinne Brechts («Der Vorhang zu und alle Fragen offen») dem Zuschauer zur Beantwortung übergeben, denn es handle sich beim Konflikt der Oper um einen dialektischen Widerspruch, der nicht beseitigt, sondern nur immer wieder einer Lösung zugeführt werden kann. Den Grundkonflikt von Mozarts Oper, von Hedonismus und Abstinenz, lässt Baumgarten im Kultraum einer neoprotestantischen Sekte (Bühnenbild: Barbara Ehnes) spielen. Entsprechend tritt der Chor als Amish People auf (Kostüme: Tabea Braun). Ob er am Schluss als Putz-Roboter gezeigt werden muss? So gut der Ansatz an sich ist, so sehr leidet er unter dem Klamauk, der ihm die direkte Verständlichkeit als Grundzug einer guten Inszenierung nimmt. Der spritzende Phallus auf der Tafel des nächtlichen Banketts trägt nun wirklich nicht zum tieferen Verständnis bei.
«Der Vorhang zu und alle Fragen offen».
Weitere Aufführungen: Do. 05. Okt. 2023, 19.30; Di. 10. Okt. 2023, 19.00; Sa. 14. Okt. 2023, 19.00.
28.09.2023, Jan Krobot/Zürich