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ZÜRICH/ Opernhaus: DAS LAND DES LÄCHELNS. Wiederaufnahme. Die Widersprüche dominieren

22.06.2024 | Operette/Musical

Franz Lehár: Das Land des Lächelns • Opernhaus Zürich • Wiederaufnahme: 21.06.2024
(Premiere am 18.06.2017)

Die Widersprüche dominieren

«Das Land des Lächelns» ist die zweite Erfolgsoperette Franz Lehárs, die in dieser Saison am Opernhaus Zürich gezeigt wird.

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Foto © T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

Regisseur und Intendant Andreas Homoki hat sich für die Zürcher Produktion seine eigene Fassung der am 10. Oktober 1929 uraufgeführten Romantischen Operette erstellt (Fassung Andreas Homoki, Opernhaus Zürich 2016/17): «Mein Bühnenbildner Wolfgang Gussmann und ich haben festgestellt, dass sich die Geschichte und das, was mit den Figuren geschieht, eigentlich allein über die Musiknummern erzählen lässt. Aus diesem Grund haben wir uns schliesslich entschieden, die Dialoge fast ganz wegzulassen und viele Nebenrollen, die musikalisch und auch sonst nichts zum eigentlichen Verlauf der Geschichte beitragen, zu streichen» (Interview im Programmheft). Die Operettendramaturgie werde introvertierter, indem das Schicksal der Protagonisten und ihr Gefühlsleben im Zentrum stünden. Nebenhandlungen, Intrigen und ausgeprägte Milieuschilderungen seien für die eigentliche Geschichte nicht mehr so wichtig. «In unserer Inszenierung fassen wir das ganze wie eine Revue auf und konzentrieren uns auf die jeweiligen Situationen der Figuren und ihr Emotionsfeld. Schlag auf Schlag folgen einander kontrastierende Musiknummern – …-, die dem Abend insgesamt eine melancholische Grundstimmung geben». Der Hinweis darauf, dass Lehar in seinem Spätwerk in Richtung «grosse Oper» tendiert, ist sicher nicht falsch. Aber er tendiert dahin, er macht keine «grosse Oper». Durch den Verlust der verbindenden Dialoge, die auch in der silbernen Operette, ja sogar in der bronzenen Operette konstitutiv sind, wird der Zuhörer mit den Musiknummern regelrecht bombardiert. Der Kontrast der Musiknummern wird dadurch so stark, dass aus der Operette ein Schlager-Potpourri wird. Es fehlt dem Zuhörer schlicht die Zeit, die Kontraste (die sich in dieser Zuspitzung in der «grossen Oper» nicht findet) als solche wahrzunehmen. Für  dieses «Potpourri» hat Wolfgang Gussmann Homoki ein schlichtes, an die Revuen der Uraufführungszeit erinnerndes Bühnenbild geschaffen. Ein Portal mit schwarz glitzerndem Vorhang, zwei Klubsessel und eine Säule mit ein bis zwei grossen Revue-Treppen. Dem disparaten musikalischen Eindruck entspricht der szenischen Eindruck: In diesem Umfeld, das in seiner relativen Schlichtheit prädestiniert wäre, die Konzentration auf die Emotionen zu fokussieren, agieren sind die Protagonisten mehr als konservativ geführt und bedienen – musikalisch wie szenisch – alle Klischees, die man von einer Revue-Operette erwartet. Ganz klassisch, hoch ästhetisch sind die Kostüme (Wolfgang Gussmann, Susana Mendoza) gelungen. Arturo Gama choreographiert die Tänzerinnen (Yvonne Barthel, Oriana Bräu-Berger, Kimi Fiebig, Evelyn Angela Gugolz, Lynn Clea Ismail, Carla Keller, Michaela Kvet, Ilaria Rabagliati, Ana Sánchez Martinez, Anna Wojtalla, Maja Xhemaili-Luthiger und Oriana Zeoli).

Zum Dirigat von Ann-Katrin Stöcker (anstelle des erkrankten Paul Daniel) ist positiv anzumerken, dass sie, schliesslich kennt sie das Haus bestens, von Anfang an eine ideale Lautstärke findet und sich als hervorragende Sänger-Begleiterin erweist. Die Philharmonia Zürich folgt ihr hochkonzentriert und klangschön. Und trotzdem bleibt der Abend zäh, will der Funke höchstens einmal kurz aufglimmen, aber weder vom Graben noch von der Bühne überspringen. Ernst Raffelsberger hat den Chor der Oper Zürich tadellos einstudiert: Klang und Spiel überzeugen gleichermassen.

In seiner momentanen stimmlichen Verfassung ist die Rolles des Prinzen Sou-Chong ideal für Piotr Beczała. Er überzeugt mit endlosem Atem, wunderbaren Schmelz, perfekter Phrasierung und der für ihn typischen Träne in der Stimme. Die wenigen Unreinheiten in der Stimme anzumerken, ist Kritik auf allerhöchstem Niveau. Julia Kleiter vermag als Lisa nicht zu überzeugen. Der Stimme fehlt es in allen Registern am Fundament: in der Höhe wird die Stimme dünn, eng und schwierig verständlich. Rebeca Olvera gibt mit ihrer unnachahmlichem Bühnenpräsenz und frischem, wohlklingendem Sopran die Mi. Michael Havlicek singt die Partie des Graf Gustav von Pottenstein von der Seite anstelle von Spencer Lang, der seine Singstimme verloren hat. Lang spielt und spricht die Dialoge. Havlicek, Ensemble-Mitglied der Wiener Volksoper, gibt den Gustl mit hellem, perfekt geführten Bariton. Die Vertrautheit mit der Operette ist nicht zu überhören. Valeriy Murga und Martin Zysset, zwei Urgesteine des Zürcher Ensembles, ergänzen mit kurzen, fokussierten Auftritten als Tschang und Obereunuch das Ensemble.

Der Abend fliesst zäh dahin: Es dominieren die Widersprüche.

Weitere Aufführungen:

Di. 25. Juni 2024, 20.00; Sa. 29. Juni 2024, 19.00; Di. 02. Juli 2024, 19.00; Fr. 05. Juli 2024 ,20.00.

 

22.06.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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