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ZÜRICH/ Opernhaus: DAS LAND DES LÄCHELNS. Operette von Franz Lehár. Premiere

19.06.2017 | Operette/Musical

Zürich: DAS LAND DES LÄCHELNS – Premiere: 18.6. 2017

Lehárs Tragische Operette als Berliner Revue der Weimarer Zeit

Zürich Land 1
Julia Kleiter, Piotr Beczala. Copyright: Toni Suter

Ein Art-Deco-Bühnenportal und ein glitzernder Talmi-Vorhang stimmen uns auf die Lesart von Regisseur Andreas Homoki ein: Lehárs „Tragische Operette“ hat der ehemalige Intendant der Komischen Oper Berlin von allem Wiener Schmäh befreit, Nebenfiguren gestrichen und daraus eine Berliner Operetten-Revue im Stile Ende Zwanziger Jahre, also der Weimarer Republik, gemacht. Offenbar wollte er auf keinen Fall in die „Falle der Sentimentalität“ tappen. Dafür setzt er auf die Verdichtung der Handlung, indem er Dialoge streicht (sicher kein Nachteil), Musiknummern in einen anderen Zusammenhang stellt (was mitunter glückt), aber dem Ganzen den breiten Pinsel einer Puccini-Oper à la Turandot verpasst, was nicht zuletzt auch am lauten und wenig flexiblen Dirigat von Fabio Luisi liegen mag.

Schon die Ouvertüre, im Orchestergraben sitzt die Philharmonia in Gross-Besetzung, klingt beinahe wie eine „Götterdämmerung“ und sonst ist wenig vom flexiblen, flirrenden Raffinement der Instrumentierung des Könners Lehár zu spüren. Das mag durchaus auch seine Berechtigung haben – was haben wir nicht die Nase voll von dem ganzen Operetten-Schmäh-, aber dadurch schleppt sich zumal der 1. Akt mühsam über die Runden. Nach der Pause ist denn auch alles viel besser: Die Stimmen werden nicht mehr vom Orchester zugedeckt, Musik und Handlung haben einen guten dramatischen Fluss.   

Die Besetzung ist erstklassig: Piotr Beczala ist ein Sou-Chong der Edelklasse und singt, mit seinem nun mittlerweile Lohengrin-erprobten Tenor, die Richard-Tauber-Partie mit einer sängerischen Meisterschaft ohnegleichen. Da ist mal der von einem samtenen Mantel umschlossene metallische Kern seines höhensicheren Tenors, dann das perfekte Legato, die geschmackvolle Phrasierung ohne jedes Schmieren und Hinaufziehen der Töne – einfach fabelhaft. Auch darstellerisch vermag sein Sou-Chong zu überzeugen.

Als Lisa war Julia Kleiter eine – fast – ebenbürtige Partnerin. Die Partie – Operettenpartien sind mitunter schwerer zu singen als manche Opernpartie – fordert sie zeitweise bis zu ihren stimmlichen Grenzen, was sie aber mit einer guten Technik zu bewältigen weiss. Schon bei ihrem ersten Auftritt wirkt sie eher wie eine resolute Marlene Dietrich als die von Sou-Chong besungene Lotusblüte. Man glaubt ihr das Heimatlied nach dem fernen Wien nicht so recht.

Zürich Land 2
Spencer Lang, Rebeca Olvera. Copyright: Toni Suter

Dagegen war Rebeca Olvera als bezaubernde Mi wirklich zum Verlieben! Ihre zierliche Erscheinung passt prima zur Rolle der chinesischen Prinzessin. Sie singt mit glockenartigem Sopran, ohne jemals zu drücken, und spielt mit Charme. Als ihr Partner war junge Spencer Lang – eine Aquisition aus dem Opernstudio – eine Ideal-Besetzung des Gustl. Sympathisch, etwas tappsig in seinen Knickerbockern und dazu mit einem flexiblen lyrischen Tenor bedacht, weiss er seine Pointen gut zu setzen. Ergänzend waren Cheyne Davidson als gestrenger Onkel Tschang und Martin Zysset in der Charaktercharge als Ober-Eunuch zu erleben.

Der Chor (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) erfreute mit seinen mitunter auch revuehaft tänzerischen Auftritten und sang dabei akkurat. Die Ballett-Einlagen (Choreographie: Arturo Gama) passten gut in diese „Revue“. Die Show-Treppe (Bühnenbild: Wolfgang Gussmann, der auch mit Susana Mendoza für die Kostüme zeichnete) fehlte auch nicht und der Variété-Vorhang wurde eifrig auf- und zugezogen. Sehr gut gefielen die Szenen, wo die Bühne leer ist und die Protagonisten wohl das sehen, was sie sehen wollen… Denn im „Land des Lächelns“ ist wohl viel eine Chimäre. Die damals untergehende Silberne Operetten-Ära konnte wohl nicht über die am Horizont herauf dämmernde  Katastrophe hinwegtäuschen. Der Schwarze Freitag und das Aufkommen des Nazis, dem die Librettisten zum Opfer fallen werden, zeigen schon ihre Fratze…

John H. Mueller    

 

 

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