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ZÜRICH/ OPERNHAUS: COSÌ FAN TUTTE. Wiederaufnahme

16.11.2021 | Oper international

Wolfgang Amadeus Mozart: Così fan tutte • Opernhaus Zürich • Wiederaufnahme: 14.11.2021

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Foto: Monika Rittershaus

Im ersten Augenblick eine frische, moderne Umsetzung

Nach dem der Hype um Regisseur Kirill Serebrennikow (Inszenierung, Bühnenbild und Kostüme), seinen Hausarrest und die in minutiöser Kleinarbeit mit Unterstützung von Evgeny Kulagin (Umsetzung Inszenierung, Choreografie) entstandene Zürcher Inszenierung von «Così fan tutte» abgeklungen ist, klärt sich der Blick auf seine Arbeit. Man glaubt im ersten Augenblick, eine frische, moderne Umsetzung vor sich zu haben.

Der zweite Blick legt dann allerdings die Probleme der szenischen Umsetzung offen. Das Positive vorweg: Das Desinfektionsmittel als Verweis auf die Pandemie kommt zum Glück nur einmal zur Anwendung. Noch während der Ouvertüre wird klar, dass diese Produktion auf Grund ihrer Körperlichkeit nicht allen Sängerinnen offensteht, denn hier wird der optische Wandel in der Opernwelt, den Kollege so treffend in seinem Artikel «Optischer Wandel in der Opernwelt: Was ist aus den dicken Primadonnen und Tenören geworden?» (https://www.tagblatt.ch/kultur/klischees-optischer-wandel-in-der-opernwelt-was-ist-aus-den-dicken-primadonnen-und-tenoeren-geworden-ld.2210339) oder Kollegin Kübler im Interview mit Mauro Peter (https://www.tagesanzeiger.ch/da-heisst-es-rasch-mal-geh-joggen-honey-867602511574) ansprechen, umgesetzt. Die Grenze, dass das Aussehen wichtiger ist als die Ausstrahlung, scheint hier überschritten. Die Bereitschaft der Sängerinnen sich hier immer wieder bis auf Reizwäsche zu entkleiden ist bleibt bewundernswert. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Ferrando und Guglielmo, wenn sie vermeintlich in den Krieg ziehen, namentlich erwähnte Doubles erhalten. Dorabella und Fiordiligi hingegen müssen den grössten Teil des Abends selbst bewältigen. Für die fünfte Szene des zweiten Aktes erhält Dorabella, deren Vorschlag spazieren zu gehen auf direktem Weg im Bett endet, dann auch ein Double. Die ausgiebige Nachstellung des Beischlafs mit blankem Oberkörper beider Beteiligten erfolgt, währenddem Fiordiligi im Bestreben sich dem Fremden hinzugeben noch schwankt, im Halbdunkel eines Schmuddelpornos. Auch in einer stark sexualisierten Welt wie der Gegenwart ist die Sicht, dass ein Spaziergang schnurstracks im Bett endet, eine doch gar pessimistische Sicht. Die Ausstattung von Ferrando und Guglielmo mit Doubles, die ihre Rollen in Szenen, die sie selbst spielen sollten und denen sie nun als Kommentatoren beiwohnen massgeblich verändern, trägt zum Verständnis des Stückes ebenso wenig bei wie der übermässige Gebrauch von Chat-Visualisierungen aus sozialen Medien und Video-Einblendungen oder der deplatzierte Auftritt Despinas als Moslem-Fundamentalist mit Rauschebart. Die Aufspaltung des Bühnengeschehens auf zwei Etagen mag optisch eindrucksvoll wirken, multipliziert letztlich aber vor allem Störungen durch Umbauten.

Die Philharmonia Zürich musiziert im hochgefahrenen Orchestergraben unter der musikalischen Leitung von Christopher Moulds einen herrlich farbigen, lebendigen und frischen Mozart. Die Philharmonia zeigt sich einmal mehr in blendender Verfassung und trägt ganz wesentlich zum musikalischen Genuss des Abends bei. Der von Ernst Raffelsberger einstudierte Chor der Oper Zürich absolviert seine kurzen Auftritte ausgesprochen klangschön.

Ruzan Mantashyan als Fiordiligi und Anna Goryachova als Dorabella geben das Geschwisterpaar szenisch wie musikalisch als Zwillingspaar: beide Stimmen sind bestens geführt und interpretieren ihre Rolle mit grosser Lebendigkeit. Ihr Spiel ist so eng aufeinander bezogen, dass bei ähnlichen Frisuren und ähnlichem Klang der Stimme die Unterscheidung schwierig werden kann. Konstantin Shushakov überrascht als Guglielmo positiv: er interpretiert seine Rolle mit viel stilistischem Feingefühl und wohlklingendem Bariton Der Ferrando dürfte im Moment kaum besser als mit Mauro Peter zu besetzen sein. Hier stimmt einfach alles. Seine Ausstrahlung, seine Bühnenpräsenz ist an diesem Abend unerreicht. Rebeca Olvera gibt eine quicklebendige Despina. Ihre Charakterstimme ist sofort zu erkennen. Der Don Alfonso ist bei Edwin Crossley-Mercer bestens aufgehoben: mit seinem Charakterbariton zieht er souverän die Fäden. Francesco Guglielmino als Sempronio und Mentor Bajrami als Tizio ergänzen das Ensemble.

Musikalisch top, szenisch leider nicht.

Weitere Aufführungen:

Fr. 19. Nov. 2021, 19.00; Sa. 27. Nov. 2021, 19.00; Do. 02. Dez. 2021, 19.30; Di. 07. Dez. 2021, 19.00; Sa. 11. Dez. 2021, 19.00.

15.11.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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