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ZÜRICH/ Opernhaus: ANDREA CHENIER von Umberto Giordano

12.07.2024 | Oper international

Umberto Giordano: Andrea Chenier • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 11.07.2024

(2. Vorstellung • Premiere am 07.07.2024)

Untrüglicher Sinn für strömendes Melos und atmendes Musizieren

«Theater=Chronik.

Aus Mailand. Eine neue Oper: „Andrea Chenier“ vom Umberto Giordano, dem Componisten der ʺMala vita“, hat bei ihrer ersten Aufführung am Scala-Theater in Mailand außerordentlich gefallen. Der Componist wurde zwanzigmal gerufen. Die Mailänder Kritik spricht sich überaus günstig über das Werk aus.»

(Neue Zürcher Zeitung, 03.04.1896, Beilage zu Nr. 94)

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Foto © T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

Der Komponist wurde an diesem Abend (natürlich) nicht gerufen, aber begeistert war das spärlich erschienene Publikum auf jeden Fall. Und auch die Kritik hat allen Grund sich überaus günstig über den Abend auszusprechen.

Die letzte szenische Umsetzung am Hause stammte aus der Saison 2007/2008 (30.09.2007) und wurde in der Saison 2013/2014 (12.04.2014) nochmals wiederaufgenommen. In den zehn Jahren seither hat das Stück offenbar deutlich an Qualität und Zugkraft verloren, so dass sich eine szenische Produktion nicht mehr lohnt und man es nun, an den Rand der Saison gedrängt, als konzertante Produktion zeigt. Immerhin hat das Vertrauen noch so weit gereicht, um eine Weltklasse-Besetzung zu engagieren. Trotzdem: So wird das Stück sicher kein Kassenschlager.

An erster Stelle ist weiterhin Marco Armiliato zu nennen, dessen Auftritt in vielem an den in Zürich unvergessenen Nello Santi (Carlo Bergonzi: «Il meglio di tutti») erinnert. Wie Santi dirigiert Armiliato auswendig und mit einer an einen Geigenbogen erinnernden «Bacchetta» und wie Santi weiss auch er, wie sich ein Dirigent zu kleiden hat. Armiliato hat stets die Übersicht über das Geschehen vor (Orchester) und hinter ihm (Sänger) und lässt die perfekt disponierte Philharmonia Zürich mit phänomenalem Brio und grosser rhythmischer Spannung die klangliche Vielfalt und teils veristisch grelle Effekte von Giordanos Partitur auskosten. Mit untrüglichem Sinn für strömendes Melos und atmendes Musizieren trägt er die Solisten durch den Abend und animiert die Musiker zu solistischen Höchstleistungen (stellvertretend Lev Sivkov am Violincello).

Ernst Raffelsberger hat den Chor der Oper Zürich perfekt vorbereit. Die Pianostellen, wie zum Beispiel der Chor der Schäfer und Schäferinnen («O Pastorelle») gelingen traumhaft leicht, die «Massenszenen» mit sattem Klang und bestens verständlich und die Revolutionslieder rhythmisch prägnant.

Erika Grimaldi (ihr Gespräch mit dem Neuen Merker:https://onlinemerker.com/erika-grimaldi-eine-neue-stimme-im-dramatischen-italienischen-repertoire-eine-grosse-hoffnungstraegerin-im-spinto-fach/) triumphiert mit souverän geführtem soprano lirico spinto als Maddalena di Coigny. Die perfekt geführte und fokussierte Stimme strömt völlig frei und erlaubt ihr mit ihrer souveränen Rolleninterpretation eine beeindruckende Intensität (besonders bei «La mamma morta») zu erreichen. Auf ihre Amelia in «Un ballo in maschera» in der kommenden Saison darf man sich uneingeschränkt freuen! George Petean gelingt mit seiner Interpretation des Carlo Gérard ein überzeugendes Rollenporträt von ungeahnter Intensität. Mit wunderbar farbenreicher, klar geführter Stimme zeigt er die Entwicklung des Gerard vom revolutionär eingestellten Diener («Son sessannt’anni») über den Funktionär («Nemico della patria») bis hin zum leidenschaftlich Liebenden («Perchè ti volli qui»). Yonghoon Lee, der vor 10 Jahren am Hause unter musikalischer Leitung von Maestro Santi als Andrea Chénier debütierte, kann an diesem Abend etwas freier auftreten, aber noch immer nicht überzeugen. Mit herausgedrückter Brust, zurückgeworfenem Kopf und wohl Leidenschaft suggerierenden zugekniffen Augen gibt er den Macho. Auch die zahlreichen Nebenrollen, Sarah Castle als Gräfin di Coigny, Siena Licht Miller als Bersi und Irène Friedli als Madelon wie auch Brent Michael Smith als Pietro Fléville, David Astorga als Abbate, Omer Kobiljak als Spitzel, Stanislav Vorobyov als Roucher, Valeriy Murga als Schmidt, Andrew Moore als Fouquier-Tinville, Gregory Feldmann als Leiter des Haushaltes, Samson Setu als Mathieu und Aksel Daveyan als Dumas, sind luxuriös besetzt.

Weitere Aufführung: So. 14. Juli 2024, 19.00.

12.07.2024, Jan Krobot/Zürich

 

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