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ZÜRICH/ Operhaus: ARABELLA. Premiere

Arabella im Schatten der aufkommenden Nazis  

02.03.2020 | Oper

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 Die Hakenkreuzfahne passt farblich zum Interieur. Foto: Toni Suter

Zürich: ARABELLA – Premiere 1.3.2020   

Arabella im Schatten der aufkommenden Nazis  

Es fängt alles ganz harmlos an: die stilvolle Halle eines Hotels, elegante Menschen in Kleidern der dreissiger Jahre, angenehme Atmosphäre. Und doch deutet Alles darauf hin, dass Regisseur Robert Carsen mit seinem Leading-Team Gideon Davey (Ausstattung) und Peter van Praet (Lichtgestaltung) in dieser Inszenierung die Entstehungszeit und das ominöse Jahr 1933 der Uraufführung der Oper „Arabella“ nicht verhehlen, nein, sogar deutlich machen will. So schwebt über dieser ästhetisch wunderschönen Inszenierung immer der Ruch des aufkommenden Nazitums. Wie wir ungern zugeben wollen, hat sich Richard Strauss aus Opportunismus, wohl nicht als Überzeugter, den Machthabern „angedient“. Das geht soweit, dass er auch für die Olympischen Spiele 1936 (verewigt durch die suggestiven Bilder des Olympia-Films von Leni Riefenstahl) eine ordinäre Hymne komponiert hat. Im Zwischenspiel, eigentlich das Vorspiel zum 3. Akt, wird dieses Verhängnis durch eine in der Tat höchst beunruhigende Tanz-Szene vor Augen geführt. Aus dem ausufernden Fiakerball werden die Schuhplattler von den Nazis in ihre Reihen und zum Gruss mit dem ausgestreckten Arm gezwungen.

Doch zurück zu Arabella. Graf Waldner und seine Gattin Gräfin Adelaide sind als dem alten Adelsstand Nachtrauernde gut gezeichnet, aber umso gefährdeter für alle Verwerfungen. Adelaide äussert sich ja über Wien als die Stadt der Médisance und Intrige. Arabella und ihre als Zdenko verkleidete Schwester Zdenka bewegen sich in dieser im Umbruch befindenen Welt wie verlorene Kinder. Beide träumen von der grossen Liebe. Als sie diese beide am Schluss der Oper erlangt haben, werden sie von den einziehenden Nazis eingeigelt und bedroht. Und wie äusserte sich doch Arabella „Wir sind nicht grad sehr viel, nach dem Mass dieser Welt – wir laufen halt so mit als etwas zweifelhafte Existenzen“. Und weist dabei auf eines der inzwischen gross gehissten Nazi-Banner…


Josef Wagner, Julia Kleiter – die in der Premiere durch Astrid Kessler ersetzt werden musste.  Foto: Toni Suter

So hat Regisseur Robert Carsen der „Arabella“, dem als fälschlicherweise zweiten schwächeren „Rosenkavalier“ die Bedeutung angedeihen lassen, die der „Arabella“ schon längst hätte zukommen sollen. Nämlich als beunruhigendes Fanal einer untergehenden „besseren Welt“ (?) und der aufkommenden Katastrophe, dem Tanz auf dem Vulkan, wie es Stefan Zweig so treffend formulierte. Diese Interpretation der „Arabella“ ist eine wahre Neu-Entdeckung des Werkes – zumindest für mich.

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Astrid Kessler. Foto: Daniel Weisser

Die Besetzung ist durchwegs vorzüglich. Julia Kleiter, indisponiert, musste als Arabella kurzfristig ersetzt werden. Der Glücksfall war, dass Astrid Kessler, von der man in letzter Zeit ganz Ausgezeichnetes vernimmt, die Rolle übernehmen konnte. Sie passte hervorragend in diese Inszenierung und konnte dabei noch viel von ihrer eigenen Interpretation einbringen. Sie ist eine schöne, schlanke, junge Frau, die sich nicht einfach „dem Gebieter unterordnen“, sondern im aufkommenden Sturm ihren seelischen Hafen bei ihrem emotionalen Fluchtpunkt Mandryka finden will. Astrid Kessler verfügt über einen klar geführten Sopran, hell im Timbre, und gut fundiert in der Mittellage, mit der sie das Strauss-Parlando ideal bewältigen und über das Orchester bringen kann. Dazu krönt sie die Partie mit jugendlich-dramatischen Spitzentönen, mit denen  sie dem Charakter der Arabella ganz entschieden klare Charakterzüge verleiht. Ihr Mandryka Josef Wagner, vom Aussehen her ideal und mit einem gut geführten Bariton bedacht, stellt einen zwar eleganten Landadligen dar, der sich jedoch in der Wiener Gesellschaft (die ja im Fiakerball nicht die vornehmste war) nicht wohl fühlt. Angefeuert durch die quirlige Fiakermilli und im irrtümlichen Verdacht der Untreue Arabellas flippt er förmlich aus und benimmt sich – wohl ganz bewusst – gegen die Regeln einer nicht mehr funktioniernden Gesellschaft.  

Als zweites Paar waren die wunderbare innig singende und den Jungen Zdenko  überzeugend spielende Valentina Farcas und Daniel Behle als verzweifelter Offizier Matteo ebenso ideal besetzt wie das Protagonistenpaar. Daniel Behle, mit seinem sauber geführten Tenor und seinem guten Aussehen war in dieser Inszenierung ein sympathischer Matteo, der ja sonst eigentlich immer ein bisschen aus dem Fokus gerät. Valentina Farcas kann in ihrem rollendeckenden Portrait des Zdenko bzw. der Zdenka und mit ihrer aufblühenden Stimme alle Sympathien auf sich vereinigen. Ganz anders dagegen waren die drei Verehrer Arabellas in ihrer Wurstigkeit und Eitelkeit – sie waren alles Nazi-Offiziere – gut getroffen. Schöne Stimmen hörte man von ihnen: Dean Power (eingesprungen für Paul Curievici) als Graf Elemer, Yuriy Hadzetskyy (Graf Dominik) und Daniel Miroslav (Graf Lamoral). Als Fiakermilli jodelte kunstvoll und zugleich ordinär-agressiv Aleksandra Kubas-Kruk. Irène Friedli war die zuverlässige Kartenaufschlägerin und Judith Schmid stellte als Gräfin Adelaide Waldner eine köstliche Type auf die Bühne. Michael Hauenstein war ein überzeugender Graf Waldner, obwohl es ihm ein wenig an Komik für diese Figur fehlte, was von der Regie vielleicht auch so gewollt war. Stimmlich war Hauenstein tadellos, wie überhaupt das sängerische Niveau dieser Aufführung wunderbar ausgeglichen und ausnahmslos hoch war. In weiteren Rollen war Luca Bernhard der Zimmerkellner – ein junger Tenor, dessen Entwicklung man im Auge behalten soll! Die drei Diener des Mandryka waren Bogusław Bidziński (Welko), Andy Haueter (Djura) und Nick Lulgjuraj (Jankel). Die acht Tänzer (Schuhplattler und Nazis) waren in der rasanten Choreographie von Philippe Giraudeau hervorragend. Der Chor der Oper Zürich (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) war wie üblich gut bei Stimme und stellte – gemeinsam mit dem Statistenverein – die untergehende Gesellschaft der dreissiger Jahre überzeugend dar.

Die Philharmonia unter ihrem GMD Fabio Luisi spielte wie gewohnt hervorragend, nur leider streckenweise einfach zu laut. Maestro Luisi hätte das Orchester durchaus zu weniger Lautstärke animieren sollen, denn so konnte das Strauss-Parlando nicht immer seine volle Wirkung entfalten. Aber eben – wie Arabella singt: „Es waren viele schöne Augenblicke drunter“…         

John H. Mueller

 

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