Operettenbühne Hombrechtikon/Zürich: DER WILDSCHÜTZ
Premiere 10.9.2016, besuchte Aufführung 23.9.2016
Bei beachtlichem Niveau eine neue Tenor-Hoffnung!
Baculus (Erich Bieri) mit Gretchen (Jacqueline Oesch). Copyright: Andreas Eggenberger/Operettenbühne Hombrechtikon
Die auf Privat-Initiative beruhende Operettenbühne Hombrechtikon, hoch über dem Zürichsee gelegen, verfügt über einen modernen Gemeindesaal, der sich als kleines Opernhaus herrichten lässt. Und darin hat sie mit viel Engagement und Hingabe auch mit der diesjährigen Produktion, die immerhin 16 Mal gespielt wird, ihr künstlerisches Profil von professionellem Niveau bewiesen.
Gespielt wird nämlich Lortzings zauberhafte Spieloper „Der Wildschütz“, die in einer sehens- und hörenswerten Ausgabe gegeben wird. Das kleine Orchester, das sich auf gleicher Höhe wie die ersten Reihen des Zuschauerraums befindet, spielt unter dem versierten Dirigenten Caspar Dechmann, der auch für die musikalische Gesamtleitung zeichnet, höchst professionell und erzeugt trotz der kleinen Besetzung einen sowohl kompakten als auch transparenten Klang. Zudem begleitet der Dirigent die Sängerinnen und Sänger höchst einfühlsam und führt sie sicher durch die nicht einfache Partitur. Das Sänger-Ensemble war gut ausgewählt und konnte durchwegs für sich einnehmen.
Graf von Eberbach (Wolf H. Latzel) bedroht Baculus (Erich Bieri), im Hintergrund Mitglieder des Chors der Operettenbühne Hombrechtikon mit Gretchen (Jacqueline Oesch). Copyright: Andreas Eggenberger/Operettenbühne Hombrechtikon
Baron von Eberbach wurde vom sauber intonierenden und Legato singenden Kavaliersbariton Wolf H. Latzel gut gesungen. Seine Arie zu Beginn des 3. Aktes „Heiterkeit…“. – ein wahres Opern-Schmankerl – servierte er mit Eleganz. Als seine Gemahlin war Barbara Hensinger die von der griechischen Antike Hingerissene mit aufgesetztem Pathos, sang mit schlank geführtem Mezzo, war aber eigentlich für die Gräfin zu elegant und zu wenig „komisch“. Auch lässt die Deutlichkeit ihrer Aussprache zu wünschen übrig. Als eine positive Überraschung ist der erst 22-jährige Tenor Omer Kobiljak zu bezeichnen, der als Baron Kronthal eine ausgezeichnete Figur machte. Er nennt eine lyrische Tenorstimme von apartem Schmelz sein eigen und vermag sie – angesichts seiner Jugend – mit beachtlicher Technik zu führen. Da dies seine erste Bühnenrolle ist und er sich sicher noch weiter entwickeln wird, wird in den nächsten Jahren Einiges von diesem jungen Mann zu erwarten sein. Sollte da ein neues Tenor-Talent à la Mauro Peter heranwachsen? Als Baronin war die schwedische Sopranistin Cecilia Berglund zu gange, die aber leider ihre köstliche Auftrittsarie verschenkte. Zwar verfügt sie über eine schöne, glockige Höhe, aber die Mittellage kam durch ihre mulmige Diktion nicht zum Tragen. Als ihr „Stubenbursch“ Nanette war die Chorsolistin Sandra Müller gesanglich gut, aber in den Sprechpassagen nicht überzeugend. Überhaupt ist es für Sängerinnen und Sänger immer schwer, Dialog zu sprechen. Wir kennen das aus unzähligen „Zauberflöten“, wo sich auch mitunter die grössten Sänger der internationalen Opernszene durch ihre Partien „kauderwelschen“. Umso erstaunlicher waren bei dieser kleinen Bühne doch die Dialoge gestaltet und auch recht natürlich über die Rampe gebracht. Als Pankratius konnte Urs Mühlethaler konnte mit seinen auf „Berndeutsch“ gesprochenen Bemerkungen beim Publikum gut reüssieren. Hübsch anzusehen und anzuhören war das Gretchen von Jacqueline Oesch, die ihrem Baculus selbstbewusst Kontra gab. Dieser war bei Erich Bieri bestens aufgehoben, der hier wiederum eine neue Paraderolle gefunden hat. Nie übertreibend, aber doch witzig und als biederer Schulmeister gut charakterisierend, spielte er hervorragend und sang er mit angenehm klingender Bassstimme. Da sitzen alle Töne, alles geschieht wie selbstverständlich und kommt höchst professionell über die Rampe. Seine grosse Szene und Arie „Fünftausend Taler“ wurde zum Höhepunkt der Aufführung. Die Ensembles, besonders im 2. Akt die Billard-Szene, waren hervorragend intoniert und gesungen. Der Chor der Operettenbühne Hombrechtikon war hervorragend einstudiert und absolvierte seine zahlreichen Einsätze mit grosser Spielfreude. Dass die musikalische Seite so fabelhaft gelang, ist Caspar Dechmann zu verdanken, dem dieses Repertoire offenbar sehr gut zu liegen scheint. –
Graf Eberach (Wolf H. Latzel) mit Baron Kronthal – Omer Kobiljak – der neuen Tenor-Hoffnung!. Copyright: Andreas Eggenberger/Operettenbühne Hombrechtikon
Für die gekonnte und absolut das Konventionelle nicht verlassende Regie, die nur in wenigen Augenblicken zum Klamauk geriet, zeichnete Volker Vogel verantwortlich. Er konnte den jungen Sängerinnen und Sängern aus seiner Erfahrung als Sänger sicher einige gute Tipps für eine natürliche Bewegung auf der Bühne geben. Das auf naiv gestaltete Bühnenbild von Fred O. Krauss, die kleidsamen Kostüme von Monika Schmoll und die biedermeierlichen Frisuren von Stefanie Schädlich (Maske) seien stellvertretend für die vielen aktiven Helferinnen und Helfer hinter der Bühne genannt, die alle zum Gelingen eines zu Herzen gehenden Opernabends beitragen. – Lortzing sollte wieder vermehrt auch an grossen Häusern gespielt werden. Ein Zeichen setzte nun die Operettenbühne Hombrechtikon mit dem „Wildschütz“ und bereits vor zwei Jahren mit „Zar und Zimmermann“. Weiter so!
John H. Mueller