Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ZÜRICH/ Oper: LUCIA DI LAMMERMOOR – Ein Triumph der Musik

27.05.2022 | Oper international

Gaëtano Donizetti: Lucia di Lammermoor • Opernhaus Zürich • Vorstellung: 26.05.2022

 (2. Vorstellung • Wiederaufnahme: 22.05.2022 • Premiere am 20.06.2021)

Ein Triumph der Musik

Nachdem die Premiere unter Corona-Restriktionen stattfinden musste, ist Tatjana Gürbacas Lesart der «Lucia di Lammermoor» nun unter Regel-Bedingungen am Opernhaus Zürich zu erleben. Mit der in den Graben zurückgekehrten Philharmonia und neu besetzten Rollen Lucia und Egardo ergibt sich ein musikalisch überzeugender Abend.

zuio
Foto vom Video © Opernhaus Zürich

Glücklich vergessen ist das aus der Not geborene «Corona-Spielmodell» mit seinen Unzulänglichkeiten wie der unausgewogenen, scheppernden und vor allem zu lauten Übertragung und dem fragwürdig kreativen Umgang der Tontechnik mit dem Klang. Immerhin ermöglichte es Aufführungen, die sonst nicht möglich gewesen wären. Die Philharmonia Zürich unter Andrea Sanguineti musiziert mit viel Schmelz und Feuer, trägt die Solisten sensibel durch den Abend und legt so die Basis zum musikalischen Triumph dieser Aufführungsserie. Sämige Streicher, satte Hörner und Trompeten, herrliche Bläser, prägnantes Schlagwerk: es bleiben keine Wünsche offen. Genauso wenig beim Chor der Oper Zürich, der bestens vorbereitet (Janko Kastelic) mit kompaktem Klang und engagiertem Spiel glänzt.

Auf der szenischen Seite bleibt das Grundproblem, dass die Erzählung der Geschichte beeinträchtigt und die Bühne für Ästheten ein Graus ist. Ein zentrales Element der Inszenierung von Tatjana Gürbaca ist die Drehbühne. Die Regisseurin verwendet sie, so ihr Interview im Programmheft, um Sprünge in der Zeit zu markieren. Ihre Inszenierung enthält nun aber durch die Psychologisierung und Ergänzung des Personals um Lucia, Edgardo und Enrico im Jugend-Alter mehr Zeitsprünge als Cammaranos Libretto und widerspricht diesem und dessen dramaturgischer Anlage damit. Cammaranos Spezialität ist, bei Verdis Trovatore wird das besonders deutlich, die Gestaltung von theaterwirksamen Augenblicken. Und dazu passt die extensive Verwendung der Drehhbühne und die damit verbundene Bewegung nun überhaupt nicht. In den einzelnen Bildern geht es primär um das Ausleben spezifischer Emotionen und wie sollen die Solisten (und die Zuschauer) die Ruhe dazu (die im Zweiten Rang schon wegen def dauernden Motorengeräusche der Drehbühne nicht möglich ist) finden? Die erwähnte Psychologisierung ist fragwürdig, da sie Bellini und Cammarano ein Interesse unterstellt, das sie (und die romantische italienische Oper) nicht hatten. Von Interesse war das Phänomen an sich (Lucias Wahnsinn) und dessen Auslösung (Durchsetzung der Zwangsheirat und Reaktion Edgardos), aber nicht eine vertiefte Analyse (Gürbaca postuliert ein Trauma in Lucias Kindheit). Gürbacas Personenführung ist durch allerlei Albernheiten, die sie den Figuren auferlegt, beeinträchtigt. Die Musik schildert zu Beginn des fünften Bildes das Pferdegetrappel, von dem Edgardo spricht. Da muss Enrico nicht noch mit einem Sattel im Arm auftreten. Edgardos Erdarbeiten auf den Gräbern seiner Ahnen im letzten Bild sind nicht wirklich nachvollziehbar. Klaus Grünberg (Bühnenbild und Lichtgestaltung) hat auf der Drehbühne sechs fast identische Räume geschaffen. Die Bühnenkleidung hat Silke Wilrett bestimmt. Enricos Mannen tragen zum Unterhemd Schottenröcke. Ansonsten ist Alltagskleidung vorgegeben.

Massimo Cavaletti gibt mit rundem, kräftigem Bariton einen überzeugenden Enrico und glänzt mit hochmusikalischen Verzierungen. Lisette Oropesa dürfte mit ihrem vollen, runden und doch äussert agilen Sopran ganz der Rollenkonzeption Donizettis für einen koloraturgewandten, dramatischen Sopran entsprechen. Technisch wie stilistisch bleiben bei überragender Bühnenpräsenz durch eine emotional bewegende Darstellung keine Wünsche offen. Hervorragend besetzt ist der Edgardo. Benjamin Bernheim ist einer jener Sänger, die in erster Linie auf der Bühne überzeugen. Mit viel Schmelz und ein klein wenig Metall gibt er mit ergreifender Bühnenpräsenz einen stilistisch sicheren Edgardo mit traumhaft langem Atem. Vitalij Kowaljow kann mit herrlichem Bass als Raimondo überzeugen. Andrew Owens gibt mit prächtigem Tenor einen höhensicheren Arturo. Gespannt darf sein Debüt als Gualtiero (Bellinis «Il Pirata») am kommenden Mittwoch erwartet werden. Roswitha Christina Müller als Alisa und Iain Milne als Normanno ergänzen das Ensemble.

Ein Triumph der Musik!

Weitere Aufführungen: So. 29. Mai, 14.00; Sa. 04. Jun, 19.00; So. 12. Juni, 20.00.

27.05.2022, Jan Krobot/Zürich

 

Diese Seite drucken