Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ZÜRICH: MACBETH – Or tutti sorgete… Premiere

04.04.2016 | Oper

Zürich: MACBETH – 3.4.2016  

Or tutti sorgete…   

thumb_20SAgV_resize_900_0
Markus Brück, Tatjana Serjan. Copyright: Monika Rittershaus

Zürich: MACBETH – 3.4.2016

Or tutti sorgete…

Wenn Lady Macbeth alle schwarzen Kräfte mobilisiert, um ihren Mann anzutreiben, mit immer neuen Morden seine Macht zu festigen, dann tut sie das in Barrie Kosky‘s Neuinszenierung von Verdis Meisterwerk in einem Bühnenraum voll dunkelster Nacht. Bühnenbildner Klaus Grünberg (Kostüme: Klaus Bruns) hat einen perspektivisch nach hinten sich verjüngenden, nur durch Lichtketten angedeutete ausweglosen Korridor geschaffen. Aus diesem imaginären unheimlichen Nachtdunkel tauchen alle Gestalten auf und lösen sich wieder ins Nichts auf. Der australische Meister-Regisseur reduziert das Shakespeare-Drama auf die zwei Hauptfiguren, auf Macbeth und seine Lady. Alle andern Personen sind nur noch Katalysatoren der Handlung und haben kaum Individualität, sehen auch alle gleich aus. Dagegen erfährt nur das Intrigantenpaar eine genaue psychologische Vertiefung. Mehr noch als sonst ist hier Macbeth ein an und für sich durchschnittlicher, rundlicher Mann, dem erst durch seine ehrgeizige Frau Bedeutung verliehen wird –„Io ti daró valore“, singt sie auch. Wie Kosky diese Abhängigkeit Macbeths von seiner Frau zeigt, ist atemberaubend. Dadurch, dass der Regisseur die Dramaturgie auf das Hauptpaar verengt, gewinnt die Unentrinnbarkeit, mit der die Lady ihren Mann manipuliert, an beklemmender  Bedeutung. Beide geraten durch ihre Taten immer mehr in den Strudel des Verbrechens, aus dem ihnen ihr Gewissen nur noch den Ausweg in den Wahnsinn möglich macht. Alles um sie herum ist in tiefstes Dunkel getaucht. Nur eine Lichtquelle von oben, einer Lampe in einem Operationsaal gleich, beleuchtet im wahrsten Sinn des Wortes und unbarmherzig das Handeln der Macbeths. Die Hexen sind hier ein Knäuel von nackten Wesen, die Macbeth in der Tat die „nackte Wahrheit“ sagen, die er aber nicht versteht, zu seinem Schaden, wie wir wissen.

Diese Reduktion auf das Wesentliche bedeutet, dass die gesamte Oper von Macbeth und seiner Lady getragen wird. Das ist mal der von Anbeginn an unglaublich intensiv gestaltende Markus Brück zu nennen, der mit flexiblem Bariton und enormer Expansion in allen Lagen die Verdi-Phrasen mit der ganzen Tragik seiner Psychologie zu erfüllen weiss. Im letzten Akt singt hier Macbeth auch die Arie aus der ersten Fassung, die den sinnreichen Satz „Vil corona, erã tutto per te“ beinhaltet – Da läuft’s einem schon schaurig über den Rücken…Als seine Lady ist Tatiana Serjan eine stimmstarke Lady, die nach einem etwas lauten Einstieg in der ersten Szene sich sogleich mit gleissendem Sopran im Duett mit Macbeth und im Ensemble nach dem Königsmord scheinheilig unter die Menge zu mischen weiss. In der Bankettszene singt sie gekonnt alle Verzierungen und entwirft ein Bild der „eisernen Lady“. In der Schlafwandelszene ist sie dann optimal disponiert und singt sogar hinauf. Kosky hat ihr da eine Krähe zur Seite gegeben, die unglaublich lebensecht wirkt, aber ferngesteuert wird, Überhaupt sind diese Totenvögel fast leitmotivisch in die Inszenierung integriert und haben nicht umsonst etwas Hitchcock-artiges der unlenkbaren Subjektivität und auch des film noir an sich. Kosky’s Regie versinnbildlicht wie keine andere den gesellschaftlichen Aufstieg und gleichzeitig den moralischen Niedergang des Herrscherpaares. Und ach, wie allgemeingültig ist das doch!

Als Banco beeindruckte Wenwei Zhang mit raben-schwarzem Bass. Pavol Breslik sang die Arie des Macduff klangschön, aber doch etwas zu lyrisch, sodass man ihm den Rächer nicht so recht abnehmen wollte. Als Malcolm machte einmal mehr Airam Hernandez auf seine schöne Tenorstimme aufmerksam, ebenso adäquat waren Ivana Rusko als Kammerfrau, Dimitri Pkhaladze als Arzt und Erik Anstine als Diener. Die Erscheinungen wurden gesungen von Astrid Hänggi, Linda Carmen Schmid und Mamuka Tempadze.

Dass Hauptereignis dieses Abends waren der Chor (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) und die Philharmonia, die unter Leitung des faszinierenden Dirigenten Teodor Currentzis standen. Was doch der griechische Dirigent aus dieser wahrlich schwarzen Partitur an Dramatik, Nuancierungen, Rhythmus alles herausholt!. Die Klangfarbe dieser Oper – Verdi hat ja für jede seiner Opern immer eine andere, typische Klangfarbe gewählt – ist ja reinstes Schwarz. Die Holz- und Blechbläser künden davon. Currentzis lässt die Begleitfiguren im Orchester ganz rhythmisch und unbarmherzig spielen, sodass diese nicht leierkastenhaft klingen, sondern zum Motor des ganzen Musik-Dramas werden. So dämonisch hat man wohl  dieses oft verschrieene „Hm-ta-ta“, ausser vielleicht auf Plattenaufnahmen unter Toscanini (der leider keinen Macbeth mehr aufnehmen konnte, was mit der Callas beabsichtigt war!) noch selten gehört. Welche Dynamik und Kraft, hier im dämonischen Sinn, lodert in einer solchen Interpretation.

Eine ganz grossartige Leistung, die die ganze Aufführung prägte. Dass die Sänger bisweilen bis an ihre Grenzen gefordert wurden, kommt diesem düsteren Königsdrama nur zugute. Da schaden laute, scharfe Töne nicht, sondern tragen zum Gesamteindruck dieses von hoher Individualität getragenen Opernabends wesentlich bei. Teodor Currentzis hat hier eine neue Seite der Verdi-Interpretation aufgeschlagen!.

 John H. Mueller.

 

 

 

 

 

 

Diese Seite drucken