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ZÜRICH: LUCIA DI LAMMERMOOR von Gaëtano Donizetti. Wiederaufnahme

Der letzte seiner Art: 60 Jahre und kein Blumenstrauss

23.02.2019 | Oper

Gaëtano Donizetti: Lucia di Lammermoor, Opernhaus Zürich, Wiederaufnahme am 22.02.2019

Der letzte seiner Art: 60 Jahre und kein Blumenstrauss

Es soll sich 1956 zugetragen haben, bei Proben zu «Madama Butterfly» in Lyon. Ein junger italienischer Dirigent hörte, dass Zürcher Stadttheater sei auf der Suche nach einem Dirigenten. Eine Reihe glücklicher Fügungen führte dann dazu, dass dieser Dirigent, Nello Santi, dann am 3.September 1958 am Stadttheater Zürich mit der Macht des Schicksals debütierte. Bereits ein Jahr später wurde er «Musikdirektor», liess sich in Zürich, fand hier die Liebe seines Lebens und wurde für Zürich zur Institution. Santi ist der letzte seiner Art, jener Dirigenten, die sich im Sinne seiner Vorbilder Arturo Toscanini, Antonino Votto, Francesco Molinari-Pradelli und Tullio Serafin als Sachverwalter, in Regietheater-Zeiten wohl besser Verteidiger, der Intentionen des Komponisten sehen.

Es ist schon ein trauriges Zeichen für den Zustand eines Hauses, wenn ein Künstler, der Zürich nie, auch wenn er zwischen den berühmtesten Häusern hin und her pendelte, links hat liegen lassen, sein 60jähriges Jubiläum an dieser Bühne feiert und die Direktion das nicht einmal einer Erwähnung würdig oder eines Blumenstrausses für Wert befindet.

Wer aber nicht vergisst, ist das Publikum und was es nicht vergisst, sind die unzähligen Abende, an denen es Maestro Santi mit leidenschaftlicher Oper ganz im Dienste der Oper und des jeweiligen Komponisten beglückte. Schon länger ist es so, dass wenn Maestro Santi dirigiert, er derjenige ist, der den stärksten Applaus bekommt. So geschehen auch bei der aktuellen Wiederaufnahme der «Lucia di Lammermoor».

Santi brachte mit natürlicher Autorität und Weisheit und Erfahrung des Alters alle Beteiligten zu unerwarteten Leistungen. Auf jenen Plätzen, wo man seine Mimik beobachten und ihn soufflieren hören kann, sind seine Vorstellungen immer ein besonderes Vergnügen.

Die Philharmonia Zürich war kaum wiederzuerkennen. Zarteste Streicher mit doch sattem Ton, wunderbare Holzbläser, ausserordentliche Blechbläser und ein Schlagwerk, dass sich nie über Gebühr in den Vordergrund drängte. Mit solchen Qualitäten war das Orchesterschon lange nicht mehr zu hören. Bravissimi!
Janko Kastelic hatte den Chor der Oper Zürich vorbereitet, der seine Einsätze präsent und klangschön leistete.


Foto: T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

Nina Minasyan als Lucia di Lammermoor hat eine so dramatische Stimme, dass sie der Luisa eigentlich schon entwachsen ist. Die Farben der Stimme schienen eingeschränkt, die Höhe fehlte völlig. Bühnenpräsenz war leider kaum vorhanden, zu sehr wirkte das Gebotene einstudiert und vorgetragen und nicht erlebt und gefühlt. Ismael Jordi konnte als Edgardo di Ravenswood nicht wirklich überzeugen. Eine schöne Stimme hätte er ja, aber wenn er die Phrasen so hinauspresst und bellt… Derart naturalistische Leidenschaft mag vielleicht in veristischen Stücken passen. Auch ihm hätte man gerne ein Glas «Hohes C» offeriert. Artur Ruciński gab einen perfekten Enrico Ashton. Stupende Technik, endloser Atem, wunderbares Legato und eine etwas versteckte, rollengerechte Boshaftigkeit. Wenwei Zhang orgelte und dröhnte sich mit miserabler Diktion durch die Partie des Raimondo Bidebent. Leonardo Sanchez, Mitglied des internationalen Opernstudios, sprang als Lord Arturo Bucklaw ein und löste die Aufgabe mehr als zufrieden stellend. Gemma Ní Bhriain als Alisa, Jamez McCorkle als Normanno und Ginger Nicole Wagner Die weisse Frau ergänzten das Ensemble.


Foto: T+T Fotografie / Toni Suter + Tanja Dorendorf

Die Inszenierung von Damiano Michieletto funktioniert immer noch und vermag weiterhin zu überzeugen. Bühnenbilder Paolo Fantin hat ihm dazu einen schrägen Turm, den Turm Wolferag, aus Stahl und Glas mit fehlenden und zersplitterten Scheiben als Sinnbild für Lucias Seelenzustand auf die Bühne gestellt. Als Brunnen im zweiten Bild dient ein Blecheimer, im vierten Bild möblieren Salontische und mit weissem Leder bezogene Stühle die Bühne. Sein letzte Szene singt Edgardo dann an einem offenen Grab, vor dem Lucias Sarg steht. Die Kostüme stammen von Carla Teti, die Lichtgestaltung Martin Gebhardt.

Vielleicht reicht es zum 90. Geburtstag und 70jährigen Bühnenjubiläum in zwei Jahren dann ja zu einem Blumenstrauss.

Weitere Aufführungen mit Nina Minasyan als Lucia:
Do 28 Februar 2019, 20.00; Lord Enrico Ashton: Roman Burdenko; Lord Arturo Buklaw: Omer Kobiljak
Do 14 März 2019, 19.00; Lord Enrico Ashton: Roman Burdenko; Lord Arturo Buklaw: Omer Kobiljak
Di 19 März 2019, 19.00; Lord Enrico Ashton: Roman Burdenko; Lord Arturo Buklaw: Omer Kobiljak

Weitere Aufführungen mit Venera Gimadieva als Lucia:
Di 26 Februar 2019, 19.00; Lord Arturo Buklaw: Omer Kobiljak
Di 05 März 2019, 19.00; Lord Enrico Ashton: Roman Burdenko; Lord Arturo Buklaw: Omer Kobiljak
So 10 März 2019, 14.00; Lord Enrico Ashton: Roman Burdenko; Lord Arturo Buklaw: Omer Kobiljak

22.02.2019, Jan Krobot/Zürich

 

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