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ZÜRICH: LIEDERABEND WALTRAUD MEIER. Gekonnt ist gekonnt!

16.11.2017 | Konzert/Liederabende

Bildergebnis
Waltraud Meier. Foto: Nomi Baumgartl

Zürich: Liederabend Waltraud Meier – 15.11.2017

Gekonnt ist gekonnt!    

Es ist schon bewundernswert, wie stetig sich die Karriere von Waltraud Meier entwickelt hat: Sorgfältige Rollenauswahl, kein Überschreiten der stimmliche Fachgrenzen, keine Homestories und Skandale. Die sympathische Künstlerin hat es vor allem geschafft, ihre Stimme über alle die Jahre des Wagner-Singens intakt zu halten. Dazu tragen natürlich auch ihre solide Gesangstechnik und musikalische Intelligenz bei. Waltraud Meier präsentierte im Opernhaus Zürich einen klug aufgebauten Liederabend, wobei sie alle ihre Vorzüge einbringen konnte, denn Waltraud Meier weiss genau, wie ihr Beruf und vor allem ihre Stimme funktioniert. Das bescherte uns einen höchst seriösen, ernsthaften Liederabend, bei dem nichts eitel und oberflächlich war. Welche Wohltat!.

Waltraud Meier sang im 1. Teil des Abends zuerst eine Gruppe von sechs Liedern von Brahms, beginnend mit einem etwas zaghaften «Meine Liebe ist grün», dann zu grosser Form bei «Von ewiger Liebe» auflaufend, woran sie eine wunderschöne «Mainacht» anschloss und die Brahms-Lieder mit der duftig gesungenen «Äolsharfe» – einfach ein wunderschönes Lied! – und mit dem emphatischen «Liebe und Frühling» abrundete. Noch besser gelang ihr die anschliessende Gruppe von Wolf-Liedern nach Gedichten von Mörike. Da kam ihr der erzählerische Gestus, den Wolf sich von Wagner anverwandelt hatte, zugute, und zeigte, dass Waltraud Meier ja vornehmlich eine Bühnensängerin ist. Doch nein, sie verlegte sich nicht auf leicht zu erreichende Effekte, sondern blieb auf die Sache konzentriert und in sich ruhend. Von «In der Frühe» führte sie uns über «Denk’ es o Seele» zu «Wo find ich Trost» zu einem echt berührenden «Das verlassene Mägdlein», wo die Schlussphrase mit «So kommt der Tag heran – O ging er wieder!» tief berührte und wohl noch lange nachklingen wird… Die beiden Künstler beschlossen die Wolf-Lieder-Gruppe mit «Verborgenheit» und einem ungemein transzendierenden «Gesang Weylas» mit Orplid, dem Land der Sehnsüchte. Nicht zu unterschätzen sei der Anteil am idealen Zusammenspiel durch den «Flügelmann» Joseph Beinl, der einfühlsam begleitete, pianistisch hervorragend war und mit der Sängerin ein gleichberechtigtes Duo bildete.

Nach der Pause erklangen dann die «Wesendonck-Lieder», denen Waltraud Meier nicht nur die gesangliche Qualität verlieh, sondern sich auch interpretatorisch in ihrem ureigensten Isolde-Bereich fühlte und dies auch zu kommunizieren wusste, ohne je zu unangemessenen Gesten Zuflucht nehmen zu müssen. Es darf und soll aber auch angemerkt werden, dass sich in den Wagner-Liedern leichte Intonationstrübungen einschlichen; auch waren die paar Spitzentöne nicht optimal fokussiert. Aber diese Einwände kann man angesichts der künstlerischen Qualität absolut vernachlässigen.

Zum Abschluss des offiziellen Programms sang Waltraud Meier dann die «Waldtaube» aus den «Gurre-Liedern» von Schönberg in der – so nehmen wir an – wohl vom Komponisten selbst erstellten Klavierfassung. Auch hier bewährte sich das dramatische Talent der Sängerin. So spannte sie den dramaturgischen Bogen dieser «Rhapsode» vom Tod der geliebten Königin Tove. Nicht umsonst erinnerten wir uns an die Erzählung der Waltraute in der «Götterdämmerung», die Waltraud Meier so oft und unvergesslich interpretiert hat.

Umso mehr erstaunte uns das als erste Zugabe ganz leicht und lyrische gesungene «Als Luise die Briefe…» von Mozart, das sie mit Charme und leichter Koketterie «servierte». Und dann ihr Prachtstück: «Der Erlkönig» (Goethe/Schubert op. 1!), wo die Künstlerin mit einer faszinierenden Interpretation rein durch stimmliche Mittel, nur leicht gestisch unterstützt, das ganze Drama vom verängstigten Kind, dem beruhigenden, aber auch angesichts der Geschehnisse verunsicherten Vater und natürlich den schon klingsorhaften Schmeicheleien des Geisterkönigs in der Imagination der Zuhörerinnen und Zuhörer herauf beschwören konnte. Mit dem derben «Abschied» von Wolf, wo der Kritiker mittels eines lustvoll ausgeführten Fusstritts die Treppe hinunterbefördert wird, holte uns die Künstlerin wieder auf den Boden der Realität zurück.

Ein Liederabend der Extraklasse – und eben: Gekonnt ist gekonnt!

John H. Mueller

 

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