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ZÜRICH: LIEDERABEND ELENA MOSUC

Perfekte Gesangskunst

22.06.2018 | Konzert/Liederabende


Elena Moșuc. Copyright: Paulo César

Zürich: LIEDERABEND Elena Moșuc – 21.6.2018

„Perfekte Gesangskunst“

Schon 1991 war Elena Moșuc am Opernhaus Zürich engagiert und hat seitdem eine grossartige internationale Karriere hingelegt. Sie hat sich in ihrem Fach, dem der lyrischen Koloratursängerin, einen weltweiten Ruf erworben. An allen Häusern hat sie schon gesungen. Nun kehrte sie für einen Liederabend an die Stätte ihres Aufstiegs zurück. Mit herzlichem Applaus begrüsst, stürzte sich die Sopranistin sogleich in ein apart zusammengestelltes Liedprogramm, wie man es selten zu hören bekommt. Von Georges Enescu hörten wir Sept Chansons de Clément Marot op. 15, alles Lieder nicht nur in französischer Sprache komponiert, sondern auch ganz dem poetischen Impressionismus der Franzosen nachempfunden. Zu bewundern gab es zuerst mal bei der über fast drei Jahrzehnte andauernden Karriere eine absolut intakte, gesunde Stimme. Das wunderbar lyrisch fliessende Timbre konnte sich die Sopranistin mit Erfolg bewahren. Die Höhen sind direkt im Fokus zentriert gesungen und Elena Moșuc kann ganz wunderbar Töne im oberen Bereich decrescendieren und im Kopfpiano verklingen lassen. Das passte natürlich auch zu den zwei Liedern von Ernest Chausson „Le Charme“ und „Le Colibri“, wobei die Künstlerin auch ihren Vortrag mit Charme würzte. Die „Romance“ von Claude Debussy und vier Lieder von Gabriel Fauré schlossen sich an. Wiederum bewunderte man die mühelose Tongebung und bei aller Kunstfertigkeit der Gesangkunst überzeugt immer wieder die Natürlichkeit des Gesangsduktus. Es braucht nicht betont zu werden, dass bei idiomatischer Aussprache des Französischen das Legato nie darunter litt. Eine neue Begegnung gab’s mit der Liedgruppe von rumänischen Komponisten, die die Sopranistin natürlich in ihrer Muttersprache sang. Von Pascal Bentoiu „April“, von Tiberiu Brediceanu zwei reizende Lieder, davon eines ganz im bezaubernden Volkston gehalten und noch eines von Eduard Caudella. 

Im zweiten Teil des Konzertabends standen dann ein paar der Opernarien Giuseppe Verdis auf dem Programm, die auch Bestandteil ihrer neuen CD „Verdi Heroines“ bilden. Mit dem „Ave Maria“ der Desdemona aus dem 4. Akt „Otello“ drang Elena Moșuc in dramatischere Gefilde vor, obwohl die gewählte Passage eher ruhigen Charakter aufweist. Kein Problem für Elena MoșucElena Moșuc, das letzte „Amen“ mit einem wunderbaren Kopfpiano zu beenden. Dann folgte die wirklich dramatische Arie, samt Rezitativ, der Lucrezia aus „I due Foscari“, wo – Hand aufs Herz – die Sopranistin an ihre stimmlichen Grenzen kam. Da passte dann schon die Arie und Szene der Leonora „D’amor sull‘ali rosee“ mit den ganz noch am Belcanto orientierten Anklängen besser zum lyrischen Grundtimbre der Sängerin. Dass ihr die Cabaletta „Tu vedrai“ auch Spass machte, sah und hörte man ihr förmlich an. Sehr schön gesungen war dann die Romanze der Medora aus „Il Corsaro“, die wiederum als eine noch ganz im Belcanto etwa eines Donizetti zugehörige Verdi-Komposition wirkt. Mit der höchst dramatischen Arie „Trionfai“ der Lady Macbeth aus der 2. Fassung 1847 – die man selten hört –  bot die Sopranistin alle stimmliche Technik auf, diese verflixte Arie zu bewältigen. Dass sie es auch konnte, spricht für die Musikalität und eine absolut verlässliche Technik. Es soll aber nicht verheimlicht werden, dass die Stimme von Elena Moșuc in diesen dramatischen Passagen wohl – noch – nicht von ihr vom Stimmtyp her gänzlich gemeistert werden konnte. Es geht hier nicht um die Technik, die ist tadellos, aber um ein Treiben einer wunderbar lyrischen Stimmmaterials in ein Fach, das diesem kostbaren Timbre vielleicht doch nicht bekommen könnte.


Elena Moșuc. Copyright: Paulo César

Bei den grosszügig gewährten Zugaben kehrte Elena Moșuc in ihr eigentliches Metier zurück. Zuerst sang sie die charmante Arie der „Linda da Chamonix“ (Donizetti) aus dem 1. Akt in herrlich duftiger Weise. Als zweite Zugabe sang sie die Szene mit der Cavatine und Cabaletta der Anna Bolena (Donizetti) aus dem Finale. Diese Szene verlangt ja durchaus dramatische Attacke, zumal in der Cabaletta. Aber das ist dann auch der Unterschied von Donizetti zu Verdi, der in der Mittellage dauernd diese Attacke verlangt, wogegen Donizetti zwar auch Dramatik fordert, diese aber immer wieder mit lyrischeren Passagen dazwischen auflockert, sodass die Sängerin oder der Sänger die Spannung neu aufbauen können. Diese „Anna Bolena“-Szene war der eigentliche Höhepunkt des Abends. Da zeigte sich die technische Versiertheit der Sängerin, dass sie nach den dramatisch fordernden Verdi-Stücken auch noch dem Werk Donizettis mit feiner Phrasierung und sublimer Gesangskunst gerecht werden konnte. Als dritte Zugabe sang Elena Moșuc das Gebet der Tosca „Vissi d’arte“, wunderbar lyrisch, blitzsauber intoniert und mit langen Gesangsbögen. Am Flügel wirkte Enrico Maria Cacciari kompetent, einfühlsam und flexibel: ein Begleiter, wie man ihn sich nur wünschen kann.

Elena Moșuc hat es sich beileibe nicht leicht gemacht mit ihrem höchste Ansprüche verlangenden Konzertprogramm, das sie mit perfekter Gesangskunst meisterte. Wann werden wir die Künstlerin wieder in Zürich am Opernhaus in einer ihrer Glanzpartien erleben dürfen?

John H. Mueller           

 

 

 

 

 

 

 

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