Zürich: LE NOZZE DI FIGARO Wiederaufnahme, besuchte Aufführung 2o.10.2016
Eine höchst turbulente Angelegenheit
Julie Fuchs. Foto: Youtube
Mit einem wahren Turbo stieg der Dirigent Giovanni Antonini in den „Tollen Tag“ ein und behielt den Drive durch die beiden ersten Akte bei. Dadurch fiel die Spannung nie ab, aber Einiges geriet dann doch zu undifferenziert und zu laut. Nach der Pause dann beruhigte sich dann die Situation und Antonini dirigierte die grosse Arie der Gräfin, das Briefduett und den 4. Akt mit einer wunderbaren Ausgeglichenheit, ganz der Komödie entsprechend, die bei Mozart immer im rein Menschlichen ihre Auflösung findet.
Die Scintilla-Formation des Opernhaus-Orchesters, der Philharmonia, sass – wie heutzutage üblich – auf dem nicht ganz auf Parketthöhe hochgefahrenen Orchestergraben und musizierte aufgeweckt und musikantisch. Durch die in dieser Wiederaufnahme der Inszenierung (aus dem Jahre 2007) von Sven Eric Bechtolf zu hektischer Betriebsamkeit und fast Klamauk aufgeputschten Aufführung passte das auch gut. Allerdings ist ein stetes Grapschen an Busen und in den Schritt nicht unbedingt ein Zeichen von erhöhter Erotik, Naja, forget it.
Dafür waren die sängerischen Leistungen, wie übrigens auch die schauspielerischen, auf gutem bis sehr gutem Niveau. Neu besetzt waren die Rollen fast alle und bewährten sich auf höchst erfreuliche Weise. Da ist mal die fabelhafte Julie Fuchs als Susanna, übrigens bildschön anzusehen, die als eigentliche Hauptrolle hier die Fäden in der Hand hat und ihre sie umschwärmenden männlichen Wesen mit Raffinesse auf Distanz zu wahren weiss. Ihre apart timbrierte, klare Stimme setzt sich mühelos gegen die Ensembles durch und bezaubert in den Arien, vor allem in der hinreissend gesungenen Rosen-Arie. Auch im Briefduett mit der eleganten Gräfin von Julia Kleiter vermischten sich die Stimmen auf ideale Weise. Das war „Mozart göttlich“ pur! Davor hatte Julia Kleiter die grosse Arie „Dove sono“ wundervoll klar und ohne Drücker gesungen, wie sie auch eine würdevolle Contessa war, die sich nicht leicht unterkriegen lies. Da erinnerte sie etwas an ihre Fiordiligi, wo Julia Kleiter auch eine willensstarke Frau darstellt. Ihr Gatte war Michael Nagy, der auch durch die an den Tag gelegte Betriebsamkeit seiner Gattin kaum Paroli bieten konnte. Gesanglich war er gut, wenn auch festzustellen ist, dass er über den eigentlichen Mozart-Gesang hinaus ist. Als Figaro erlebten wir den für den erkrankten Ruben Drole, die eigentliche Seele dieser Produktion, den jungen Alexander Miminoshvili, der seine Sache gut machte. Es fehlt ihm aber noch an unwiderstehlicher Ausstrahlung und dem zum Ausdruck gebrachten Aufbegehren gegenüber dem verhassten Adel. Ganz hübsch war der neue Cherubino d’amore von Paula Murrihy, die mit einem leichten Mezzo und burschikosem Auftreten für sich einnehmen konnte. Als Intriganten waren wiederum Liliana Nikiteanu als köstlich-zickige Marcellina und Gianluca Buratto als polternder Don Bartolo unterwegs. Martin Zysset war ein hinreissend schleimiger Don Basilio – schon sein erstes „Susanna, il ciel vi salvi“ zeichnet schon die fein angelegte Charge. Dimitri Pkhaladze als Gärtner Antonio machte auf seinen Bass aufmerksam und wie Gyula Rab als Don Curzio auch auf sein komödiantisches Talent. Beide hatten von der Regie gute Slapstick-Nummern zugeteilt erhalten. Hübsch auch in Aussehen wie Stimme die Barbarina von Florie Valiquette, die zusammen mit dem verkleideten Cherubino gleich auch als „Brautjungfer“ auftrat. Der Chor (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) machte wie immer seine Sache gut.
Ein amüsiertes, zahlreich erschienenes und mitunter auch jugendliches Publikum genossen einen sehr erfreulichen und unterhaltsamen Opernabend.
John H. Mueller