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ZÜRICH/ Landesmuseum: BETTGESCHICHTEN. Ausstellung noch bis 4.4.2021

02.03.2021 | Ausstellungen

AUSSTELLUNG: Bettgeschichten, Landesmuseum Zürich, 03.12.2020 – 04.04.2021

 Bettgeschichten

Das seit den Hochkulturen als Möbel überlieferte Bett ist wohl das Möbel, das dem Menschen am nächsten ist. Das Bett, aber auch Bett- und die Nachtwäsche sind durch gesellschaftliche Normen, soziales Prestige, Mode und Hygiene bestimmt. Seit dem 3. Dezember 2020 zeigt das Landesmuseum Zürich mit Objekten aus seiner Sammlung, wie die hiesigen gehobenen Kreise zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert zu schlafen pflegten.

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Himmelbett aus Schloss Bürglen TG von 1691; Copyright: Schweizerisches Nationalmuseum.

Im 17. Jahrhundert war das Schlafen im Bett ein Zeichen von Wohlstand. Die einfache Bevölkerung schlief in Laub- oder Strohsäcken auf dem feuchten, dreckigen Boden. Im Himmelbett schlief man, abgehoben vom Boden, und durch den Himmel (Deckel) geschützt, einigermassen sauber. Die Vorhänge dienten primär dazu, einen geschlossenen Raum zu bilden und die Wärme nicht entweichen zu lassen. Schlafen war keine private Angelegenheit, weder bei gehobenen Kreisen und schon gar nicht bei Hofe, wo man dem Zeremoniell Ludwig XIV. nacheiferte. Die Schlafposition war fast aufrecht: die heute bekannte, liegende Position wurde mit dem Tod in Verbindung gebracht.

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Einzelbett um 1830; Copyright: Schweizerisches Nationalmuseum.

In städtischen Oberschichten gehören getrennte Betten im 18. Jahrhundert zum guten Ton. Kostbare Furnierhölzer lösen die Drechselarbeiten ab und textiler Luxus nach orientalischen Vorbildern hält Einzug. Die edlen Seifenstoffe der repräsentativen Hausmäntel kombinieren orientalische Herkunft mit europäischem Geschmack: geschlafen wird im Taghemd und einer Nachtmütze. Im Hausmantel werden ausgewählte Gäste in privatem Rahmen empfangen. Als Zeichen eines künstlerisch-intellektuellen Geists findet er Eingang in die Porträtmalerei. Auf dem Land schläft der wohlhabenden Bauernstand im wichtigsten Möbel des Haustands, dem gemeinsamen Ehebett, das die Braut neben Wäscheschrank, Weisswäsche und Wiege als Aussteuer mit in die Ehe bringt. Die reich bemalten Möbel imitieren die aufwendig verzierten Möbel des städtischen Bürgertums. Gemeinsames Schlafen bleibt für die weniger privilegierten Schichten weiterhin Realität.

Das 19. Jahrhundert bringt massive Veränderungen in der Schlafkultur. Das spezifische Schlafzimmer, das nun durch das Verschieben der Schamgrenze zum intimen Raum wird, mit Einzelbetten mit Federrost (Holzgestell mit federnder Matratze) beginnt sich durchzusetzen. Das Bett soll nicht mehr nur warm und bequem, sondern auch gesund und hygienisch, gut belüftet und frei zugänglich sein. Die Hygienebewegung fordert schlichte Eisenbetten mit Spiralfedern anstelle der Holzbetten und zahlreichen Textilien. In den gehobenen Schichten kommen «Schlafzimmermöbel» wie Nachttischchen, Schrankkommoden und Paravents in Mode. Die Nachtwäsche wird zu einer eigenen Gattung der Mode. Für die unteren Schichten verschärfen sich die Bedingungen: Landflucht und rasantes Wachstum der Städte drängt die Arbeiter unter prekären sanitarischen Bedingungen eng zusammen. Krankheiten und Epidemien beginnen sich auszubreiten.

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Blick in die Ausstellung; Copyright: Schweizerisches Nationalmuseum.

Mit der Industrialisierung, der Verlagerung der Möbelherstellung vom Handwerker zur Industrie steigen das Angebot und die Vielfalt im 20. Jahrhundert ins Unermessliche. Natürliche Daunen und Federn lösen das Rosshaar als beliebtestes Füllmaterial ab. In der Zwischenkriegszeit werden den konventionellen Wohnformen neue Konzepte gegenübergestellt, können sich aber nicht durchsetzen. Im Rahmen der Studentenbewegung beginnen sich die Jugendlichen gegen traditionelle Wohnformen aufzulehnen. Wohnen und Schlafen am Boden, inspiriert von fernöstlichen Wohnkonzepten, kommen wieder in Mode. Das Schlafen beginnt wieder öffentlich zu werden.

Eine kleine, aber feine Schau!

03.03.2021, Jan Krobot/Zürich

 

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