AUSSTELLUNG: Frauen.Rechte | Von der Aufklärung bis in die Gegenwart, Landesmuseum Zürich, 05.03.2021 – 18.07.2021
Gleichberechtigung ist Menschenrecht
Vor 50 Jahren, am 7. Februar 1971 hat das Schweizer Stimmvolk das Frauenstimm- und -wahlrecht angenommen. Diesem Jubiläum gedenkt das Landesmuseum Zürich als Abteilung des Schweizerischen Nationalmuseum mit einer entsprechenden Schau.
Sonnenbrosche als Symbol für den Kampf für Gleichberechtigung; Copyright: Schweizerisches Nationalmuseum
1789 definierte die «Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte» die Menschen von Geburt an als frei und gleich an Rechten. Das war eine revolutionäre Erklärung im doppelten Sinn, Produkt einer Revolution einerseits und Abschaffung der Stände andrerseits. Was aber nicht abgeschafft wurde, war die Ungleichheit von Mann und Frau.
Mit der Französischen Revolution begann der lange Kampf der Frauen für Gleichberechtigung. Weder während der Französischen Revolution noch 1830, bei der Gründung des Bundesstaats 1848 oder der Totalrevision der Bundesverfassung 1874 konnten die Frauen in ihrer Sache Erfolge verzeichnen. Seit der Juli-Revolution hielt mit dem Entstehen erster liberaler Kantonsverfassungen das Petitionsrecht in der Eidgenossenschaft Einzug. Im September 1862 nutzten 30 Frauen aus Sissach BL dieses Recht, um auf Widersprüche in der neuen Kantonsverfassung hinzuweisen. Mit ihrer Forderung der Abschaffung der Vorrechte des Mannes gegenüber der Frau waren sie, nicht nur politisch, sondern auch gesellschaftlich (unter Geschlechtervormundschaft stehend) rechtlos, chancenlos.
Eine wichtige Kämpferin für die Rechte der Frau war Emilie Kempin-Spyri, die Nichte der Heidi-Autorin Johanna Spyri. Kempin-Spyri hatte als erste Schweizerin in Rechtswissenschaften promoviert und sich später habilitiert, wanderte dann aber, weil sie in der Schweiz nicht praktizieren durfte, nach einem Prozess vor Bundesgericht in die USA aus. Das Bundesgericht hatte das Bezirksgericht Zürich, das Kempin-Spiry das Anwaltspatent verweigert, gestützt, denn die Forderung sei ebenso neu wie kühn und widerspreche bisheriger Praxis. Ähnliche Klagen wie jene Spirys wurden 1923, 1928 und 1957 abgewiesen.
Das Zivilgesetzbuch (ZGB) als nationale Kodifikation vereinheitlicht die kantonalen Regelungen und übernimmt deren Haltung. Gemäss dem Grundsatz «Wer zahlt, befiehlt» ist der Mann das Oberhaupt der Familie und die verheiratete Frau bleibt in letzter Konsequenz bevormundet. Für sie gilt die Gleichstellung nur theoretisch, wohingegen die nichtverheiratete Frau 1882 mit dem Gesetz über die Rechts- und Handlungsfähigkeit als rechts- und handlungsfähig deklariert wurde. Die verheiratete Frau bleibt unmündig, der Mann kann, wie im Fall der Lydia Welti, einzige Tochter Alfred Eschers, über sie und ihr Vermögen bestimmen. Lydia Welti, die sich von ihrem Mann Friedrich Welti trennen wollte, wird von diesem mit der Diagnose «systematisierter Wahnsinn» in ein psychiatrische Anstalt eingewiesen und in den Suizid getrieben. Da Friedrich Welti die Scheidung wegen Ehebruch eingereicht und ein Zahlung von 1,21 Millionen Franken erhalten hatte, konnte Lydia den Rest ihres Vermögens der Eidgenossenschaft vermachen (Gottfried Keller-Stiftung).
Die Weltwirtschaftskrise und die in der Folge steigende Zahl an Arbeitslosen führte zu Kampagnen gegen das Doppelverdienertum und richtete sich damit vor allem gegen die Berufstätigkeit qualifizierte Frauen. Für vom Staat angestellte Frauen konnte die Heirat ein Kündigungsgrund sein, im Bildungsbereich gab es ein Heiratsverbot. Ganz im Sinne des ZGB galten verheiratete Frauen als versorgt und so kam es nach dem Zweiten Weltkrieg so weit, dass in der Schweiz jene Frauen, die zu Hause bleiben konnten (und sich nicht wie beim Wiederaufbau kriegsversehrter Staaten die Hände «dreckig» machen musste, als emanzipiert galt. Während des Zweiten Weltkriegs und bis 1952 führte die Heirat einer Schweizerin mit einem Ausländer, um Fremde und Flüchtlinge abzuwehren, zum Verlust des Schweizer Bürgerrechts.
Mit dem Beschluss zur Vereinheitlichung der Zivilgesetzgebung beginnt die Schweizer Frauenbewegung sich national zu organisieren. Die bestehenden «fortschrittlichen Frauenvereine» schliessen sich zum Bund Schweizerischer Frauenorganisationen zusammen. Weitere Vereinigungen entstehen und das Gewicht, das nach dem Ersten Weltkrieg auf das Thema «Bildung» gelegt wird, führt zur «Saffa» (Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit, 26.08.-30.09.1928 in Bern). Die Darstellung der Frauenarbeit und ihrer Bedeutung für die schweizerische Volkswirtschaft und Gesellschaft förderte das weibliche Selbstbewusstsein und warb für das bisher den Frauen nicht zugestandene Recht auf Erwerbstätigkeit. Die «Saffa» warb auch für die Anerkennung der Frau als Staatsbürgerin und war Basis der Frauenstimmrechtspetition von 1929. Die Petition für das Frauenstimmrecht bliebe wie so viele andere Bemühungen der Frauenverbände folgenlos.
Nachdem Zweiten Weltkrieg nahm die Frauenbewegung in Bewusstsein ihrer Leistungen erneut an Fahrt auf. Abstimmungen über das kommunale oder kantonale Frauenstimm- und -wahlrecht gingen in verschiedenen Kantonen allesamt negativ aus, so dass der Bundesrat 1951 einen Bericht, in dem er angesichts der kantonalen Misserfolge eine eidgenössische Abstimmung über das Frauenstimmrecht als verfrüht erachtete. Noch 1957 waren bei der Vorlage eines Abstimmungsentwurfs zum Frauenstimmrecht Frauen in keinem Kanton wahl- und stimmberechtigt. Am 1. Februar lehnten 66,9 % der Stimmberechtigten den Bundesbeschluss vom 13.06.1958 über die Einführung des Frauenstimm- und -wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten ab.
Gedenktafel zum Lehrerinnenstreik, 1999. Gymnasium Leonhard, Erziehungsdepartement Basel-Stadt, Basel. Copyright: Bettina Eichin (*1942).
Die Frauenverbände blieben hinter den Kulissen aktiv. Als der Bundesrat 1968 die Ratifizierung der Europäischen Menschenrechtskonvention unter Ausschluss des Frauenstimmrechts plante, sahen die Frauenverbände den Zeitpunkt für einen weiteren Anlauf gekommen. Mit massivem Protest erreichten sie am vom 09.10.1970 die Präsentation des Bundesbeschluss über die Einführung des Frauenstimm- und Wahlrechts in eidgenössischen Angelegenheiten. Am 7. Februar 1971 wurde der Bundesbeschluss mit 65,7% Ja-Stimmen angenommen.
In einer hochkarätigen Schau mit Exponaten aus dem In- und Ausland beleuchtet das Landesmuseum das über 200jährige Ringen um Frauenrechte in der Schweiz.
31.05.2021, Jan Krobot/Zürich