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ZÜRICH/ Kammeroper: L’EQUIVOCO STRAVAGANTE – Herrlich frischer Rossini. Premiere

01.01.2023 | Oper international

Gioacchino Rossini: L’equivoco stravagante • Zürcher Kammeroper im Theater- und Gemeindesaal Zollikon ZH • Premiere: 31.12.2022

Herrlich frischer Rossini!

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Mit Rossinis «L’equivoco stravagante» vermag die Zürcher Kammeroper den letztjährigen Erfolg der beiden Offenbach-Einakter («Pépito» und «Pomme d’Api») nicht nur zu wiederholen, sondern noch auszubauen. Die erste der sieben grossen Buffa-Opern Rossinis wird im Gemeindesaal von Zollikon aufgeführt.

Gioacchino Rossini erhielt die Scrittura zu «L’equivoco stravagante» («Durch List zum Ziel») als er im Sommer 1811, als 19jähriger (!), die Leitung des Teatro del Corso in Bologna übernahm. Das Libretto von Gaetano Gasbarri, das die beiden klassischen Handlungsschemata von «Liebhaber dringt in Welt der Begehrten ein» und «Komödie in der Komödie vereinigt» war ihm vorgegeben. Trotz des suboptimalen Libretto und des jugendlichen Alters des Komponisten zeigt das Werk bereits Rossinis volle Reife. Des jugendlichen Komponisten Phantasie dürfte durch Themen wie die Verspottung der Alten, der Aufsteiger, des Militärs und der Kastraten angeregt worden sein. Zum üblichen Buffa-Modell, dass die Alten am Schluss leer ausgehen und das junge Paar zueinander findet (wie zum Beispiel im Barbier von Sevilla), kommt der Spott über die Aufsteiger wie den eitlen Bauern Gamberotto und den Philosophie studierenden Blaustrumpf Ernestina und der Spott über das Militär (erfolglose Suche nach dem Deserteur) hinzu. Trotz Änderungen bereits vor der Premiere entfernte die Aufsicht das Stück vom Spielplan. Für das 19. Jh. können keine weiteren Aufführung nachgewiesen werden. 1965 wird das Werk in Siena wiederbelebt. Was das Libretto gegenüber anderen Werken der Zeit abhebt, ist das die «Gefangenschaft» der jungen Frau nicht durch die Absichten des Älteren, sie seinen Vorstellungen entsprechend zu verheiraten, sondern durch Kastration und Schutz vor dem Militär motiviert ist. Im Barbiere von Sevilla ist Rosina unter der Knute Bartolos, weil der sie selber heiraten und sich so finanziell sanieren möchte. Hier hat Ernestinas Vater Gamberotto Buralicchio als Bräutigam für seine Tochter auserkoren. Die emanzipierte (!) Dienerschaft verhindert dies hier, in dem sie aus Ernestina einen Sohn Gamberottos machen, der nach Kastration, erfolgloser Karriere und kurzem Militärdienst desertiert ist und nun frauenkleidertragend auf dem väterlichen Anwesen der Dinge harrt, die da kommen mögen. Wie es sich für eine Opera buffa gehört, kehrt sich, nach einem kurzen Gefängnisaufenthalt der Ahnungslosen Ernestina, alles zum Guten.

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Foto © https://zuercher-kammeroper.ch/

Die Aufführung erfolgt «Italienisch gesungen mit deutschen Zwischentexten»: Das Orchester-arrangement stammt von Matthis Bucher und Andreas Luca Beraldo, die Zwischentexte von Paul Suter (Regie und Zwischentexte). Suter hat für Rossinis Dramma giocoso eine rasante, wunderbar leichte szenische Umsetzung gefunden. Gaston Humbert Divan hat dafür eine Bühne mit verschiedenen Spielorten geschaffen: dem Salon Gamberottos, dem Zimmer Ernestinas und zwei Gartensitzplätzen. Das Brio wird munter am Leben gehalten, droht nie ausser Kontrolle zu geraten. Die Szene mit Ernestina im Gefängnis wird allein mit dem Hintergrund und der Lichtgestaltung (Markus Brunn) bewältigt. Die herrlichen, ideal auf die einzelnen Charaktere abgestimmten Kostüme, stammen von Monika Schmoll.

Das Orchester der Zürcher Kammeroper unter musikalischer Leitung von Caspar Dechmann hat seinen Rossini nach premierenbedingter Nervosität dann rasch gut im Begriff und trägt die Sänger durch den Abend. Sechs Köche im Dienst Gamberottos, Roland Kornus, Hartmut Kriszun, Marcel Lutz, Andreas Schiller, Petrik Thomann und Dieter Werner, bilden den Männer-Chor der Zürcher Kammeroper. Hier ist eindeutig noch Luft nach oben.

Julia Schiwowa singt mit festem, klarem Sopran eine Ernestina, die sich der Figur entsprechend noch in der Rolle der neureichen Tochter zurechtfinden muss. Die Mezzosopranistin Judith Lüpold ist immer ein fester Wert und begeistert das Publikum im Handumdrehen. François Pardailhé gibt einen wunder lyrischen, höhentigernden Tenore di grazia. Für diese Rolle ist er nahezu eine Idealbesetzung. Cheyne Davidson, seit langem im Ensemble des Opernhaus Zürich, ist ein eher unauffälliger Gamberotto. Erich Bieri ist stimmkräftiger, herrlich schnöseliger Buralicchio. Jürg Peter als Frontino bringt, unterstützt von der Hausangestellten Désiré (Denis Johansen). Frank Metzner führt als jederzeit tadelloser Sprecher durch den Abend.

Herrlich frischer Rossini!

Weitere Aufführungen:

  1. Jan. 2023, 19 Uhr; 07. Jan. 2023, 19 Uhr; 08. Jan. 2023, 15 Uhr;
  2. Jan. 2023, 19 Uhr; 13. Jan. 2023, 19 Uhr; 15. Jan. 2023, 15 Uhr.

 

31.12.2022, Jan Krobot/Zürich

 

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