Gioacchino Rossini: Il Turco in Italia, Opernhaus Zürich, Vorstellung: 19.12.2019
(3. Vorstellung seit der Wiederaufnahme am 10.12.2019)
Wollt Ihr das?
Jan Philipp Glogers Inszenierung überzeugt auch bei wiederholtem Besuch noch immer voll und ganz: sei es durch die gelungene Aktualisierung, die akribische Charakterisierung der Figuren oder den finalen Ruck ins Politische, wenn Prosdocimo sein Drama über das Leben in Block 37 verkauft und plötzlich ein rechter Propagandafilm (mit grapschenden und prügelnden Ausländern) daraus wird. Mit der Frage «Wollt Ihr das?» wird das Publikum in den Abend entlassen.
Foto: Hans-Jörg Michel.
Kyle Ketelsen, im Frühsommer in der konzertanten Nachtwandlerin noch ein gravitätischer Conte Rodolfo, hat sich nun zum jugendlichen Türken Selim gewandelt, der fernab der Heimat erotische Abenteuer sucht. Ganz den Klischees entsprechend trägt er eine Jogginghose und Lederjacke und Drei-Tage-Bart. In der Wohnung dürfen eine grossformatige Abbildung der Hagia Sophia und eine Wasserpfeife nicht fehlen. Entsprechend jugendlich klingt die Stimme nun und ist deutlich wendiger. Rosa Feola singt eine phantastische Donna Fiorilla. Die Stimme scheint besser verankert als in der Wiederaufnahme, die Koloraturen und Höhen gelingen perfekt. Herrlich, wie sie zeigt, wie in der eingeschlafenen Ehe die Ankunft des neuesten Romans für Freude sorgen kann. Vom neuen Nachbarn Selim ist sie schon bei der ersten Begegnung fasziniert. Wenn sie sich dann traut, geht’s richtig zur Sache. Stille Wasser… Renato Girolami gibt den Don Geronio und sein Reich ist weiterhin die Couch. Nur mit Mühe kann Fiorilla ihn überzeugen im Haushalt auch mal etwas zu tun. Wenn er ausziehen und bei Prosdocimo auf dem Sofa schlafen muss, kann er einem direkt leidtun. Grösse beweist er, als Selim ihn mit dem türkischen Brauch des Frauenkaufs konfrontiert: er antwortet mit dem italienischen Brauch, dem Nebenbuhler kräftig eins auf die Nase zu geben. Edgardo Rocha verkörpert Don Narciso, Hausmeister im Block 37 und Liebhaber Donna Fiorillas. Seine Stimme sitzt an diesem Abend nicht wirklich. Eine Ahnung, wozu er im Vollbesitz seiner Kräfte fähig ist, ist aber da. Pietro Spagnoli ist der Dichter Prosdocimo, hier langhaariger Intellektueller und Alt-68er. Das Junggesellentum ist seinem Haushalt gleich anzusehen. Der Bariton sitzt bestens und Spagnoli ist als Regisseur des Geschehens ganz in seinem Element. Zaida, eine Zigeunerin, ist hier eine junge Türkin und wird von Rebeca Olvera gespielt. Selbstbewusst und mit prächtiger Stimme ist sie mit ihrem Gefährten Albazar (Leonardo Sánchez) auf der Suche nach Selim. Hat sie ihn gefunden, wird sie ihm die Meinung sagen…
Die Philharmonia Zürich unter Leitung von Antonino Fogliani spielt erneut einen wunderbar prickelnden Rossini.
Weitere Aufführungen: 28.12.2019, 20.00; 03.01.2020, 19.00.