Zürich: IL SIGNOR BRUSCHINO (Gioacchino Rossini) – Produktion der OperaBox
Premiere 28.12.2016 – Trotz allem Klamauk siegt doch die Musik Rossinis
Violetta Radomirska als Sofia
Das kleine Opera buffa-Juwel „Il Signor Bruschino“ des jungen Gioacchino Rossini hatte sich das auf Initiative des Direktors des Zürcher Kammerorchester, Michael Bühler, basierende Opernunternehmen „OperaBox Zürich“ für die diesjährige Ausgabe für insgesamt acht Auffühungen (Ende Dezember bis Mitte Januar) vorgenommen. . Nun, die Aufgabe ist nicht leicht und das Ergebnis zeugt von dem Willen, etwas mit Hand und Fuss auf die Beine zu stellen. Was wirklich gelang, war die Wiedergabe der auf 10 Instrumentalstimmen der Musikerinnen und Musiker des Zürcher Kammerorchesters (ZKO, derzeitiger Chef: Daniel Hope) reduzierte Fassung der Partitur von Wolfgang Drechsler unter der umsichtigen Leitung des Dirigenten und Pianisten Andreas Joho. Er war es, der das Ganze zusammenhielt und die Sängerinnen und Sänger, die in der zwirbligen Inszenierung von Paul Suter (auch Bühnenbild im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten, Kostüme Johanna Maierl) oft ohne Sichtverbindung mit dem Dirigenten waren, bei der Stange hielt. Sie mussten also die rhythmisch heiklen Einsätze quasi im Gefühl haben. Und das ohne Maestro suggeritore, zumal Kompliment meine Damen und Herren.
Das etwa eine Stunde dauernde Öperchen Rossinis ist zu wenig lang für einen Abend, sodass das Leading team sich dazu entschlossen hatte, andere Rossini-Werke einzufügen. Diese wurden – mit den wenigen Ausnahmen französisch – wie die Oper italienisch gesungen, während die Secco-Rezitative durch Sprech-Dialoge in Deutsch ersetzt wurden. Dabei wurde die Geschichte nach Sizilien in etwa der fünfziger Jahre versetzt, wobei natürlich bei der Entführung von Bruschinos Sohn ein etwas abgegriffenes Mafia-Klischee herhalten musste. Nun, das geht ja an, aber die Verlängerung des Stückes mit unendlich scheinenden Dialog- und Slapstick-Szenen war mitunter bemühend. Diese erzeugten zwar im Publikum einige Lacher, doch diese dauernde Bewegung, womit das Ganze oft in die Nähe des Klamauks geriet, war nicht dazu angetan, das so um fast eine Stunde verlängerte Original besser zu machen.
Violetta Radomirska als Sofia und Erich Bieri als Gaudenzio. Copyright: Thomas Entzeroth
Da waren: ein dauernd umher wuselnder Sekretär namens Drago (Samuel C. Zinsli), der Chauffeur namens Unlucky Genovese (Arnold Walter), Thomas von Grünigen als Ugo (vom Opernhaus Zürich als fabelhafter Hausmarschall in „Don Pasquale“ in Erinnerung), Bruno Enz (Gärtner) und Nicole Zumstein (Köchin Marta), die alle ihre nicht einfachen Auftritte mit Bravour erbrachten. Köstlich wie immer Flavio Corazza als Ermenegildo.
Erfreulicherweise war Einiges an guter sängerischer Qualität zu hören. Da ist zuerst einmal Violetta Radomirska als Sofia zu nennen. Die junge, blonde Bulgarin verfügt über einen samtenen, eher dunkel gefärbten Mezzo-Sopran, den sie mit einer guten Technik zu führen weiss. Als ihr Lover war David Margulis, der eine hübsche lyrische Tenorstimme sein Eigen nennt und auch gut singt. Allerdings sollte er in Zukunft einiges an Differenzierung in der Klangfarbe und auch mehr Ausstrahlung zulegen. Als Sofias Vater fungierte der bewährte Erich Bieri (wir hatten schon über seinen Van Bett und Baculus an der Operettenbühne Hombrechtikon (bei Zürich) äusserst positiv berichtet), der sich von seinem Temperament mitreissen liess und zu viel Stimme gab. Dabei kommt es mitunter zu Trübungen der Intonation. Aber seine Spielfreude und gute Präsenz gewinnen ihm die Gunst des Publikums. Als seinen Gegenspieler und als Titelfigur des Signor Bruschino hatte man vom Opernhaus Zürich Cheyne Davidson geholt, der für diese schwierige Buffo-Partie die ganze Erfahrung eines versierten Sängers (er sang dieses Jahr verschiedentlich auch bei den Salzburger Festspielen) einbringen konnte. Er enttäuschte auch hier sein Publikum nicht. Leider hatte man ihm eine entsetzliche Perücke verpasst. Als Haushälterin war Barbara Hensinger zu gange, die mit hübscher Stimme ihre für sie eingelegte Arie sang, allerdings nicht ganz frei in der Höhe. Ein paar markige Töne steuerte Jürg Krattinger als Don Filiberto bei. Der erst zum Schluss auftauchende und wegen Schulden verhaftete und freigekaufte Sohn Bruschinos war als Punk mit Matthias Müller, der einen leichten Tenor für kurze Zeit hören liess, besetzt. Und als Polizeikommissar war Thomas Pütz somit der dritte Tenor an diesem Abend.
Cheyne Davidson (Bruschino) und Erich Bieri (Gaudenzio). Copyright: Thomas Entzeroth
Trotz den gemachten Einwendungen überwog dabei doch die Musik Rossinis und der sängerisch-musikalische Anteil war beachtlich. Am Schluss wurde ja auch ein Feuerwerk auf die Wand projiziert. Allerdings nicht um Punkt neun, sondern erst gegen zehn Uhr…
John H. Mueller