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ZÜRICH: FALSTAFF . Bryn Terfels philosophischer Falstaff

28.09.2015 | Oper

Zürich : Falstaff, 27.9. 2015. Bryn Terfels philosophischer Falstaff

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Bryn Terfel, Judit Kutasi. Foto: Oper Zürich

Die seit 2011 auf dem Spielplan der Zürcher Oper stehende Inszenierung von Verdis sublimem Alterswerk „Falstaff“ von Sven-Eric Bechtholf erfuhr durch die Besetzung der Titelrolle durch Bryn Terfel ein neues Kraftzentrum der Aufführung. Terfel, schon mal abgesehen von einer fabelhaften gesanglichen Leistung, stellt einen liebenswerten, charmanten Schwerenöter dar und ist nicht der oftmals als arg ordinärer und herunter gekommener Ritter und Saufkampan im Wirtshaus „Zum Hosenbande“ dargestellte Protagonist. Immer wieder nachdenklich über sich selbst, wird hier Falstaff zu einem Philosophen seiner Selbst, obwohl er – wohl in Erinnerung an seine früheren Tage als Ritter und Edelmann – den Genüssen eines altersbedingten Lebens nicht abgeneigt erscheint. Wie Terfel dies rüberbringt, ist schon sehr nah an Verdis eigener Altersweisheit, ist quasi kongenial zu den Autoren Verdi/Boito des Werkes. Der Künstler Terfel berührt die Humanität in diesem faszinierenden Werk, das oft witzig, aber gleichwohl nie „lustig im Sinn von Schenkelklopfen“ ist. Wenn er am Schluss zu seinen Mitspielern, zum Publikum und wohl auch sicher zu sich selber frägt: „Garbati?“ – dann hat das eine versöhnliche Menschlichkeit an sich, die berührt. Die Schlussfuge „Tutto nel mondo è burla“ meint eben nicht -wie fälschlicherweise oft übersetzt – „Alles auf Erden ist Spass“, sondern eher „Alles auf Erden ist eine Farce, eine Komödie…“ Dass Verdi selbst am Ende seines Lebens höchste Zweifel am Glauben und an die göttliche Bestimmung hatte, wird hier im altersweisen Werk, seinem letzten, quasi versöhnlich „aufgelöst“. –

Als Terfels Partner wirkte ein hervorragendes, teilweise total neu besetztes Ensemble. Dmitry Ivanchey und Dinitri Pkhaladze als Bardolfo und Pistola waren darstellerisch und gesanglich ein Gewinn. Dann habe ich noch selten einen so fantastisch singenden Dr. Cajus wie von Airam Hernandez gehört: eine wahre Luxus-Besetzung! Roman Burdenko war ein adäquater Ford, stimmlich gut und darstellerisch absolut passend als uneinsichtiger Ford. Seine Frau war die aparte Serena Farnocchio, die mit typisch italienisch timbriertem Sopran (tolle Höhe!) mit „Witz und Laube“ die Alice gab, assistiert von der Meg von Judith Schmid, die jung und charmant war und mit frischem Mezzo sang. Köstlich war Judit Kutasi als Mrs. Quickly, einer für einmal jungen Fadenzieherin, die über einen Alt verfügt, der ohne Bruch vom tiefen Register bis in die Höhe geführt wird. Für Sen Guo sprang als Nanetta die junge Rumänin Mirela Bunoaica ein, die sich nahtlos in das Damenquartett einfügte und den gefürchteten gesanglichen Aufstieg im Feenlied souverän sang.

Der Chor (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) und die Philharmonia standen unter der Leitung des nimmermüden Fabio Luisi, der ihm Gegensatz zum populären Nello Santi einen feineren Pinsel anwendete. Und das Orchester, das wohl die gestrige Elektra noch in den Knochen hatte, wurde im Verlauf des Sonntag-Nachmittags immer besser. Sehr schön gelang Fabio Luisi der Übergang im vorletzten Bild zum quasi Mendelssohn‘schem Sommernachtstraum im Finalakt. Die sich ins Flirren des Nachtspuks auflösende Komödie war meisterhaft gelöst. Dazu trug auch die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf bei, die sich angenehm zwischen lebendiger Tradition und witziger Aktualität bewegt.

John H. Mueller

 

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