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ZÜRICH: DER ROSENKAVALIER – Wiederaufnahme

Nichts weiter als eine Farce?...

24.02.2019 | Oper


Anna Stéphany (Octavian), Krassimira Stoyanova (Marschallin). Foto: T&T Fotografie/ Toni Suter

Zürich: DER ROSENKAVALIER – Wiederaufnahme (2. Aufführung am 23.2.2019)

Nichts weiter als eine Farce?…

Nach einer längeren Pause wurde die ästhetische Produktion (Regie: Sven-Eric Bechtolf, Bühnenbild und Kostüme: Rolf und Marianne Glittenberg) mit einer neuen Besetzung sorgfältig einstudiert. Aglaja Nicolet ist in ihrer Wiederaufnahme-Arbeit dem Original erstaunlich gut auf der Spur geblieben, obwohl natürlich die neuen Mitwirkenden schon durch ihre Persönlichkeit im Vergleich zur Premieren-Serie – mit Nina Stemme als depressiver Marschallin – andere Akzente setzten. Krassimira Stoyanova ist nun als Marschallin eine Frau, die mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität steht. Sie lässt sich so leicht nichts vormachen oder gar einreden. Ohne Sentimentalität sieht sie die Sache so, wie sie ist, und hat die Grösse, Octavian schweren Herzens, aber ohne Bitterkeit freizugeben. Ihr „Ich weiss auch nix“ rührte wirklich die Herzen. Zudem singt die Stoyanova berückend schön: Alle „heiklen“ Stellen gelingen ihr wie im Traum und das wundervolle samtene Timbre gibt ihrer Interpretation der Marschallin eine grosse menschliche Wärme und sympathische Unmittelbarkeit. Da gibt’s – im wahrsten Sinn des Wortes – keine Ziererei und kein „spanisches Getue“. Als ihre Partnerin war Anna Stéphany ein toller Octavian. Von schlanker Gestalt bewegt sie sich als junger Mann ebenso natürlich wie gekonnt komisch als Mariandel. Ihre Stimme entwickelt sich immer weiter und hat vor allem in der oberen Lage einen herrlichen Strahl ohne Vibrato. Sie vermag sich auch ohne weiteres gegen die Strauss’schen Orchesterfluten (Beispiel: Kampfansage an Ochs im 2. Akt) durchzusetzen. Sabine Devieilhe war in ihrem Debüt als Sophie eine Traumbesetzung für diese Partie. Hier haben wir nun wieder eine Sophie mit diesen Glockentönen à la Reri Grist oder Lucia Popp. Ihr Deutsch ist tadellos und sie spielt die selbstbewusste und schüchterne Klosterabgängerin mit Eleganz und Charme. Zudem ist sie wunderhübsch anzusehen. Und obwohl die Sängerin gerade von einer Grippe genesen war, sang sie ohne Einschränkungen.


Christoph Fischesser (Ochs), Sabine Devieilhe (Sophie). Foto: T&T Fotografie/ Toni Suter

Das andere Grippe-Opfer war Christof Fischesser, der – bei der Einschränkung seiner grippebedingten Kondition – einen erstaunlich guten Ochs auf Lerchenau sang und hervorragend spielte. Nicht ein „alter Trottel“, sondern ein attraktiver Landadeliger, der sich in der mondänen Wienerstadt nicht mehr zurechtfindet: eigentlich eine tragische Figur. Aber obwohl Ochs seine unangenehmen Seiten hat, verfügt er bei Christof Fischesser auch über Charme und Ausstrahlung. Fischesser, obwohl kein „Steh-Bass“, verfügt über alle tiefen und hohen Töne der anspruchsvollen Partie. Fabelhaft sein über neun Takte mit voller Stimme gesungenes „Heu“ im ersten Akt ebenso wie das tiefe „keine Nacht mir zu lang“. Christof Fischesser verfügt auch über ein Parlando mit einem natürlich eingefärbten Wienerisch. Als köstlich aufgeregter Faninal beherrscht Martin Gantner die Gratwanderung, auch dem eingebildeten Neureichen noch diesen oder jenen sympathischen Zug in seinem Auftreten zukommen zu lassen. Köstlich agierten als Intrigantenpaar Annina und Valzacchi Irène Friedli und Spencer Lang. Zum Staunen brachte uns Derrick Stark als Italienischer Sänger mit einer elegant geführten Tenorstimme und der uns mit einer strahlenden Höhe bis ins hohe Ces begeisterte.

Das durchwegs hohe Niveau hielt sich bis in die kleinsten Partien, so die Leitmetzerin von Miranda Keys (mit hohem „der Rosenkavalier“-Ton), Caroline Fuss (Modistin), Alexander Kiechle als Polizeikommissar, Leonardo Sanchez und Thobela Btshanyana als  Haushofmeister in den Herrschaftshäusern der Marschallin und Faninals. Weiters der Notar von Stanislav Vorobyov, der Wirt von Iain Milne, der Tierhändler von Thomas Luckett. Gut auch die drei Adeligen Waisen (Soyoung Lee, Olivera Dukic und Julie Bartholomew). Auch alle weiteren Statisten und die Lakaien der Marschallin sowie der Chor des Opernhauses Zürich (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) waren alle hervorragend vorbereitet und entsprechend eingesetzt. Heike Behrens versah als Maestra suggeritore ihre unerlässlichen Dienste, die ihr von den Solisten vor dem Vorhang gebührend verdankt wurden.

Die Philharmonia spielte unter ihrem Chef Fabio Luisi zugriffig und stellenweise etwas laut und streckenweise vielleicht etwas grob. Aber immer wieder konnte Luisi Ruhepausen einbauen, sodass sich die Lyrismen voll entfalten konnten Sehr gut aber war sein stetes Vorwärtsdrängen, sodass sich auch keine „Durststrecken“ im 2. und 3. Akt ergaben.

Ein wunderbarer Opernabend, von denen sich die „unverbesserlichen Geniesser“ doch mehr wünschten…

John H. Mueller  

 

 

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