Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

ZÜRICH: DER FREISCHÜTZ. Wiederaufnahme .

„Dämonie als Rückseite der Komik“

17.10.2019 | Oper

Bildergebnis für zürich der freischütz

Zürich: DER FREISCHÜTZ  – Wiederaufnahme – besuchte Aufführung: 16.10.2019 

„Dämonie als Rückseite der Komik“   

Die äusserst witzige und teilweise auch recht doppelbödige Inszenierung von Herbert Fritsch stammt aus dem Jahr 2016 und hat sich gut gehalten. In einer Serie von fünf Aufführungen ist sie neu besetzt wieder aufgenommen worden. Die prachtvollen Kostüme von Victoria Behr passen wunderbar in das Bühnenbild, das in Komplementärfarben immer neue Anreize für das Auge bietet. Die Figuren werden teils in Gesten des Opernklischees geführt, andererseits werden sie psychologisch – wenn auch übertrieben – gedeutet als Menschen, die Angst haben vor dem Dämonischen. Man macht sich zwar lustig über den Teufel, hat aber doch Angst vor ihm. Dieser tritt als Samiel leibhaftig auf und ist das ganze Stück hindurch präsent. Florian Anderer spielt ihn höchst behende, klettert Wände hoch, tänzelt zwischen den verängstigten Personen hindurch, rennt hyperaktiv mit der Nase gegen die Wand und verheddert sich mit seinem Teufelsschwanz. Er ist bei aller Komik eben auch dämonisch. Gerade diese Doppelbödigkeit ist es, die dieser Inszenierung ihren Theaterzauber verleiht. Der unglaublich starken Musik Carl Maria von Webers tut das überhaupt keinen Abbruch. Im Gegenteil, sie unterstützt sie ganz besonders, verleiht ihr mehr Tiefe und Wirkung, als man es in einer „konventionellen“ Aufführung vielleicht erwartet hätte.

Bildergebnis für zürich der freischütz
Foto: Hans Jörg Michel

Neu besetzt und auch sehr gut getroffen in seiner Unsicherheit als Max war Benjamin Bruns, der mit einem zwischen lyrischem und Charakter-Tenor angesiedelten Stimmtimbre auch die verinnerlichten Passagen ebenso abdecken konnte wie die Stretta seiner grossen Arie und die Ensembles, so das Terzett mit den beiden Sopranen und die Wolfsschlucht mit Kaspar.  Dieser war wiederum der fabelhafte Christof Fischesser, der ganz hervorragend den präpotenten Jägerburschen spielt, der aber, zitternd vor Angst, vor Samiel einknickt. Gesungen haben beide vorzüglich und das haben auch die beiden Damen des Abends. Jacquelyn Wagner war der Ruf als hervorragende Eva bei den Salzburger Festspielen vorausgeeilt und sie konnte die Erwartungen voll erfüllen, Die Sängerin verfügt über eine lyrisch timbrierte Stimme, die schlank durch die elegant verblendeten Register geführt und von einer leuchtenden Höhe gekrönt wird. Zudem passt sie sich sehr gut in diese Inszenierung ein und kann auch in ihren beiden Arien rein mit stimmlichen Mitteln den Zauber der Weberschen Kantilene vermitteln. Zudem sieht sie im Brautkleid der Kaiserin Sissi nicht unähnlich! Als Ännchen war mal wieder eine echte deutsche lyrische Soubrette mit guter Textverständlichkeit, angenehmer Mittellage und sicherer Höhe verpflichtet worden: Lydia Teuscher spielt sie ebenso chamant wie recht pfiffig und sogar ein wenig verschlagen. In weiteren Partien überzeugten Yannick Debus als ausgezeichneter Kilian in seinem Spottlied auf Max, Ildo Song als bass-strömender Eremit, prägnant Michael Hauenstein als Kuno und Oliver Widmer in guter Verfassung als Fürst Ottakar in rätselhafter Verkleidung. Witzig auch die vier Brautjungfern, die beiden Jäger, die zum Erstaunen des Publkums plötzlich „baseldytsch“ sprachen, die fabelhaften Luftakrobatinnen und weiteren Mitwirkenden in der Wolfsschlucht. Der Chor in den köstlichen Kostümen /(nochmals Victoria Behr) sang und spielte engagiert (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) und die Philharmonia brachte unter der Stabführung des hervorragenden Dirigenten Axel Kober die Weberschen Farben heraus und entwickelte so manche Magie dieses wunderbaren Freischütz-Abends.

John H. Mueller   

 

 

Diese Seite drucken