Cecilia Bartoli in dem legendären Spiegelkleid (und das seit 25 Jahren!!!). Foto: Monika Rittershaus.
ZÜRICH/ Opernhaus: CENERENTOLA
Wiederaufnahme – Besuchte Aufführung 2.1.2020
Cecilia Bartoli als zauberhafte Angelina
Seit 1995, also gute 25 Jahre, hält sich die zauberhafte Inszenierung von Cesare Lievi (Bühnenbild und Kostüme: Luigi Perego) im Repertoire des Opernhauses Zürich. Kein Wunder: ist doch die Cenerentola seit Anbeginn Cecilia Bartoli – und sie ist es seitdem unvermindert! Die mit Charme und magischer Ausstrahlung gesegnete Sängerin verzaubert jedesmal neu ihr Publikum: Wenn sie zu Beginn auf den Knien die Schuhe der bösen Stiefschwestern putzt, wenn sie gedemütigt wird und weint, weil sie nicht zum Fest des Prinzen mitkommen darf. Aber auch wenn sie als Einzige dem Bettler, der niemand anders ist als Alidoro, der Erzieher des Prinzen, und insgeheim der Zauberer, der alle Fäden in der Hand hält und das Geschehen wahrlich „manipuliert“, zu essen und zu trinken gibt, was die arroganten Schwestern unterlassen, so ist es Cenerentola Cecilia, die das mit ihrem Spieltalent und ihrer Authentizität so unverhohlen über die Rampe und damit direkt in die Herzen des ihr ergebenen Publikums transportiert. Dabei gelingen ihr die rollenden Koloraturen auf die ihr ganz eigene Weise wie einst im Mai, sie phrasiert mit vielen Piani und überrascht immer wieder mit neuen Finessen. Dies auch schauspielerisch. Sie weiss genau, was immer noch möglich ist und eine einzigartige Wirkung auf das Publikum hat. Dabei ist sie nicht eitel darauf bedacht, Wirkung zu erzielen, sondern die von ihr verkörperte Rolle, hier die Angelina, wirkt absolut echt und glaubhaft. Dazu kommt ihre blendende Erscheinung, vor allem in dem legendären, für sie speziell entworfenen Spiegelkleid, in dem sie als wahre Königin des Balls auftritt. Ihre Stimme war nie gross, aber ihr feinstes Piano trägt bis in die letzte Ecke jeder Loge. Die Art, wie sie die Koloraturen singt, mag Geschmacksache sein, aber verblüffend ist es einfach, wie sie immer noch über die vokalen Resourcen verfügt.
Sie hatte auch fabelhafte Partner: Ihr Prinz Don Ramiro war Javier Camarena, der für diese Partie eine Luxus-Besetzung darstellt: welches Timbre, welche technische Sicherheit, welcher Geschmack in der Phrasierung, welche blendende Höhe bis ins hohe d‘ – einfach hinreissend. Dabei spielt er den Prinzen glaubwürdig. Als sein „Vertreter“ war Oliver Widmer – auch noch aus der Premieren-Besetzung wie die Bartoli – ein vor allem schauspielerisch treffender Dandini. Gesanglich und im Parlando war er wirklich sehr gut, obwohl seiner Stimme der Glanz über die Jahre etwas abhanden gekommen sein mag. Als Don Magnifico wirkte Alessandro Corbelli in alter italienischer Buffo-Manier (um La Roche aus „Capriccio“ zu zitieren…), absolut echt und gegenüber früheren Rollen-Vertretern eher böser und hinterhältiger. Seine beiden Töchter waren sowohl komödiantisch als auch sängerisch hervorragend bei Rebeca Olvera (Clorinda) und Liliana Nikiteanu (Tisbe) aufgehoben. Auf sich aufmerksam machte Stanislav Vorobyov als prächtig singender Alidoro, der zudem eine bella figura machte. Der Herrenchor des Opernhauses Zürich (Einstudierung: Ernst Raffelsberger) genoss seine von der Regie Lievis witzig inszenierten Auftritte und sang auch animiert.
Die Scintilla spielte unter der Leitung des drahtigen Gianluca Capuano zuerst eine etwas hölzern klingende Ouvertüre, steigerte sich dann aber im Laufe der Oper zu einem animierten, farbig schillernden Spiel. Ab und an hätte der Dirigent das Orchester allerdings mehr zurückhalten können, da bei den Parlando-Passagen die Sänger leicht untergingen.
Und dann beim Schlussapplaus: die Überraschung vor dem Vorhang. Nachdem Cecilia Bartoli freudestrahlend „Herzchen“ ins Publikum verteilt hatte, entschloss man sich, das „Gruppo rintrecciato“-Ensemble als Zugabe zu wiederholen. Dass es Standing Ovations gab und viele Bravo-Rufe, das ist dann schon fast „selbstverständlich“…
John H. Mueller