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ZÜRICH: CAVALLERIA RUSTICANA / I PAGLIACCI. Wiederaufnahme mit Roberto Alagna und Aleksandra Kurzak

29.09.2016 | Oper

Zürich Opernhaus: Cavalleria rusticana/I Pagliacci

Wiederaufnahme mit Roberto Alagna und Aleksandra Kurzak

Besuchte Aufführung 28.9.2016  

Grossartige Sänger-Persönlichkeiten   

Der Lebensnerv, wovon hinreissende Opernabende leben, sind die grossen Sänger-Persönlichkeiten, Und das ist just mit der als Wiederaufnahme in der bewährten Inszenierung von Grischa  Asagaroff  (Bühnenbild und Kostüme: Luigi Perego) aus dem Jahre 2009 gespielten Aufführung geschehen. Roberto Alagna sang die Tenor-Partien in beiden Opern und bewies damit, dass er zu den grossen Sänger-Persönlichkeiten dieser Tage gehört. Seine Gesanges-Karriere dauert nun schon über 30 Jahre! Aber was Alagna an Schmelz und Leichtigkeit in der Stimme verloren hat, hat er an Sicherheit, Souveränität und Metall gewonnen. Keine Unsicherheit trübte seine gesangliche Leistung, die metallischen Höhen kamen sicher und ohne jeden Wackel. Sein sicher intoniertes und lange ausgehaltenes „A ventitre ore“ im Bajazzo löste im zahlriech erschienenen, auch jugendlichen Publikum Staunen aus. Den Turridu spielte Alagna als „Dorf-Schönling“ und als Bajazzo war er dann der gebrochene Tingeltangel-Akteur, der seine Frau abgöttisch liebt und sie dann wie im Rausch – er wird auch als Alkoholiker gezeichnet – ersticht. Sein „La commedia è finita“ war nur mehr gestammelt, während er vor seiner toten Nedda niedersinkt: sehr bewegend. Diese war mit Alagnas Gattin Aleksandra Kurzak in besten Händen. Die Sängerin, die uns bereits als Gilda vor ein paar Jahren bezauberte, ist nun zu einem lyrischen Sopran mit dramatischer Attacke herangereift. Auch sie kann sich wie ihr Mann auf eine sichere Technik verlassen und dann – wie man so schön sagt – einfach loslassen. Dann verbinden sich auch bei ihr wie bei Alagna Stimme und Darstellung zu einem Ganzen, zu einem Gesamtkunstwerk. Die beiden schenken sich auch darstellerisch absolut nichts und, wenn es Vollbluttheater gibt, dann war das gestern Abend zu erleben. Als Tonio war der ordentliche, mit einer robusten Baritonstimme ausgestattete Roman Burdenko am Werk, der einen ganz fabelhaften Prolog sang – mit schön ausgesungenen Piano-Höhen – und vermochte auch darstellerisch zu überzeugen. Zwei junge Sänger gab es in „I Pagliacci“ zu hören: Trystan Llyr Griffith, ein Sänger aus Wales, der seine Serenade mit hübsch timbriertem Tenor sang. Alexey Lavrov überrumpelte als Bauernbursche Silvio mit naturburschenhaftem Bariton die von ihm begehrte Nedda. Die Profi-Artisten trugen zur Magie des Zirkus wirkungsvoll bei und der Chor des Opernhauses war, ebenso wie bei der üblich vorausgestellten „Cavalleria“, gut bei Stimme und in den Stimmgruppen hervorragend ausbalanciert (Einstudierung: Jürg Hämmerli).

Auch die Inszenierung der „Cavalleria“ durch Grischa Asagaroff war – im Gegensatz zur Variété-haften Bebilderung des „Bajazzo“ – ganz streng sizilianisch, griechisch antikisierend angelegt. Im Unterschied zur Vorgabe im Libretto lässt Asagaroff die Handlung nicht am Ostermorgen, sondern bei zunehmender Dunkelheit spielen. Das geht auch und betont den Einfluss der antiken Tragödie. Leider war Catherine Naglestad keine überzeugende Santuzza. Die gut aussehende Sängerin vermag so gar nichts an Empathie beim Publikum auszulösen. Mit mitunter lauter, breit geführter Stimme mit undeutlicher Diktion fehlten ihr jegliche Farben, die ja gerade den Verismo so interessant machen können. Sie wirkte wie eine Fremde in Sizilien; fehl am Platz war auch das grosse Dekollete. Als Lola war Yulia Mennibaeva zu sehen, die in etwa wie eine Gutrune (Götterdämmerung) wirkte: tussihaft und unsympathisch. Stimmlich hörte man im Gegenzug dazu einen apart timbrierten Mezzo. Wie immer war Irène Friedli eine charaktervolle Mamma Lucia. Roman Burdenko konnte vor allem seinen virilen Bariton einsetzen, zumal er als Alfio auch einen richtigen Macho mit Mafiosi-Allüren (er verteilt Geld an undurchsichtige Figuren) darstellen konnte. – Was jedoch  der Dirigent Daniele Rustioni mit der Philharmonia Zürich aus den beiden meisterhaften Partituren herausholte, war schon allein den Abend wert. Man hörte unglaubliche Klänge, ausschwingendes Melos, dramaturgisch hervorragend aufgebaute Spannung. Wie sehr die Verismo-Opern eigentlich Sänger-Opern sind, so sehr ist ein Dirigent letztlich doch derjenige, der alle Fäden in der Hand hält. Wir wissen das von grossen Dirigenten, die sich nicht zu schade waren, das Verismo-Repertoire zu dirigieren. Und Daniele Rustioni ist ein weiterer Beweis dafür!

John H. Mueller     

 

 

 

 

 

 

 

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