ZNOJMO/ Deutsches Haus : JUDITHA TRIUMPHANS von Antonio Vivaldi
am 27.7.2024
Das blutige Haupt des Holofernes. Foto: Petr Vokurek
Von den vier Oratorien Antonio Vivaldis ist nur eines erhalten geblieben.Was für ein schrecklicher Verlust das sein muss, hat soeben eine Aufführung von Juditha triumphans devicta Holofernes Barbarie (wie der volle Titel lautet) im Rahmen des Hudebni Festival Znojmo bewiesen.
Diese Juditha ist ein absolutes musikdramatisches Meisterwerk, und wer (selbst unter angesehenen Kritikern) den dummen Satz des Holzkopfs Igor Strawinsky, Vivaldi hätte immer nur ein einziges Konzert geschrieben, unbedarft nachplappert, kann weder dieses Oratorium noch „Orlando Furioso“ oder „Vespri della Beata Maria Vergine“ je auch nur ansatzweise gekannt haben.
Auf ein (in lateinischer Sprache verfasstes) konzises Libretto von Giacomo Cassetti schreibt Don Antonio eine ungeheuer spannungsgeladene, abwechslungsreiche, vielfältige, durchgehend hochinspirierte Partitur: lyrische Passagen, dramatische Ausbrüche, innige Arien, feierliche Chorszenen, raffiniert instrumentierte Orchesterzwischenspiele wechseln einander ab, dass es nur so eine Freude ist.
Man ist vom ersten Ton bis zum letzten gepackt und gefesselt, und trotz des Reichtums der verwendeten musikalischen Mittel wirkt das Werk wie aus einem Guss.
Dass man das alles so erleben darf, ist in erster Linie Dirigent Roman Válek und seinem Czech Ensemble Baroque zu verdanken sowie in gleichem Maße der absolut homogenen, großartigen Sängerinnenbesetzung ohne irgendeine Schwachstelle.
Als Holofernes feiert (die bei uns aus dem Theater an der Wien wohlbekannte) Malena Ernmann nach 10 Jahren endlich ihr beglückendes Comeback auf der Opernbühne (dass ihre Tochter Greta Thurnberg ihr ja bekanntlich verboten hatte, je wieder ein Flugzeug zu besteigen, war ihrer internationalen Karriere naturgemäss nicht zuträglich, nach Znaim reiste sie tagelang von Stockholm mit dem Zug an). Als ihre Gegenspielerin Juditha strahlt Dagmar Šašková eine nahezu unerträgliche gesangliche, gestische und mimische Perfektion aus, Doubravka Novotná als Hofernes’ Vertrauter Vagaus holt sich spätestens bei der (auch in Konzerten beliebten) Bravourarie
„ Armatae face“ ihren wohlverdienten Applaussturm ab, Maya Amir ist eine wunderbar treue Dienerin ihrer Herrin Judith und Monika Jägerováu ein autoritätsvoller Hohepriester Ozias.
Die Aufführung fand im ehemaligen Deutschen Haus statt, da die Reithalle, das eigentliche Stammquartier des Festivals, derzeit für die nächsten zwei Jahre superpipifein renoviert wird.
Daher bedarf es einer besonderen positiven Erwähnung, wie intelligent Tomáš Ondrej Pilarals Regisseur und Bühnenbildner mit den Zwängen dieser provisorischen Spielstätte umgeht. Selbst musikalisch hochstehende Barockopern-Produktionen leiden ja oft unter der szenischen Umsetzung, weil von diversen Ignoranten versucht wird, sie wie Verdi-Opern zu inszenieren.Das ist hier erfreulicherweise nicht der Fall. Vieles versteht man zwar nicht: z.B. die ausgefransten Bubikopf-Perücken für die Choristen, ihre genderfluide Kleidung aus Faltenröcken, den seltsamen Stelenwald aus Energiesparlampen, die sternenübersäten feierlichen blauen Gewänder am Schluss etc…Aber es macht einem auch nichts aus, denn das ist alles sehr schön anzusehen und kommt dank einer dramaturgisch durchdachten Lichtregie auch bestens zur Geltung.
Applaus für alle. Einhellige Begeisterung bei den extra angereisten Barockfans.Viva Vivaldi !
Robert Quitta, Znaim