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YOSEP KANG: Auf dem Sprung in die Welt

25.05.2014 | Sänger

Kang Yosep x

YOSEP KANG

Auf dem Sprung in die Welt

Yosep Kang, der „leider“ (wie er sagt) nicht mit dem großen koreanischen Baß Philip Kang verwandt ist und den un-koreanischen Vornamen Yosep trägt, weil die Familie evangelisch ist, hat sich in Wien bisher als „Einspringer“ vom Dienst bewährt. Von seinem Stammhaus in Berlin aus ist der junge Tenor allerdings auf dem Sprung zur Weltkarriere – und sein Wiener „Hoffmann“ ließ hören, dass er bereits in der A-Klasse singt

Von Renate Wagner

Herr Kang, eigentlich sollte ja Kollege Neil Shicoff die Premiere der „Hoffmanns Erzählungen“-Wiederaufnahme singen…

Ja, und ich habe es sehr genossen, ihm bei den Proben zusehen zu dürfen, und ich habe mir auch das eine oder andere Detail seines Spiels abgeschaut. Es ist wirklich eine große Ehre, neben Herrn Shicoff als Hoffmann angesetzt zu werden, der Mann ist eine Legende. Ich erinnere mich, dass ich ganz in meinen Anfängen in Berlin, das muss im Jahr 2000 gewesen sein, einmal den „Maskenball“ mit ihm gesehen zu haben, und das war einer meiner größten Operneindrücke überhaupt, das war so toll gespielt, so toll gesungen! Und ihm jetzt bei den Proben zuzusehen, wie frei und selbstverständlich er sich auf der Bühne bewegt, wie er einfach alles weiß, was damit zu tun hat – und wie kollegial er war und bereit, mir etwas zu zeigen, das war großartig.

Haben Sie den Hoffmann schon gekannt?

Nein! Das Angebot aus Wien kam im März, und ich dachte, das kann ich schon lernen – aber dann hatte ich so viel zu tun, dass mir am Ende nur eineinhalb intensive Wochen dafür blieben. Da nimmt man auch zusätzlich eine CD zu Hilfe, ich wählte die Aufnahme mit Nicolai Gedda, weil er mir am besten gefiel. Und dann gab es zwei Wochen Proben in Wien. Und ich denke, Hoffmann kann in den Szenen mit den drei Frauen ruhig ein jüngerer Mann sein und nur in der Rahmenhandlung älter. Er ist jung, dramatisch, lebendig und voll der Liebe hingegeben – das gefällt mir sehr. Ja, und jetzt hoffe ich nur, dass ich ihn noch oft, sehr oft singen werde…

Aber Sie haben wohl nicht damit gerechnet, auch hier wieder „einzuspringen“ – für die Premiere nämlich?

Eigentlich nicht, aber ich war ja da und hatte geprobt und die Generalprobe gesungen. Immerhin – es war mein allererster Hoffmann, und obwohl meine Frau, die daheim in Korea selbst Musik studiert hat und meine strengste Kritikerin ist, ein paar Einwände hatte, ist es doch für mich sehr gut gegangen. Es ist eine herrliche Rolle, sie passt zu meiner Stimme und zu meinem Temperament. Bisher war der Rodolfo in „La Boheme“ meine Lieblingsrolle, aber ich denke, das muss er sich künftig mit dem Hoffmann teilen… Es war auch sehr gut für mich, diese Partie in einer so schönen Inszenierung zu singen, dieses Glück hat man ja nicht immer.

Immerhin ist Ihnen mit Hoffmann nicht dasselbe passiert wie mit Ihrem Wiener Rodolfo? Erzählen Sie, wie das am 7. Dezember 2013 war?

Ich hatte am Abend zuvor gesungen und war froh, jetzt ein bisschen frei zu haben. Ich bin mit meiner Frau und dem Hund gerade spazieren gegangen, als um etwa 13 Uhr das Handy läutete – wir Koreaner haben es immer bei der Hand. Ich hörte, dass es eine Anfrage aus Wien gegeben hätte, aber das habe sich schon wieder erledigt, man habe jemanden gefunden. Gut – wir spazierten weiter. Und dann um 15 Uhr kam der nächste Anruf, der Ersatzsänger wollte doch nicht, er hatte den Rodolfo so lange nicht gesungen… Die nächste Maschine nach Wien ging um 17 Uhr, ich war fünf Minuten vor der Vorstellung in der Oper, kannte die Zeffirelli-Inszenierung offen gestanden nicht, hatte keine Zeit zum Einsingen und bekam nur die Anweisung, ich solle „Frau Gheorghiu folgen“, was ohnedies selbstverständlich war. Ich traf sie auf der Bühne – ich habe einmal in einer Nebenrolle bei einer CD-Aufnahme von „L’Amico Fritz“ mitgewirkt, wo sie die Hauptrolle sang, aber sie hat sich sicher nicht an mich erinnert. Es war ein Riesenstress, aber es war auch ein Riesenspaß – mein Wiener Debut, unter solchen Bedingungen, noch dazu mit Frau Gheorghiu und ein Erfolg für mich… Ich denke auch, dass man viel machen, viel zeigen, viel riskieren muss, um sich für Zukünftiges zu empfehlen.

Sie sind ja dann wieder eingesprungen. Wann dürfen Sie denn „richtig“ vorgeplant in Wien singen?

Ich habe dann für drei Vorstellungen wieder den Rodolfo gesungen, weil Ramon Vargas krank war, und ich hoffe, nächste Saison werden es wieder „Boheme“-Vorstellungen sein. Es ist für mich jetzt leichter zu disponieren, weil ich nicht mehr im Ensemble der Deutschen Oper in Berlin bin, das für zehn Jahre meine Heimat war. Aber man kann nicht zu lange an einem Haus bleiben, irgendwann muss man den Schritt wagen und „frei schaffend“ werden.

Steigen wir später in die Zukunft ein und Sie erzählen uns zuerst, wie ein Junge aus Seoul zu einem Opernsänger wird?

Es gibt ja derzeit wirklich viele Koreaner, die sich auf den Opernbühnen schon bewährt haben, bei meiner ersten „Boheme“ war mein Kollege Tae-Joong Yang der Schaunard, Sie haben auch Jongmin Park hier in Wien, Kwangchul Yuon hat große Karriere gemacht – wir Koreaner singen gern, Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Karaoke-Bars es bei uns gibt, wo die Leute sich hinstellen und singen. Es gibt viele schöne Stimmen. Ich habe als kleiner Junge gesungen – so toll, so kann ich es heute gar nicht mehr! Ich war der Star im Kinderchor, ich kannte keine Konkurrenz, alle haben mich bewundert. Dann kam der Stimmbruch, bei mir sehr spät, mit 15 – und auf einmal habe ich völlig meine Freude an der Stimme und am Singen verloren. Immerhin, mein Musiklehrer bestand darauf, dass ich weitermache, und ich dachte, ich kann ja noch immer Musiklehrer werden.

Es hat aber dann doch für einen Tenor auf internationalen Bühnen gereicht.

Das wusste ich damals nicht, ich hatte große Zweifel, aber meine Lehrer haben an mich geglaubt. Man hat in den vier Jahren auf der Sahm-Yook Universität in Seoul schon die Basis für eine sehr gute Technik gelegt, dann meinte mein Lehrer, ich solle doch unbedingt einmal eine Meisterklasse in Europa machen. So kam ich 1999 nach Salzburg, und dort meinte Rudolf Knoll, ich müsse auf jeden Fall weiter lernen. Ich danke meiner Mutter, dass sie ihr ganzes Geld auf meine Ausbildung verwendet hat. In Berlin gab es einen koreanischen Pastor aus unserer Bekanntschaft, also wurde ich dorthin geschickt und habe drei Semester an der Hochschule der Künste studiert, dann kam ein Jahr im Kölner Opernstudio. Das war ungemein anstrengend, ich musste dauernd Kinderoper singen, mindestens dreimal in der Woche, ich war oft ganz kaputt – aber eine harte Schule hilft natürlich später in extremen Situationen.

Irgendwann haben Sie in dieser Zeit Ihre erste Bekanntschaft mit Wien gemacht?

Ja, ich war bei Gabor-Wettbewerb dabei, und als Lohn für einen Preis durfte ich im Schönbrunner Schlosstheater den Grafen im „Barbier von Sevilla“ singen. Seit damals kenne ich Wien und liebe es sehr, nicht nur, weil es sehr gute koreanische Restaurants hier gibt. Es ist eine so „europäische“ Stadt im besten Sinn, die Leute sind sehr nett – wenn ich von Berlin weggehe, steht Wien durchaus als Wohnort zur Diskussion. Apropos der Rossini-Graf: Den habe ich später immer und immer wieder gesungen, und ich musste mich irgendwann auch entscheiden, ob ich die Stimme ganz schmal halten und in die Welt der Rossini-Tenöre gehen will oder doch eher in Richtung Puccini und Verdi. Das erschien mir dann richtiger für mich.

Das spielte sich dann in Berlin ab?

Ich weiß bis heute nicht, wer mich empfohlen hat, aber eines Tages kam in Köln ein Anruf, ich solle an der Deutschen Oper in Berlin vorsingen. Dort war ich dann Stipendiat und kam 2003/04 ins Ensemble. Anfangs war das gar nicht so einfach, es gibt immer nur kleine Rollen und kaum eine Chance. Das änderte sich erst, als Christoph Seuferle Operndirektor wurde, er ist wirklich mein Held, ein Mann, dem ich viel verdanke. Ich habe ihn gebeten, er möge mich einmal den Edgardo in der „Lucia“ singen lassen, und wenn es schief ginge, würde ich ihn nie mehr um etwas bitten. Es ging gut, und von da an ging es weiter, mit dem Alfredo und auch einigem Mozart, wobei ich ihn, glaube ich, ganz gut singen kann, aber Tamino oder Ottavio nicht wirklich meinem Temperament entsprechen.

Sie haben das Ensemble der Deutschen Oper nach der letzten Spielzeit verlassen?

Ja, ich muss es wagen, frei schaffend zu sein. Ich werde weiter an der Deutschen Oper singen, meine Rollen wie Alfredo oder Rodolfo. Im übrigen kann man, wenn man nicht in einem Ensemble ist, seine Arbeit nicht wirklich planen, weil man natürlich Gelegenheiten am Schopf ergreifen muss – wie den Wiener „Hoffmann“. Aber ich habe jetzt eine Agentur in New York, Zemsky Green Artistic Management, die mich hoffentlich „über den großen Teich“ bringen wird. Ich hatte schon ein Vorsingen an der Met, man hat mir sofort den Rodolfo angeboten, aber leider zu einem Zeitpunkt, wo ich den Arnoldo in München singen werde. Es gibt viele „Tell“-Aufführungen für mich, auch in Graz übrigens, wo ich vorige Spielzeit den Tamino gesungen habe. Arnoldo ist eine Rolle, die wichtig ist, weil nicht jeder sie singen kann. Ich freue mich auch auf einen „Rigoletto“-Herzog in München – und sehr, dass Christian Thielemann mich engagiert hat, in Dresden den Sänger im „Rosenkavalier“ zu singen.

Welche Rolle hat die Wiener Staatsoper für Sie gespielt?

Was soll ich sagen? Ich habe eine Liste der großen Opernhäuser, an denen ich singen wollte, da steht die Met darauf, die Scala, London. Wien war an vorderster Stelle, und es hat sich verwirklicht. Es ist auch fabelhaft, wie angenehm professionell die Leute hier in der Oper sind, wie freundlich, da gibt es dann keine Probleme rundum und man kann sich auf die Arbeit konzentrieren.

Und wie würde es für Sie mit Rollen weitergehen, wenn es nur an Ihnen läge, das zu bestimmen?

Es war für die Deutsche Oper der Don José geplant, aber ich denke, das ist noch zu früh, den werde ich später singen. Es gibt Rollen, die werden in ein paar Jahren für mich richtig sein, der Cavaradossi etwa, auch der Manrico beispielsweise, weil mir ein hohes „C“ noch nie Schwierigkeiten gemacht hat – diese Rolle wird perfekt für mich sein. Die „Purtianer“ würde ich auch gerne einmal machen, auch den Riccardo im „Maskenball“.

Und was machen Sie nicht?

Als ich beispielsweise ein Engagement in Frankfurt für „L’Heure espagnole“ bekam, stellte sich heraus, dass ich auf der Bühne hätte splitterfasernackt sein müssen. So schön bin ich nicht – da bin ich ausgestiegen.

Singen Sie oft in Ihrer Heimat?

Ich habe einige Male in Korea gesungen, war erst kürzlich wieder an der Oper in Seoul, und ich kann in aller Bescheidenheit sagen – dort bin ich berühmt. Da ist man doch sehr stolz darauf, dass es ein Landsmann an den Opernbühnen Europas geschafft hat.

Haben Sie ein Vorbild?

Ich höre sehr sehr gerne Luciano Pavarotti zu, er ist ein Vorbild für Technik und dafür, wie man mit einer Naturstimme umgeht. Es ist wunderbar, wie er singt, und da kann man selbst nur versuchen, immer besser werden zu wollen.

 

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