Wuppertal /Opernhaus: „DIE TOTE STADT“– 30.6.2019
Unter der Intendanz von Berthold Schneider sind innovative Programme am Wuppertaler Opernhaus durchaus en vogue, aber leider oft auch zu sehr am Publikumsgeschmack – vor allem in dieser Region – vorbei, was auch die Programmankündigung für die Saison 2019/20 deutlich zeigt.Unverständlich ist dabei, dass ein Werk wie „Die Tote Stadt“ von Erich Wolfgang Korngold nur viermal gespielt wird. Wo bleibt da die Rentabilität?
Das künstlerische Ergebnis dieser aktuellen Produktion ist allerdings auf einem sehr hohen Niveau. Diese Oper ist vielleicht eines der am schwersten zu realisierenden und dirigentisch umzusetzenden Stücke und wurde in Wuppertal seitens des Orchesters in einer solchen Perfektion geboten, dass man dem Haus nur Respekt zollen kann. Mit dem Wuppertaler Sinfonieorchester verfügt die Stadt an der Wupper in ihrem Opernhaus und der Stadthalle über ein ausgezeichnetes Orchester mit professionellem Niveau, was besonders auch auf die musikalische Leitung des Ersten Kapellmeisters Johannes Pell zurückzuführen und seit Jahren zu verfolgen ist.
Der österreichische Dirigent versteht es, bei seiner stets akribischen Einstudierung musikalisch, aber auch technisch das Bestmögliche aus diesem Orchester herauszuholen und mit sachlicher Souveränität und einem gewissen Charme die Musiker zu begeistern, so dass sie seine hohen Ansprüche mittragen, was bereits bei der „Liebe zu den drei Orangen“ von S. Prokofjew, der „Götterdämmerung“(3. Akt) und speziell im vergangenen Jahr bei „Julietta“ von B. Martinu zu beobachten war. Diese großartige Leistung des Dirigenten und des Orchesters wurde schon nach in der Pause von den trotz Sommerhitze sehr zahlreich erschienenen Besuchern mit minutenlangem Applaus und begeisterten Bravo-Rufen gewürdigt.
Bezüglich der Sänger hatte das Haus bei dieser Produktion ebenfalls sehr viel Gutes zu bieten. Nach den vielen Notlösungen vielerorts in der Partie des Paul traf man hier mit Jason Wickson einen der besten Vertreter dieser Rolle an. Er singt die Partie bis zum Schlussohne Einschränkungen, und das alles in Bruststimme und ohne markieren oder falsettieren zu müssen.
Die erfahrene Suanne Serfing bewies als Marie/Marietta einmal mehr, dass eine solche Partie nur mit der nötigen Bühnenerfahrung wirklich bewältigt werden kann.Ihre wirklich agile Darstellung, bei der sie sich voll in ihre Rolle hineinsteigerte, verdient hohe Anerkennung, und auch stimmlich ließ sie keine Wünsche offen.
Ebenfalls niveauvoll gestaltete Simon Stricker die Doppelfunktion des Frank /Fritz, der sich inszenierungsbedingt mehrfach völlig verwandeln und ständig neue Charaktere verkörpern muss, vom Diener, Krankenpfleger, und Freund bis zu Mephisto. Ariana Lucas war mit ihrem leichten englischen Akzent eine brave Brigitta.
Der Regisseur Immo Karaman ist bekannt für seine dunkel-depressiven Interpretationen der jeweiligen Stücke, was hier in dieser tiefenpsychologischen Ausleuchtung, beginnend und endend in der Pathologie-Abteilung einer Klinikim weiteren als Theatershow mit ständigen zeitlupenartigen Rückblenden über die Bühne geht, wobei sich ständig neue Geschichten ergeben und die Inszenierung den nötigem Fluss erhält, der durch seine Bühnenbilder eine gute und durchaus ansprechende Realisierung erfährt. Selbst das jetzt europaweit in den Inszenierungen gern verwendete Autowrack ist hier sinnvoll eingesetzt und kann mit seiner letzten, fast verlöschenden und immer wieder aufflackernden Flamme assoziieren, dass Marie bei einem Autounfall ums Leben gekommen sein könnte – keine schlechte Idee.
Man würde dieser Produktion gern wünschen, dass sie auch weiterhin aufgeführt würde, z. B. als Gastspiel an anderen Opernhäusern.
Ingrid Gerk