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WÜRZBURG/ Mozartfest: ACHTE SYMPHONIE von Anton Bruckner – Abschied von JONATHAN NOTT

02.07.2016 | Konzert/Liederabende

WÜRZBURG / Mozartfest: ACHTE SYMPHONIE von Anton Bruckner – Abschied von JONATHAN NOTT
am 30.6.2016  (Werner Häußner)

Sechzehn Jahre stand er als Chefdirigent am Pult der Bamberger Symphoniker, nun nahm Jonathan Nott seinen Abschied mit zwei Konzerten in den Domkirchen von Würzburg und Bamberg. Auf dem Programm ein Werk, das wie geschaffen wirkt für die sakralen Räume: die Achte Symphonie des bekennenden Katholiken Anton Bruckner. Jonathan Nott übernimmt zur neuen Spielzeit ein anderes Orchester mit Tradition, das Orchestre de la Suisse Romande in Genf. Beide Orchester standen lange unter Leitung eines prägenden Dirigenten – Bamberg von 1949 bis 1968 von Joseph Keilberth, Genf von 1918 bis 1967 von Ernest Ansermet. Und schon einmal verband ein wechselnder Dirigent beide Klangkörper: Horst Stein leitete von 1980 bis 1985 das Schweizer Orchester und kam dann nach Bamberg, wo er bis 1996 als Chef, danach als Ehrendirigent zahlreiche Konzerte leitete.

Im Würzburger Dom gibt es seit der Wiedereinweihung des im Krieg zerstörten romanischen Monumentalbaus 1967 eine Bruckner-Tradition. Damals wurde die Siebte Symphonie gespielt; später, in den neunziger Jahren, gab es unter dem musikaffinen Bischof Paul-Werner Scheele sogar einige Bruckner-Feste in Würzburg, deren prägende Geister Künstler wie der Organist und Bruckner-Experte Erwin Horn, der Komponist Bertold Hummel und der Würzburger Domkapellmeister Siegfried Koesler waren. Das Würzburger Mozartfest hat sich diese Tradition zu Eigen gemacht – auch wenn die Verbindung zu Mozart einige intellektuelle Umkurvungen erfordert. Seit drei Jahren gibt es wieder „Bruckner im Dom“. Die Würzburger schätzen den Sankt Florianer Symphoniker: Der Dom, mit 105 Metern Länge das viertgrößte romanische Kirchengebäude in Deutschland, war so gut wie ausverkauft.

Und noch einmal bewies Jonathan Nott, wie er mit der Musik Anton Bruckners vertraut ist. Da hört man die intellektuelle Bewältigung der gewaltig aufgespannten Partitur – die für sich alleine zu einem kühl-rationalistischen Durchdringen führen würde. Da spürt man die Einfühlung in das Klang-Universum Bruckners, die für sich genommen in pathetische Überwältigung kippen würde. Jonathan Nott verbindet beides. Der schwebende Beginn und die gewaltig losbrechende Coda sind klanglich edel ausbalanciert. Aber die pure Schönheit, die dem Bamberger Orchester gelingt, ist nie Selbstzweck: Das formale Gewicht, eine thematische Klammer des gesamten Werks zu bilden, bleibt für den musikalischen Gedanken entscheidend.

Strukturen, Themen, Entwicklungen: Was so technisch klingt, ist auch für Bruckners gerühmte Klangdramaturgie unverzichtbar. Nott gelingt in dem ausgiebigen Nachhall des Kirchenraums das Wunder, die Symphonie durchhörbar zu halten. Die Fehler anderer Dirigenten unterlaufen ihm nicht: Er gibt dem Werk seine Zeit: Die Aufführungsdauer liegt fast zehn Minuten über den üblichen achtzig. Die Dynamik ist nach unten geregelt: Nott bereitet die Fortissimo-Entladungen sorgsam vor, sichert für das Finale Reserven und hütet sich vor einer – in dieser Akustik – verhängnisvollen Lust an der Eruption. Auch die Artikulation ist auf die Raumverhältnisse abgestimmt: Nott fordert, soweit man das aus einiger Entfernung feststellen kann, konturscharf geformte Töne, ein non legato, das sich im Raum von selbst zum angemessenen Legato formt.

Die Hingabe, mit der ihm die Bamberger folgen, ist bewundernswert. Exemplarisch ist zu verfolgen, was Disziplin von Orchesterkultur unterscheidet: Wenn sich die Streicher zurücknehmen, um im ersten Satz die Solobläser heraustreten zu lassen, wenn ein Hornsolo über pianissimo tremolierenden Saiteninstrumenten mit schönster Gelassenheit ausschwingen kann und gestützt wird, wenn im Scherzo Harfe und Horn fragile Farben leuchtend einbringen können, wenn der Rhythmus gelöst und transparent schwingt, wenn das Blech festlich-weich, nicht rotzig grell einsteigt, dann zeigt sich darin mehr als akkurates Musizieren, mehr als saubere technische Meisterschaft. Da klingt die Summe aus sechzehn Jahren gemeinsamen Strebens im Dienst der Musik; da rührt der Augenblick an ein Ideal, an die bruchlose, vollendete Gemeinschaft von Dirigent und Orchester. Könnte er verweilen im flüchtigen Medium des Klanges, der Augenblick, man würde nicht zögern, ihm zuzurufen, er sei so schön.

Werner Häußner

 

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