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WÜRZBURG/ Mainfrankentheater: KING ARTHUR von Henry Purcell

08.04.2019 | Oper


Katherina Nakui, Julia Baukus, Cedric von Borries und Akiho Tsujii als Artus und Philidel in Purcells „King Arthur“ am Mainfranken Theater Würzburg. Foto: Nik Schölzel

WÜRZBURG: KING ARTHUR von Henry Purcell
7.4.2019 (Werner Häußner)

Ein Donnerschlag, und ein Schwert liegt in einem Lichtkreis auf der Bühne. Vorsichtig nähern sich Gruppen von Menschen der Waffe. Ein Mutiger stößt sie mit den Zehenspitzen an. Ein anderer will sie aufheben – vergeblich. Es ist ein magisches Schwert, und wir wissen aus Wagners „Walküre“, wie solche Gegenstände reagieren. Nur der Eine, der Richtige darf den Stahl führen. Hier auf Würzburgs Bühne liegt aber nicht Nothung, sondern Excalibur. Und König Arthur (alias Artus) hebt es leicht und siegreich ins Licht.

Die Anfangsszene von „King Arthur“ in der Inszenierung Dominik von Guntens führt jedoch hinters Licht, denn in Henry Purcells und John Drydens „dramatick opera“ geht es nicht um die legendären Zauberdinge, nicht um die Tafelrunde und ihre Ritter, nicht um die Suche nach dem Gral. Sondern viel schlichter, aber anno 1691 nicht weniger unterhaltsam und vor allem politisch anspielungsreicher, um den Kampf der Briten gegen die Sachsen in Englands dunkler Frühgeschichte, um eine wunderschöne Blinde namens Emmeline, die von den beiden Herrschern Artus und Oswald begehrt wird, und um düstere und lichte Zauberwesen.

Eines davon ist Georg Zeies, der in lichtblauem Anzug als überlegen-gelassener Merlin einem vom Himmel gefallenen Haufen von Gewändern entsteigt und den Menschen ihre Namen und damit ihre Rollen zuweist. Bald bevölkern sie in Sabine Böings zeichenhaften Kostümen die schwarze Bühne: Briten in Blau mit Andreas- und Georgskreuz, Sachsen in Graubeige mit raumfüllenden Runen auf Wams und Bannern. Dazwischen Hannes Berg als zottelschwarzer böser Zauberer Osmond, der verschlagene Gefolgsgeist von Sachsenkönig Oswald. Ein verdreifachter Luftgeist in pummeliger weißer Spitze über schwarzem Untergewand purzelt durch die Szenerie: Philidel ist ein gefallener, aber zumindest zeitweise bekehrter Engel – und in Würzburg geriert er sich ganz m/w/d in Gestalt von Julia Baukus, Katherina Nakui und Akiho Tsujii mal als Schauspieler*in, als Tänzer*in oder –eindeutiger durch die Stimme festlegbar, als Sängerin.

So geglückt diese Exposition wirkt, so prekär hangelt sich die Inszenierung in den folgenden gut zweieinhalb Stunden durch Purcells multitheatrales Spektakel. Der Mix aus Schauspiel und Musik, aus Singen und Deklamieren, aus Tanz, Maskerade, Pantomime, Elementen des Zauber- und Volksstücks, fordert alle Sparten des Hauses, die wieder einmal unter größtmöglicher dispositioneller Anstrengung zusammengeführt sind. Das klappt durchaus einnehmend: Sänger und Schauspieler gehen aufeinander ein, ergänzen sich gegenseitig, sorgen für Abwechslung und Kontrast, spielen ihre Stärken aus. Was weniger überzeugt, ist die Integration des Balletts. Das liegt an Kevin O’Days beliebig wirkendem Bewegungsrepertoire, vor allem aber daran, dass die Regie die Rolle der Tänzer nicht tief genug in den Verlauf der Handlung einbindet.

Begünstigt werden solche Bruchstellen durch die reduktive Ausstattung. Philipp Nicolai hat für die Bühne Kreativ- und Gedankenarbeit investiert und eine Landschaft von Stelen geschaffen, die manchmal an prähistorische Steinkreise erinnern, dann wieder als Projektionsflächen, Lichtspender oder Behausung für magische Wesen dienen. Der üble Grimbald, dem Daniel Fiolka mal die Anmutung eines vom Heidesturm gezausten Lear, mal die Marotten eines alten Narren gibt, hat die Lacher auf seiner Seite, wenn er in einem solchen Behältnis gefangen ist. Und die blasphemische Dreiheit des bedauernswerten Philidel klebt wie Fliegen an einer der Kisten, wo sie der Bann des Grimbald fesselt.

Aber die Dynamik dieser komischen Episoden kann nur stellenweise über das „arme“ Theater hinwegtrösten, mit dem in Würzburg gearbeitet wird: Der Projektion eines Waldes im Hintergrund fehlt die sinnlich-szenische Überwältigung. „King Arthur“ als ein frühes Gesamtkunstwerk des Theaters braucht die Ausstattung, die Überraschung. Auf der durchweg düsteren Würzburger Bühne, in magerem Licht und mit Kostümen mit Fundus-Anmutung zieht sich die Handlung, bleibt der visuelle Zauber aus. Theater ist bei Purcell und Dryden eine Illusionsmaschine – nicht umsonst nannte Nikolaus Harnoncourt „King Arthur“ das erste Musical der Musikgeschichte.

Die Schauspieler dagegen greifen beherzt zu, wo immer sich Gelegenheit gibt, etwas zu zeigen. Johanna Meinhard ist als Emmeline ein zartes, etwas verträumtes Wesen, aber deswegen kein Naivchen, sondern eine junge Frau, die tapfer ihre Herzensentscheidung für Arthur verteidigt. Meinhard spielt die blinde Emmeline mit ihren ersatzsichtigen Sinnen rührend in ihrer wissenden Unschuld, setzt das Wunder präsent, das dem Mädchen das Sehen schenkt und macht das unfasslich Herrliche einer aufgehenden neuen Welt so bewegend deutlich, dass man mit ihr Freudentränen vergießen möchte.

Den gewalttätigen Männern, die mit Schwert und Fäusten aufeinander losgehen, bis sie die Hitze der Schlägerei aus den Kleidern lockt, wirft sie mit lodernder Stimme an die entblößten Heldenbrüste, dass sie keine Trophäe eines Kampfes ist. Cedric von Borries, ein ruhiger, überlegter Artus, hat sich zu dem Zweikampf hinreißen lassen, um seine Leute zu schonen. Sein Widersacher Alexander Darkow ist fast ein Byron’scher Held, dessen düsterer, wilder Charakter eher aus tiefer Liebessehnsucht und -enttäuschung entspringt als aus Bosheit.

Purcells fantastische Reise durch die Welt des Theaters braucht aber auch ein Ensemble versierter Sänger, die in Würzburg fast ohne Ausnahme stimmschön ihren Partien gewachsen sind. Ein funkelndes Juwel in Würzburgs Ensemble ist Akiho Tsujii, die nach Musetta, Frau Mao in John Adams „Nixon in China“ und einer glanzvollen Zerbinetta nun als Cupido in gold’ner Brünne und blonden Locken ihre leuchtend-leichtgewichtige Stimme in den Dienst der sinnlichen Verführung stellt.

Überzeugend auch der Genius der Kälte, Igor Tsarkov, dem die frostige Frage „What power art thou“ bald von Anton Tremmels trefflich singenden Chor des Mainfranken Theaters beantwortet wird: „Tis Love that has warm’d us“. Nicht zu vergessen: Hiroe Itos herzerwärmender Mezzo. Am Pult sorgt Marie Jacquot, demnächst verdient zur Ersten Kapellmeisterin an der Deutschen Oper am Rhein aufsteigend, für eleganten, fragilen, sensibel ausbalancierten Ensembleklang, den das luftig besetzte Philharmonische Orchester mit wissenden Seitenblicken auf historisch informierte Aufführungspraxis realisiert.

 

 

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