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WÜRZBURG/Mainfrankentheater: DIE CSARDASFÜRSTIN

Im Banne des 2. Weltkriegs

02.04.2018 | Operette/Musical


Natalia Boldyrieva, Roberto Ortiz und Akiho Tsujii: © Nik Schölzel

Emmerich Kalmans „Csardasfürstin“ am 1. April 2018 im Mainfranken Theater/WÜRZBURG

WÜRZBURG: Emmerich Kalmans „DIE CSARDASFÜRSTIN“ am 1. April 2018 im Mainfranken Theater/WÜRZBURG 

IM BANNE DES ZWEITEN WELTKRIEGES

Der Regisseur Marcel Keller hat für seine Inszenierung von Emmerich Kalmans berühmter Operette „Die Csardasfürstin“ eine ungewöhnliche Perspektive gewählt (Kostüme: Erika Landertinger). Die Konflikte stehen nämlich in einem historischen Zusammenhang. Die Inszenierung rückt das Geschehen in die Zeit der späten 1940er Jahre – die Stunde null nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges. Das Variete des ersten Aktes ist in einer zerbombten Stadt angesiedelt, ein alter Kinosaal dient als Kleinkunstbühne. Und im Wiener Palais derer von und zu Lippert-Weylersheim lebt der Glanz alter Zeiten plötzlich wieder auf. Das Hotelbild des dritten Aktes dagegen konfrontiert die Zuschauer schon mit der Architektur der 50er Jahre. Die Ängste und Zwänge der Figuren kommen durchaus grell zum Vorschein.

Und bei Edwin ist man sich nicht sicher, ob er auch unter widrigen Umständen zu seiner Liebe stehen würde. Das Happy End wirkt bei Marcel Keller deswegen eher brüchig. Auf der anderen Seite stellt Keller das Weltbild der verunsicherten Männer infrage. Es dominiert die Angst vor der Veränderung. Dabei wird die Liebe der Varietesängerin Sylva Varescu zu dem jungen Adligen Edwin auf eine harte Probe gestellt. Denn kurz bevor Sylva zu einer Tournee aufbricht, macht Edwin ihr einen Heiratsantrag, obwohl seine standesbewussten Eltern längst eine passende Verlobung mit der Komtesse Stasi für ihn ausgesucht haben. Als Sylva davon erfährt, löst sie die Verlobung mit Edwin, der nun zu seinen Gefühlen stehen muss. Dabei beeinflusst die Kriegssituation das Seelenleben der Protagonisten hier sehr deutlich. Obwohl Sylva zum Schein Graf Boni Kancsianu heiratet, finden am Schluss die richtigen Paare zusammen: Sylva und Edwin sowie Boni und Stasi. Und das Fürstenpaar ist beruhigt, zumal ihm Sylva den von Edwin unterzeichneten Ehevertrag schon präsentiert hat.

Bei der „Csardasfürstin“ von Emmerich Kalman sind die Parallelen zur heutigen Zeit unübersehbar, das arbeitet der Regisseur Marcel Keller auch präzis heraus. Der Deus ex machina in Form von Feri von Kerekes rettet Edwins komplizierte Situation. Marcel Keller betont hier durchaus die farbenprächtige Bühnenhandlung mit Revueröckchen und feudalem Ambiente. Verrückte Bohemiens und verwegene Abenteuerinnen geben sich dabei ein rasantes Stelldichein. Natürlich fehlt die notwendige Brise Humor nicht. Das Philharmonische Orchester Würzburg musiziert unter der einfühlsamen Leitung von Anton Tremmel mit genauem Gespür für den spannungsvollen Stimmsatz und Klangfarbenwechsel sowie den mitreissenden, frechen rhythmischen Witz, der sich überall ausbreitet. Der ebenfalls von Anton Tremmel sorgfältig einstudierte Opernchor des Mainfranken Theaters Würzburg beeindruckt beim Chor „Heia, heia, in den Bergen ist mein Heimatland“ mit fulminanter Ausdruckskraft.

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Roberto Ortiz, Akiho Tsujii, Anton Koelbl, Barbara Schöller und Mathew Habib. © Nik Schölzel

Barbara Schöller fesselt mit feuriger Sopranstimme bei der Anfangsszene „O-la-la, so bin ich gebaut!“ und der Ensemblenummer „O jag dem Glück nicht nach“. Aus der frohen Künstlerin wird dabei die liebeshungrige Frau, was Barbara Schöller sehr gut betont. Sie lässt die jähen Wechsel von Langsam zu Schnell sowie von Moll zu Dur leuchtkräftig Revue passieren. Auch das Duett von Edwin und Stasi beeindruckt die Zuhörer in der impulsiven Darstellung von Roberto Ortiz und Akiho Tsujii mit klangfarblichem Zauber und weichem Timbre. Der „tralala“-Polkaweise folgt mit lyrischer Emphase der Valse-lento-Refrain „Machen wir’s den Schwalben nach„. Bonis Marschensemble „Die Mädis, die Mädis, die Mädis vom Chantant“ und „Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ wird bei dieser Aufführung zu einer Paraderolle für den mit viel Verve und Spielwitz agierenden Matthew Habib als Boni, der immer wieder ganz aus sich herausgeht. Harmonisch und rhythmisch reizvoll zeigt sich wiederholt der Zauber des Lentowalzers. Edwin, Stasi, Boni und Sylva nutzen die Schwungkraft des Quartetts „Liebchen, mich reißt es…“ bei zweimal fallender Sekund und Sexterhöhung mit schwärmerischem Klangzauber und gesanglicher Intensität. Die dynamische Steigerung bei „Hurrah! Hurrah! Man lebt ja nur einmal…“ ist hier bemerkenswert. Das gleiche gilt für die Unisono-Wirkung. Anton Tremmel akzentuiert auch die Walzerduette wie „Tanzen möcht‘ ich, jauchzen möcht‘ ich…“ durchaus ekstatisch und bewegend.

Anton Koelbl als Leopold Maria, Fürst von und zu Lippert-Weylersheim, unterstreicht die satirischen Momente seiner Rolle in vergnüglicher Weise. Natalia Boldyrieva als seine Frau Anhilte steht ihm hier nicht nach. Wie das Ehepaar krampfhaft versucht, den „Skandal“ der falsch arrangierten Ehe zu vertuschen, ist köstlich. Da blitzt auch immer wieder der verschmitzte Schalk Jacques Offenbachs hervor.

In weiteren Rollen gefallen Georg Zeies als Eugen Rohnsdorff, Taiyu Uchiyama als profilierter Feri von Kerekes sowie Kenneth Beal als Notar Kiss. Die Mitglieder der Ballettcompagnie des Mainfranken Theaters Würzburg agieren in der suggestiven Choreografie von Marius Krisan bei der Zwischenaktsmusik filigran und feingliedrig. Es ist ein wunderbar durchsichtiges Spiel von Licht und Schatten. Dadurch kann man sich als Zuhörer auch besser auf die thematische Vielgliedrigkeit der Musik konzentrieren. Der Zeitgeist spiegelt sich in den überkommenen Tänzen. Und die elektroakustische Unterstützung reflektiert das akustische Bild der 40er und 50er Jahre anhand von Tonfilmoperetten.

Das Publikum reagierte auf diese Version mit Begeisterung. 

Alexander Walther            

 

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