Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WÜRZBURG/ Abschiedskonzert WALTRAUD MEIER – „ein Weltstar kommt nach Hause“

05.04.2023 | Konzert/Liederabende

WÜRZBURG: Abschiedskonzert von WALTRAUD MEIER: „Ein Weltstar kommt nach Hause“
1.4. 2023 (Werner Häußner)

wm
Waltraud Meier beim Empfang nach ihrem Abschiedskonzert in Würzburg. Foto: Werner Häußner

Nein, tränenreiche Abschiede sind Waltraud Meiers Sache nicht. Auch als sie ihren geliebten Wagner-Rollen Lebewohl sagte – der „Isolde“, der „Kundry“ –, gab es keine Sentimentalitäten. „Ich habe in 47 Jahren alles gesagt, was ich musikalische sagen wollte“, erklärt sie ihrem Publikum bei ihrem Abschiedskonzert in Würzburg. Waltraud Meier wird sich von der Bühne zurückziehen: Nach der letzten Wagner-Partie im Februar (Waltraute) noch einmal eine Tournee, dann singt sie im Oktober an der Berliner Staatsoper zum letzten Mal Klytämnestra in Strauss‘ „Elektra“. Keine Altersrollen, keine „Pique Dame“-Gräfinnen. Das hat sie schon vor einigen Jahren klar gemacht.

Warum Würzburg? Waltraud Meier war keine der Sängerinnen, deren „offizielles“ Leben mit ihren ersten großen Karrieresprüngen beginnt, oder vielleicht mit den Namen ihrer im besten Fall renommierten Gesangspädagogen. Sie stand immer zu ihren Anfängerjahren am Stadttheater Würzburg, wo sie mit 20 die ersten Töne sang: als Lola in „Cavalleria rusticana“, als Berta im damals noch deutsch gesungenen „Barbier von Sevilla“ in der Regie von Wolfram Dehmel, als Alisa in „Lucia di Lammermoor“, stimmungsvoll und klug inszeniert von Manfred W. von Wildemann.

Doch schon bei ihrer ersten Würzburger Premiere war sie nach Mannheim verpflichtet. Irgendjemand hatte ihr Talent erkannt, und in diesem Fall ist der inflationäre Titel einer „Ausnahme“-Sängerin einmal gerechtfertigt. Mannheim waren ihre Galeerenjahre, da gab es auch Tränen und Verzagen, das ihr Mentor Hans Wallat zu zerstreuen wusste und sie mit nach Dortmund nahm. Hannover, Augsburg, Stuttgart: Meiers Karriere war fundiert aufgebaut. Als sie 1983 in Bayreuth mit der Kundry ihren internationalen Durchbruch erreichte, war sie ein „Star“ mit einer solide erarbeiteten Basis.

Würzburg also, das Farewell-Konzert als Hommage an ihre Heimatstadt. Über ihren Bühnenabschied spricht sie in sachlicher Distanz, aber als sie den Abschied als ein „Nachhausekommen“ beschreibt, hat man den Eindruck, dass sich ein Moment der Rührung in die Stimme schleicht. „Ich bin in den letzten Tagen durch die Straßen gelaufen, da verbinden sich mit so vielen Ecken Erinnerungen, nicht nur ans Stadttheater“, erzählt sie und spricht das „Schdadddeader“ würzburgerisch weich aus. Organisiert hatte den Abschiedsabend im Saal der Hochschule für Musik der Würzburger Lionsclub, der auch für die ausführliche Begrüßung und die frischfröhliche Moderation sorgte. Es war ein Benefizkonzert zugunsten der Würzburger Tafeln, des Förderzentrums für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung, der pädagogischen Arbeit mit Kindern des Mainfranken Theaters und eines Sozialprojekts mit Würzburgs neuer Partnerstadt Lviv (Lemberg) in der Ukraine.

Noch einmal war das Philharmonische Orchester Würzburg Partner für Waltraud Meier – wie damals beim Debüt vor 47 Jahren. GMD Enrico Calesso beginnt das Programm mit Johannes Brahms‘ „Ungarischen Tänzen“ Numero eins bis sechs. Die Philharmoniker entfalten im ersten den Zauber der tiefen Saiten, gehen bewusst mit der Mikro-Dynamik der Übergänge um, arbeiten Mittelstimmen heraus. In den agogischen Ziselierungen merkt man, dass Calesso Wurzeln in Wien hat. Der zweite Tanz rauscht auf statt aufzublühen. Das Wechselspiel von Melancholie und strahlender Auflichtung gelingt, wirkt aber in der begrenzten Akustik des Saals zu massiv. Ein Problem, das sich auch bei der Begleitung der vier Mahler-Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ stellt. Die diskrete Ironie auch im Orchester tritt zutage, ebenso die komische Theatralik der Antonius-Fischpredigt. Und im „Urlicht“ ist alles schwebende Ruh‘ mit weihevollem Bläserchoral und großen Bögen.

Was will man zu Waltraud Meier jetzt noch sagen? Zu ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im Umgang mit den Texten, zu ihrer subtilen Artikulation? Beschreibungen bleiben hinter der Musik zurück, der Analysen ist genug getan. Waltraud Meier lädt jedem Moment mit Bedeutung auf, erfüllt jede Phrase mit Sinn, opfert nichts bloßer Ästhetik oder kantabler Selbstdarstellung. Sie bleibt sich treu, auch in diesem Abschied.

Das ist auch in den drei Strauss-Liedern des zweiten Konzertteils zu hören. Waltraud Meier „macht“ nicht viel, aber sie erfüllt den Augenblick und die große Linie gleichermaßen mit innigem, sinnerfülltem Ausdruck. Und das Orchester ist ihr ein redlicher Partner; Enrico Calesso hat vor dem Liedblock in den Walzern aus der Rosenkavalier-Suite mit Charme und Temposchmeicheleien bewiesen, dass ihm das Strauss-Idiom so recht liegen könnte – er wird es demnächst in einer großen Strauss-Oper beweisen. Zwischendurch ein Hauch Italien: Mit Amilcare Ponchiellis „Tanz der Stunden“ aus „La Gioconda“ löst die wälsche Leichtigkeit einmal die teutsche Gewichtigkeit ab. Das funktioniert als schön dirigiertes Kabinettstückchen und da tanzt die Zeit so ganz anders als bei der melancholischen Feldmarschallin.

Herzlicher Beifall und Jubel – ehemalige Lehrer und die halbe ehemalige Schulklasse Waltraud Meiers sind im Saal –, Sympathie und Verbundenheit drücken sich warmherzig aus. Eine aufgeräumte Waltraud Meier verlässt die Bühne, ohne erkennbare Wehmut, sondern mit Perspektive: „Wunderbar“ empfinde sie das Leben ohne Bühne, erklärt sie dem Moderator des kleinen Gesprächs nach dem Konzert. Endlich einmal Privatperson sein, endlich einmal Freiheit genießen und anderen Leidenschaften frönen. Welche das seien? Eine hat Waltraud Meier dann doch verraten: „Ich bin ein glühender Fußballfan“.

Werner Häußner

 

 

Diese Seite drucken