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WROCLAW/BRESLAU/ Opera Wroclawska: CON CARLO

31.05.2025 | Oper international

30.05.2025: „Opera Wroclawska“: „DON CARLO“

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Olena Tokar, Norbert Ernst. Foto: Opera Wroclawska

Die dritte Aufführung der Neuproduktion von Verdis Oper erlebte ich im wunderschönen Opernhaus der pulsierenden, eine angenehme Atmosphäre ausstrahlenden, drittgrößten Stadt Polens ( fast 700.000 Einwohner, davon 150.000 Studenten!), die durch die verzweigten Arme der Oder und die vielen Brücken auch als „Venedig Polens“ bezeichnet wird.

Der bekannte polnische Regisseur Michal Znaniecki – er war Direktor am Haus, aber auch schon in Poznan – betrachtete die Handlung als „Schachspiel“: der Bühnenboden ( Szene: Luigi Scoglio)war als Schachbrett ausgeführt – glücklicherweise saß ich im ersten Rang , vom Parkett aus konnte man das nicht erblicken und wohl auch nicht nachvollziehen warum die Figuren zum Teil wie Schachfiguren herumsprangen! Speziell Tebaldo – die hübsche Agnieszka Adamczak sang ihn mit frischem, klaren Sopran – mußte besonders intensiv herumhüpfen. Die stimmigen „Bühnenbilder“ wurden durch Projektionen, die auch Raum für Phantasie ließen, von Karolina Jacewicz gestaltet, der Bühnenboden sehr oft hoch und nieder gefahren, oft in veschiedenen Segmenten. Für die großteils sehr schönen, historisierenden Kostüme (der Chor, der auch ausgezeichnet gesungen hatte) zeichnete Malgorzata Sloniowska verantwortlich. Ausnahmen waren Posa – mit Ohrgehänge keinesfalls „edelmännisch“ sondern eher den Eindruck von einer Regenbogenparade kommend erweckend (diese Frisur geht gar nicht !), und die arme Eboli, die man wie eine Knackwurst in ein enges Kostüm preßte und noch dazu den Reifrock vorne „aufgeschnitten“ hatte…

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Foto: Opera Wroclawska

Die Schachidee an sich war nicht schlecht, die „Macht des Schicksals“ spielt allen Beteiligten ja übel mit. Allerdings waren ab „Ella giammai“ zuerst mal ALLE Solisten auf der Bühne, die aber dann im Laufe der Zeit verschwanden. Es kam aber schon davor zu einigen Ungereimtheiten, wenn etwa die Ketzer im Autodafe schon vor Eintreffen des Herrschers ins Feuer gebracht werden, und dann zum Finale einfach die Flandrischen Deputierten ebenfalls in die Flammen geworfen werden. Die „Stimme vom Himmel“ erscheint inmitten dieses Krematoriums als beflügelter Weihnachtsengel – die lieblich aussehende Magdalena Makowska sang mit ebensolchem Sopran aber noch etwas unausgeglichen ihren Trost an die Sterbenden. Sehr merkwürdig das letzte Bild, das an die „Barriere d`enfer“ in der Boheme erinnerte, wo während der Friedensarie der Elisabeth bepackte Personen ( Flüchtlinge??) einen von Soldaten bewachten Grenzposten nach hinten passierten: ebendort ging auch Don Carlo dann am Schluß ab, und der „Mönch“ (Filip Rutkowski mit eher ungewohnt baritonalem Timbre) sang seinen Part von jenseits des Schrankens.Warum der Großinquisitor daraufhin der armen Elisabeth die Gurgel durchschneidet entzog sich meiner Kenntnis!

Am Schluß „C“ kann es nicht gelegen sein, denn das schmetterte die zierliche Olena Tokar beeindruckend in den Zuschauerraum. Die in Leipzig engagierte Künstlerin überzeugte als Elisabetta auf allen Linien: ausdrucksstarke Linienführung und schöne piano-Phrasen ließen nicht erahnen, daß sie mit dieser Produktion ihr Rollendebut feierte! Ihr ebenbürtig Norbert Ernst, den man in unseren Breiten ja eher bei Wagner verortet hatte, als Infant. Auch er debütierte mit dieser eher undankbaren Rolle – die einzige „Arie“ sofort am Beginn, dann zwar häufig im Einsatz, mit sehr heiklen Phrasen, sehr hoch gelegen – da hab ich schon manche namhafte Interpreten kämpfen erlebt. Nicht so der Niederösterreicher, von dem diese schwierigen Passagen mit Höhenglanz und bombensicher serviert wurden! Eine glaubhafte Rollengestaltung trug das Übrige zum sehr gelungenen Rollendebüt bei! Dritter im Bunde des Spitzenkleeblatts war Rafal Siwek, den ich in Triest mal in Sonnambula gehört hatte. Er stellte einen autoritätsheischenden Filippo II. auf die Bretter, mit mächtigem Baß und kluger Interpretation. In der Szene mit dem Grande Inquisitor hatte er mit Aleksander Teliga einen beeindruckenden, in vielen Opernschlachten bewährten Baß als Widersacher, der seinen Part auch sehr gut erledigte. Mit viel dramatischem Applomb und einzelnen imponierenden Spitzentönen ihres voluminösen Mezzos stürzte sich Barbara Baginska ins Geschehen: daß ihr das Schleierlid nicht lag, war offensichtlich, auch sonst war sie zum Teil eher „unbedarft“ als „raffiniert“ unterwegs, müßte ihr Material etwas zähmen. Eher ohne Nachdruck hingegen versuchte Lukasz Motkowicz seinen an sich angenehm timbrierten Bariton zu präsentieren, für den Posa zu wenig, prägnantere Diktion und „grinta“ würden da wohl gut tun.

Das Orchester spielte mit schönen Farben, Pawel Przytocki am Pult sorgte für eine geordnete, auf die Bühne eingehende Wiedergabe, nur ganz selten waren ungewohnte tempi zu vernehmen – schade jedoch, daß neben einigen Kürzungen die vertretbar waren, das Schlußduett äußerst „amputiert“ war – speziell angesichts der Protagonisten sehr schade!

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Schlussapplaus. Foto:Michael Tanzler

Das eher ruhige Publikum taute erst am Schluß so richtig auf und spendete langen Applaus! Trotz der vielfältigen Einwände und „Merkereien“ sei nur der Vollständigkeit angeführt, daß der Gesamteindruck dieser Produktion trotzdem noch um Klassen über der sinnentleerten Wiener Produktion zu klassifizieren ist!

Michael Tanzler

 

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