Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WINTERTHUR/Oper Zürich im Theater im Stadtgarten: IL MONDO DELLA LUNA von Joseph Haydn

12.05.2022 | Oper international

Joseph Haydn: Il mondo della luna • Opernhaus Zürich im Theater am Stadtgarten Winterthur• Vorstellung: 11.05.2022

(3. Vorstellung • Premiere am 05.05.2022)

«Sex and Drugs and Rock and Roll»

Mit einer geschickten Modernisierung gelingt es Haydns Oper neues Leben einzuhauchen. Die Jahresproduktion des Internationalen Opernstudios ist in jeder Hinsicht ein voller Erfolg.

luna
Foto © Herwig Prammer

Die Geschichte von Haydns elfter, vermutlich am 3. August 1777 im Opernhaus von Schloss Eszterháza uraufgeführter Oper «Il mondo della luna» («Die Welt auf dem Mond», Hob. XXVIII:7), dürfte heute kaum noch die Wirkung wie vor fast 275 Jahren (die erste Vertonung von Goldonis Libretto durch Baldassare Galuppi erblickte am 29. Januar 1750 im Teatro San Moisè in Venedig die Bretter der Welt) haben. Zuviel ist seither passiert: War es damals absolut illusorisch, dass Menschen einmal zum Mond «reisen», ist es heute quasi selbstverständlich. Geht man allerdings der Substanz der Geschichte, Ecclitico der als falscher Astrologe einen Alten zu betrügen versucht, auf den Grund, stellt man fest, dass das Thema heute immer noch aktuell ist. Regisseur Tomo Sugao lässt die Geschichte statt in Venedig in der Mitte des 18. Jahrhunderts in einem Altersheim der Gegenwart (herrlich die Mitglieder des Statistenverein am Opernhaus Zürich als Bewohner) spielen. Die Welt auf dem Mond, die ferne Traumwelt, die Bonafede verlockt und die ihm von Ecclitico zu erreichen in Aussicht gestellt wird, ist die Traumwelt aus Bonafedes Jugend: «Sex and Drugs and Rock and Roll». Endlich darf er sein Rolling Stones-Shirt tragen, die Damen sind so angezogen, wie Bonafede es gern hätte und Bewusstseinserweiterung jederzeit möglich. Herrlich, wie aus dem Krankbett mit Blumenkränzen und selbst gefärbten Stoffen der Thron des Mondkaisers, eines Rauschebart tragenden, im Schneidersitz Wasserpfeife rauchenden Gurus wird. Paul Zoller (Bühnenbild) hat Sugao dazu auf der Drehbühne das Altersheim und Traumwelt gebaut, die wunderbar farbenfrohen, immer bestens zum Solisten passenden Kostüme stammen von Michaela Barth. Wie gelingt nun aber die Reise auf den Mond? Wie vom Libretto vorgegeben mit der Apparatur Eccliticos und die ist hier eine Virtual Reality-Brille. Durch weisses oder farbiges Licht lässt die Lichtgestaltung von Dino Strucken jeweils erkennen, in welcher Realität man sich befindet. Fazit: Die Übereinstimmung von Text und Bühne lässt erkennen, dass die Aktualisierung absolut werkgerecht und werkdienlich ist. Die szenische Umsetzung überzeugt ohne Einschränkung.

Sängerisch überzeugt die Umsetzung genauso, denn es sind hervorragende Solisten versammelt, die absolut darauf brennen spielen und singen zu können. Die Krone des Abends gebührt Ilya Altukhov, der stimmig geschminkt den Alten ganz hervorragend mimt und dabei auch noch traumhaft singt. Bonafedes Töchter Clarice und Flaminia werden von Chelsea Zurflüh mit herrlich gefärbtem Sopran und Ziyi Dai mit virtuosen Koloraturen umgesetzt. Freya Apffelstaedt gibt resolut die Lisetta, Bonafedes Kammerzofe. Leonardo Sánchez gibt mit strahlendem Tenor den leicht überdrehten Betrüger Ecclitico. Saveliy Andreev singt mit kernigem Tenor den jungen Adligen und Luis Magallanes mit strahlendem, wunderbar höhensicheren Tenor Ernestos Diener Cecco (nach einem Unfall kurz vor der Premiere szenisch vertreten von Pascal Pointet).

Das Musikkollegium Winterthur unter Joseph Bastian hat einen brillanten Abend und spielt historisch informiert mit leicht herbem Klang einen bombastischen Haydn. Diese Farben, diese Dynamik, die Leidenschaft und diese traumhaft sicheren, wunderschönen Hörner!

Ein Muss!

Weitere Aufführungen: FR 13.05.2022 um 19.30 und SO 15.05.2022 um 14.30.

12.05.2022, Jan Krobot/Zürich

 

Diese Seite drucken