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WIESBADEN: TRISTAN UND ISOLDE – eine sensationelle Aufführung

14.03.2023 | Oper international

Wiesbaden: „TRISTAN UND ISOLDE“ – 12.3.2023

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Ein nobles, schönstimmiges Liebespaar – Magdalena Anna Hofmann und Marco Jentzsch (c: Pfabigan)

Eine sensationelle Aufführung!
Was hat sie so sensationell gemacht? Die Besetzung war ja ident mit jener vom 29. Jänner. Seither wurde offiziell an der Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg nicht weitergearbeitet. Aber: das Wagnersche Liebespaar ist in einem Ausmaß zusammengewachsen, das uns Opernfreunde und Merker aus Mannheim, Saarbrücken, Berlin und Wien nahezu verrückt vor Begeisterung machte  – gesanglich, mit äußerster Wortdeutlichkeit und mit den unzähligen darstellerischen Feinheiten, die einen ob der unsäglichen Spannung, die sich da ergab, fast atemlos machte. Nahezu fünf Stunden lang, inclusive zweier relativ kurzer Pausen. Keinem der Sänger merkte man irgendeine vokale Anstrengung an. Und der Dirigent Alexander Joel ließ es nie an orchestraler Spannung fehlen,  die er keineswegs durch Überlautstärke erreichte, sondern indem er alle Instrumentalisten die aussagekräftigen Wagnerschen Feinheiten dieser Meisterpartitur genussvoll auskosten und mit den Vokalismen übereinstimmen ließ. Das generell gute Ensemble:  Kaduna Mikaberidze als schönstimmige Brangäne, Thomas Berau als Kurwenal mit kräftigem Bariton und Young Doo Park als unsäglich berührender ebenso wie autoritativer König Marke tat genau das, was Wagner ihnen allen zur Rechtfertigung des Verhaltens der beiden unsäglich Liebenden abverlangt hat: Verständnis dafür aufbringen.

Schon in der Jänneraufführung konstatierten wir eine wunderbare Übereinstimmung von Magdalena Anna Hofmann und Marco Jentzsch, die sich nun dadurch verstärkte, dass die beiden, vor allem im 2.Akt, weniger umherliefen, sondern immer Positionen fanden, die die gegenseitige Anziehungskraft intensivierten. Und da der Wagnersche Text ja nicht gerade anspruchslos ist, bedarf es wohl eines enormen Einfühlungsvermögens seitens der Interpreten, um die verlangten Gefühle optisch und vokal glaubwürdig machen zu können. Der leuchtende, in allen Lagen ebenmäßig geführte Sopran und die ebenso natürlich wirkende tenorale Leuchtkraft und inhaltliche Aussagekraft dieser beiden Meistersänger wurde szenisch noch unterstützt durch zunehmende Intensivierung des Bühnenhintergrunds: vorbeiziehendes Gewölk und immer farbintensiver werdende Bewegung am Horizont versetzte uns in eine derart aufregende neue Außen- und Innenwelt, die nach dem jähen Eindringen von Melot und König Marke Tristan spontan zusammenbrechen ließ, sodass er sich dann Melots Schwert selbst in die Brust stieß. Da war nichts „gemacht“, sondern man erlebte die natürlichsten emotionalen Reaktionen, wie Wagners Musik sie aussagt. 

Jegliche Hoffnung auf eine Erlösung aus dieser Tragik schwindet angesichtst der Szenerie des 3. Akts. Wir sind nicht mehr im romantischen Cornwall, sondern in der Bretagne, wo Tristan geboren wurde, nachdem sein Vater im Kampf gefallen und die Mutter vor Leid gestorben war. Man sieht sogleich: nicht an körperlichem Leiden siecht der liebebedürftige Tristan, in weißem Nachtgewand auf einem Bett im Freien liegend, das die Sicht nach Westen freigibt, während Kurwenal hilflos daneben sitzt. Sich im weiten Reich der Weltennacht wähnend, singt sich Marco Jentzsch taumelnd  inmitten der Bühne in seine Vision von Isoldes Kommen hinein, immer schönstimmig bleibend und jedes seiner poetischen Fantasie entspringende Wort mit Nachdruck auskostend, bis er mit der Verfluchung des furchtbaren Tranks zusammenbricht.

Dass sich in dieser Produktion dann ein nackter Mann an Tristans Stelle in dessen Bett legt und von Kurwenal und dem Hirten für ihn gehalten wird, ist eine entbehrliche Regieidee. Dass die realen Menschen, mit Ausnahme König Markes, am Ende einander körperlich töten, während die wunderschön verklärt singende Isolde dem vermeintlich wiedererwachten Geliebten  in „des Weltatems wehendem All“ sich mit ihm vereint fühlt und beide – dies wieder eine neue Regieidee – im Abgrund verschwinden, lässt das Musikdrama in hellem H-Dur tatsächlich „ertrinken, versinken, unbewusst – höchste Lust“ verkündend. 

Sieglinde Pfabigan

 

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