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WIESBADEN/ Staatstheater: SALOME. Premiere

Der Tanz der Salome findet nicht statt.

17.02.2019 | Oper

Staatstheater Wiesbaden, Salome, Premiere vom 16.02.2019

Der Tanz der Salome findet nicht statt.

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Foto: Karl & Monika Forster   Thomas de Vries (Jochanaan) und Frank van Aken (Herodes)

 Das Kollektiv Le Lab

Inszenierung: Jean-Philippe Clarac, Olivier Deloeuil, Licht: Christophe Pitoiset, Oliver Porst, Video: Jean-Baptiste Beïs, künstlerische Mitarbeit: Lodie Kardouss, Dramaturgie: Regine Palmai, Luc Bourrousse

 

Ausgangspunkt und Mittelpunkt der Produktion ist Jochanaan

 Bei Beginn sieht der Zuschauer auf der Bühne einen Container, der als Gefängnisraum für den Propheten dient. Außerdem ein Fernrohr, das auf den Himmel gerichtet ist. Ein beleuchteter Kreis befindet sich über die ganze Bühne. Eine Videoleinwand am hinteren Ende der Bühne zeigt wüstenähnliche und menschenunwürdige Landschaften. Man sieht bewaffnete Wachen mit Pistolen und weil der Hauptmann Narraboth, interpretiert von Simon Bode, ein Syrer ist, kann man davon ausgehen, dass die übrigen bewaffneten Männer ebenfalls Syrer sein könnten. Außerdem dokumentieren Videokameras, die auf der Bühne angebracht sind, in Großformat am hinteren Bühnenteil, ähnlich wie im Castorf Ring, Szenen auf der Spielfläche und den gefangenen Jochanaan im Container. 

Erstmals stehen die meisten Zuschauer bei dieser Szene vor einem Rätsel, das sich aber im Laufe der Zeit zu einem transparenten Verständnis entwickelt. Die Regie hat die biblische Version in eine apokalyptische Endzeitphase verlegt, die Videoeinblendungen dokumentieren dies eindrucksvoll.

 

Jochanaan im Blickfeld der Protagonisten

 

Jochanaan ist ein Revolutionär, der die moralischen Gegebenheiten seiner Umgebung mit drohenden Worten anprangert, aber gleichzeitig von einem Messias spricht, der die Menschheit erlösen wird. Ein wenig übertrieben sind die nach oben gerichteten Hände mit dem ausgestreckten Mittelfinger. Herodes ist in dieser Deutung der einzige Mensch, der die Verheißung ernst nimmt und die Anschuldigungen von Herodias, seiner Frau, mit vehementer Entschiedenheit zurückweist.  Damit erklärt sich auch das Fernrohr, das auf den Himmel gerichtet ist. Herodes will den ankommenden Messias frühzeitig sehen.

Für eine heitere Einlage sorgt der Auftritt, der Juden und Nazarener. Beide Volksgruppen sind Mitglieder einer Kapelle, die für die nötige Stimmung bei der Geburtstagsfeier sorgen, aber zuvor mit der heftigen Auseinandersetzung um Glaubensfragen beschäftigt sind.

 


Foto: Karl & Monika Forster,   Frank van Aken (Herodes) sitzend, sein Tablet betrachtend und auf der Videoleinwand der angebliche Tanz der Salome

 Kein Tanz der Salome

 Mit dem Tanz der Salome beginnt der verhängnisvolle zweite Teil. Wenn man die Partitur analysiert, soll der Tanz mit seiner erotischen Ausstrahlung den Herodes in völlige Ekstase verwandeln. Schließlich gerät der pädophile Herrscher darnach in eine extreme Konfliktsituation. Als Ersatz für den Tanz der Salome, werden in kurzen Abfolgen Videoeinblendungen gezeigt, die man nicht einordnen kann und im Foyer des Staatstheaters entstanden sind. Ungerührt, sitzend, schaut sich der Tetrarch auf seinem Tablet das Geschehen an. 

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Foto: Karl & Monika Forster      Sera Gosch (Salome)

 

Salome mit nekrophilen Merkmalen

Nachdem Herodes vergeblich versucht hat, seine Stieftochter von dem Vorhaben abzuhalten, den Kopf des Propheten zu bekommen, ist seine Option auf die Ankündigung des Messias endgültig erloschen. Salome erhält anschließend den Leichnam des Jochanaan und als Höhepunkt legt sie sich auf den toten Körper, küsst den Mund und erlebt so ihre abgrundtiefe Phantasie. Der Tod der Salome ist dementsprechend die letzte Konsequenz.

Positive Ansätze der Inszenierung:

Eine klare Antwort auf die Frage, warum sich Herodes im Gegensatz zu den anderen Beteiligten, vehement für Jochanaan einsetzt. Die Regie gibt dem Propheten ein zeitgemäßes Profil. Er bestimmt die Moralregeln für die Gesellschaft. Viele Textpassagen werden genau analysiert und entsprechend dargestellt.

Nicht ganz gelungen ist die Transparenz dieser Inszenierung. Das beweisen in unzähligen Gesprächen, die verzweifelten Erklärungsversuche der Besucher nach der Vorstellung. Sie können die Bilder nicht richtig einordnen.

 

Das Hessische Staatsorchester unter der Leitung des GMD Patrick Lange 

Der Dirigent hat die Dissonanzen im ersten Teil präzise herausgearbeitet, aber an einigen Stellen vermisste man die nötige Dynamik. Dagegen konnte man mit den großen Melodienbögen, vor allem im Schlussgesang, mehr als zufrieden sein. Hervorragend ist seine Unterstützung für die  Sängerdarsteller. Es herrscht zwischen Graben und Bühne die nötige Harmonie. Insgesamt eine souveräne Leistung, die am Ende vom Publikum dementsprechend honoriert wurde.

 

Die Sängerdarsteller teilweise mit eindrucksvoller Interpretation

 

Herausragend das Rollenverständnis des Jochanaan durch Thomas de Vries. Nach seinem erfolgreichen Beckmesser, hat er mit seiner charaktervollen, ausdrucksstarken und textverständlichen Stimme, der Figur des Jochanaan die ideale Verkörperung gegeben.

 

Im gleichen Atemzug muss man die Besetzung des Herodes durch den Heldentenor, Frank van Aken, nennen. Seine Stimme wirkt souverän, er muss in keiner Phase forcieren und überzeugte auch darstellerisch. Er besitzt das nötige Stimmvolumen, um sich jederzeit gegen den Orchesterschwall durchsetzten zu können, eine große stimmliche Bereicherung des Abends.

 

Die Titelfigur wurde von  Sera Gösch interpretiert.

Wahrscheinlich hatte sie mit einer Indisposition zu kämpfen, die manchmal urplötzlich und unverhofft eintritt. So ist zu erklären, warum an diesem Abend in manchen Szenen ihre Stimme nicht die gewohnte Ausdruckskraft und Präzision entwickeln konnte. Mit ihrer erotischen Ausstrahlung, den tänzerischen Bewegungen und ihrer bezaubernden Figur, konnte sie ihre verführerische Anziehungskraft auf das männliche Geschlecht sichtbar demonstrieren. 

Die übrigen Sängerdarsteller überzeugten:

Der Page (Silvia Hauer) mit klarem Sopran , Herodias (Andrea Baker), darstellerisch und stimmlich eine bemerkenswerte Persönlichkeit. Ebenso die Juden (Rouwen Huther, Erik Biegel, Christian Rathgeber, Philipp Mayer. Die Nazarener (Young Doo Park, Daniel Carison), Doheon Kim als Soldat und Nicolas Ries als Capadocier.  

Weitere Vorstellungen im Februar 2019:  21. / 24. / 27. 02.2019

Franz Roos

 

 

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