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WIESBADEN/ Staatstheater: „MARCO JENTZSCH – ANSI VERWEY“ Lieder – Soiree  –  Glück das mir verblieb…

06.06.2023 | Konzert/Liederabende

Wiesbaden: „MARCO JENTZSCH – ANSI VERWEY“ Lieder – Soiree  –  05.06.2023

 Glück das mir verblieb…

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Foto: Matthias Haaf

Wunderbare Events haben sich am Hessischen Staatstheater Wiesbaden etabiliert, finden auch in der Spielzeit 2023/24 ihre erfreuliche Fortsetzung nämlich die „Lieder-Soiree“ von Ensemble-Mitgliedern des Hauses gestaltet. Heute gab sich der gefeierte Heldentenor Marco Jentzsch die Ehre und stellte erneut seine vokale Wandlungsfähigkeit vortrefflich unter Beweis. Denke ich Jahrzehnte zurück, durfte ich fast alle Größen der Opern- und Liedinterpreten*innen erleben, komme wie der „Lerchenauer“ aus dem Staunen nicht heraus, dass  sich immer wieder begabte  Talente auf das Wunderbarste finden. Im traumhaften Ambiente des Staatstheater-Foyers arrangierte man ca. 20 Vierertische, servierte ein Getränk sowie Canapés und ließ somit die Abend-Soirees des 19. Jahrhunderts wieder auferstehen.

Es ist immer wieder verblüffend, ja faszinierend zu erleben wie Marco Jentzsch seine voluminöse Tenorstimme zügelt, variiert, kontrastreich färbt ohne jeglichen Verlust des herrlichen Timbres. So erklangen in munterer Folge Preziosen der Romantik und Spätromantik. Mit Euphorie eröffnete Marco Jentzsch mit Willkommen und Abschied von Franz Schubert den musikalischen Reigen. Des Ritters Minnegesang Des Fräuleins Liebeslauschen schenkte der Sänger den exemplarischen emotionellen Erzählton und ebenso  Schuberts Du bist die Ruh feine lyrische Bögen, quasi Legato pur.

Drei Perlen von Ludwig van Beethoven begegnete der Interpret prächtig ausbalanciert, Ich liebe dich weich mit einem Hauch von Melancholie, Adelaide beseelt von grundierter Wärme und maskuliner Virilität. In questa tomba oscura verband Jentzsch stilistisch perfekte Musiksprache mit vokaler Raffinesse und last not least möchte ich das Maximum an Textverständlichkeit sowie die intensive Darstellungskunst hervorheben, obwohl der Künstler nur vom Blatt sang.

In tonalen Differenzierungen widmete sich Marco Jentzsch dem magischen Sujet Richard Strauss und interpretierte diese Miniaturen wahrlich zum Niederknien. Subtil alle melodischen Schattierungen auskostend erklang Morgen, durchglüht von Emotionen Die Nacht, viril prickelnd vor Euphorie, im Jubelton kontrolliert folgte Zueignung und  Befreit öffnete des Rezensenten Schleußen. Jentzsch wählte zum dramatischen Kontext des Abschieds-Monologs intensiv-berührende Akzentuierungen, sowie traumhaft-tenorale Kantilenen, vortreffliche Nuancierungen. Das nenne ich die hohe Kunst des Liedgesangs!

Nun wird es jedoch höchste Zeit die großartige Begleiterin am Flügel zu würdigen, die grandiose Pianistin und Pädagogin Ansi Verwey umwob mit sensiblem, dynamischem Spiel bedeutungsvoll den Gesangssolisten. Sänger und Pianistin demonstrierten in tonalen Klangdimensionen traumwandlerisches Einvernehmen, die Chemie zwischen Beiden schien zu stimmen. Die liebenswert extravagante Dame verstand es mit kraftvoll-melancholischen Ausbrüchen, faszinierender Sensibilität des ausdrucksvollen Spiels zu fesseln, ohne je vordergründig zu wirken. Ein „tolles“ bemerkenswertes Team-Timing!

Ein weiteres Highlight krönte den zweiten Teil der Liedfolge: Inspiriert von den Gedichten seiner Geliebten Mathilde vertonte Richard Wagner die Wesendonck-Lieder. Marco Jentzsch sah es wohl als persönliche Herausforderung zum Entzücken des Publikums, diesen Zyklus zu interpretieren, wie mir schien Auf den Flügeln des Gesangs. Immer mehr Herren brechen in die einstige Interpretinnen-Domäne ein, nehmen sich diesen wunderbaren Vertonungen an. Wagners herrlich strömender Melos, die schwerblütige Textur lagen dem vielseitigen Sänger vortrefflich in der Kehle. Dunkel leuchtete das Timbre, glänzte selbst im Höhenbereich wie bereits zuvor prächtig fokussiert und schenkte somit Der Engel – Stehe still – Im Treibhaus vokal-technisch unvergleichliche Momente, dramatische Aufschwünge sowie tieftraurige Melancholie. Zu ausgefeilter Deklamation aus dem Sprachklang heraus erhob sich das herrliche Tenormaterial zu immensen Farbkombinationen bei Schmerzen. Elegisch zum Vorspiel, Finale sowie im Verlauf pianistisch aufschwingend erhob sich die edle Stimme zur verklärten Interpretation der Träume.

Das Publikum ließ seiner Begeisterung freien Lauf und beide Künstler gewährten zwei Zugaben: hell strahlend, voll jugendlichem Überschwang erklangen Winterstürme wichen dem Wonnemond,  in prächtiger Nuancierung und wunderbaren Piani beschloss das gefeierte Team den wahrlich (an)aufregenden Abend mit Dein ist mein ganzes Herz.

Nun dürfen wir uns auf die „Tristan und Isolde-Derniere“ am 02. Juli hier am Hause, sowie weitere Gastspiele während der Saison 2023/24 in Wiesbaden, Berlin, Hannover, Frankfurt freuen.

Gerhard Hoffmann

 

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