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WIESBADEN/ Staatstheater: IL TROVATORE – ein Auftakt nach Maß!. Premiere

20.09.2021 | Oper international

Wiesbaden, Staatstheater , Verdi: Il trovatore, Premiere 19. September 2021

Ein Auftakt nach Maß

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Vesselina Kasarova. Foto: Karl und Monika Forster

Verdis „Trovatore“ sprüht von musikalischem Ideenreichtum und hat einen fersten Repertoireplatz in mitteleuropäischen Opernhäusern. Meist wird man aber mit der Umsetzung weniger glücklich. Fünf schwer zu besetzende Partien und eine nicht klar auf die Bühne zu bringende Handlung bescheren den Produzenten oft Mäßiges.

Nicht so in Wiesbaden. Regisseur PHILLIP M. KRENN versucht klugerweise gar nicht, die verworrene Brudervertauschungsgeschichte eins zu eins nachzuerzählen. Vielmehr setzt er auf starke Bilder (grandiose, geschmackssichere Ausstattung: MARIANNE und ROLF GLITTENBERG ), emotionale Situationen zwischen den Protagonisten und die Szene wird dadurch spannend und geheimnisvoll. Unter Plastikfolien lauern die im brautweiß gekleideten Frauen, während sich die Männerschar ängstlich in das dunkle, dräuende, von Katastrophen heimgesuchte Zimmer schleicht. Überhaupt bewegt sich auch der Chor (gut studiert: ALBERT HORNE) lebhaft und nie, wie in diesem Stück fast immer gesehen, statuarisch. Eine makabere Totentanz-Hochzeit wird aus der Azucena-Szene. Neue Nachrichten fallen als Papiere vom Himmel, Luna muss unter den bedrückenden Folien seine Angebetete suchen: das sieht sehr poetisch und zugleich eigen aus und gibt den Szenen morbiden Charme. Im Verlauf der Inszenierung wird vielleicht allzu oft mit den selben Elementen (die als Dauer-Waffe dienende Stehlampe /Folien) hantiert, dennoch gelingt der Regie eine bildmächtige und intensive Erzählweise.

Das andere Glück ist das musikalische. Angefangen muss mit einer sensationellen Rollengestaltung von IRAKLII KAKHIDZE als Manrico. Wann hat man so jüngst eine technisch souverän geführte Stimme in dieser Partie gehört. Er, der auch szenisch den kämpferischen Heißsporn ideal verkörpert, scheint sich auf die hohen C´s richtig zu freuen und schmetternd sie strahlend in den Raum, kann andererseits auch mit italienischem Legato die ruhigen Ariosi hervorragend fließen lassen.

Auch ALUDA TODUA spielt einen überzeugenden, lauernden Graf Luna und hat keine Probleme mit der hohen Tessitur. Seine Sache ist vokal weniger die Geschmeidigkeit, dafür umso mehr beherztes Zupacken.

YOUNG DOO PARK  singt einen noblen Ferrando und die Compimari sind solide besetzt.

Mit Spannung war das Rollendebüt VESSELINA KASAROVAS als Azucena erwartet worden. Und  was soll man schreiben: mit großer emotionaler Aufopferung gibt sie alles. Stimmlich und intonatorisch bleibt da vieles auf der Strecke. Während sie in manchen Lagen ums Überleben kämpft, wartet sie mit enormen, fast baritonalen Brusttönen, die einem durch Mark und Bein gehen, auf. Diese Künstlerin braucht die Bühne und sie erobert sie auch hier.

Blaß dagegen fällt das Deutschland-Debüt von CHRISTIANA OLIVEIRA  aus. An ihre spezielle Tongebung gewöhnt man sich gerne, zumal, wenn sie in den höheren Lagen dann eine runde Stimme zeigen kann. Ihre Rollengestaltung ist jedoch denkbar passiv und monochrom. Ja, sie wirkt fast uninspiriert, auch wenn sie von den verschiedenen Männern im Stück angefleht, geliebt, bedroht oder misshandelt wird.

Detailliert und hochmusikalisch dirigiert ALEXANDER JOEL  diesen Verdi. Das Wiesbadener Staatsorchester folgt ihm zumeist aufmerksam. Ganz homogen wollen die gemeinsamen Bläserakkorde nicht gelingen, dafür begleiten die zweiten Violinen umso eindringlicher die großen Arien.

Schon letzte Woche mit der überragend besetzten Wiederaufnahme-Serie von „Le nozze di Figaro“ (El Kashem, Kränzle, Hwang, Krimmel, Engebretson)  hatte Wiesbaden einen glänzenden Start in die neue Spielzeit.

Nach Corona-Reglement dürfen wohl nur ungefähr die Hälfte der Zuschauer mit der 3 G Regel ins Haus, müssen am Platz keine Maske tragen.

Etwas mehr Enthusiasmus würde der Wiesbadener Gemeinde beim Schlußapplaus  nicht schaden, aber vielleicht lag es am doch halbleeren Haus, dass zwar freundlich, jedoch nicht euphorisch geklatscht wurde.

Christian Konz

 

 

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