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WIESBADEN/Staatstheater: DON GIOVANNI

Keine Höllenfahrt für Don Giovanni

07.10.2018 | Oper

Staatstheater Wiesbaden, Don Giovanni Vorstellung vom 6.10.2018
Keine Höllenfahrt für Don Giovanni

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Foto: Karl & Monika Forster Don Giovanni (Christopher Bolduc) und Leporello (Shavleg Armasi)

Szenische Umsetzung
Regie: Nicolas Brieger, Bühne: Raimund Bauer, Kostüme: Andrea Schmidt-Futterer, Licht: Andreas Frank, Video: Bibi Abel, Dramaturgie: Regine Palmai

In Don Giovanni, der Oper aller Opern, ist der Focus vornehmlich auf die Titelfigur gerichtet, wobei die Beurteilung seines Handelns und seines Charakters unterschiedlich ausgelegt wird. Für die einen ist er ein Wüstling, der die betrogenen Frauen unglücklich macht und zurecht in der “Hölle” schmoren soll. Andere wiederum sehen in ihm neidvoll einen erfolgreichen Draufgänger und nicht wenige sind froh, dass er nur eine Figur der Literatur ist.

Die Regie hat die zeitlose Handlung mit einem Einheitsbild versehen, bestehend aus einem festen oberen Teil und eine auf einer Drehbühne befestigten Wohnlandschaft, die sehr der Möbelabteilung eines Kaufhauses gleicht. Die Kostüme sind unterschiedlich gekennzeichnet. Das Outfit des Frauenhelden mit seinen langen Haaren und schwarzer langer Robe könnte von „Rasputin“ stammen, so wäre auch seine Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht zu erklären. Sein Gehilfe Leporello ist ebenfalls schwarz gekleidet und musste sich die Namen aller ehemaligen Geliebten seines Herrn auf seinen Körper eintätowieren lassen. Die übrigen Darsteller, die den Gegenpart darstellen, sind teils mit bunten Kleidern ausgestattet.

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Foto: Karl & Monika Forster; Don Giovanni (Christopher Bolduc) und Donna Elvira (Heather Engebretson)

Große Probleme bereitet für die Verantwortlichen das finale Ende von Don Giovanni. Eine Verurteilung würde vielleicht nur zu einer Bewährungsstrafe reichen, ein plötzlicher Tod wäre bei dessen Fitness eher unwahrscheinlich. Bliebe nur eine Racheaktion der Geschädigten übrig, was plausibel wäre, aber nicht praktiziert wird. Stattdessen wird der Casanova nach der Szene mit dem Komtur von gutaussehenden Damen, vielleicht ehemalige Geliebte, mit Zwangsjacke versehen, in eine geschlossene Psychiatrie begleitet, wo es keine Chance auf spätere Freilassung gibt, das beweisen die übrigen bedauernswerten Patienten, wahrlich nicht die beste Lösung. Der leblose Körper des Komturs ist nach seiner Auseinandersetzung mit Don Giovanni die ganze Zeit präsent und wird aus dramaturgischen Gründen bei seinem Gastmahl mit dem Lüstling wieder zum Leben erweckt.

Was aber bleibt, ist die Tatsache, dass Don Giovanni, wenn man Leporello bei seiner berühmten Registerarie (hervorragend interpretiert) glauben darf, mit seinen vielen erfolgreichen Eroberungen, bestimmt in das Guinnessbuch der Rekorde einen Platz finden würde, den er wahrscheinlich auf ewig behalten würde.

Auffallend ist eine Szene zwischen dem gefesselten Leporello, hier stellvertretend für Don Giovanni, mit Zerlina, die sich mit einem Messer beängstigend an den Genitalien von Leporello zu schaffen macht und man ist sichtlich erleichtert, als Zerlina glücklicherweise von ihrem Vorhaben ablässt.

Ein großer Wurf ist der Regie sicherlich nicht gelungen. Positiv zu bewerten sind viele witzige Einfälle, eine gefällige Personenführung, aber auf die angedeutete Schwangerschaft der Donna Elvira und den Selbstmordversuch des Don Ottavio am Ende könnte man verzichten. Die hell ausgeleuchtete Bühne mit dem gelben Farbanstrich erzielt mit zunehmender Dauer nicht bei allen Besuchern die beabsichtigte Wirkung.

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Foto Karl & Monika Forster Leporello (Shavleg Armasi)

Musikalische Interpretation und sängerische Gesamtleistung unter der Leitung von Konrad Junghänel mit makelloser Darbietung

Durch den erhöhten Orchestergraben erzielte das Dramma giocoso unter dem Dirigat von Konrad Junghänel eine bessere Transparenz und vor allem eine stärkere Wirkungskraft, beispielsweise der Anfang der Ouvertüre in D-Moll oder am Ende die Höllenfahrt des Don Giovanni, die bei manchen Besuchern eine Gänsehaut erzeugte. Mit seiner umsichtigen Begleitung für alle meist jungen Sängerdarsteller, trug er wesentlich zu deren guter Gesamtleistung bei. Das draufgängerische und leichtfertige Leben des Don Giovanni, sowie die Rache, die Trauer und der noch verbliebene Anteil an Liebe von Donna Anna und die anfangs immer mit Wut auftretende Donna Elvira, um dann doch dem Charme des Verführers zu verfallen und Zerlina, die mit ihrer bäuerlichen Schlauheit ihren Masetto bestens umgarnt, dies alles wurde genial, nuancenreich und differenziert komponiert, aber auch mit Bravour umgesetzt.
Eine wesentliche Bereicherung war mit seinen teilweise ironischen Einlagen, Tim Hawken, am Hammerflügel und nicht zu vergessen Albert Horne als Verantwortlicher für den agierenden Chor.

Nächstes Jahr kommen noch Idomeneo und Titus hinzu, dann wäre der größte Teil des Mozart Zyklus abgeschlossen.

Die Sängerdarsteller

Don Giovanni, Christopher Bolduc, war mit seinem lyrischen Bariton ein glaubwürdiger Liebhaber, während sein Diener, Shavleg Armasi, mit seiner tieferen Stimmlage, als geborener Verlierer, ebenfalls stimmlich überzeugte. Don Ottavio, Ioan Hotea, mit höhensicherem lyrischen Tenor, hatte leider zu wenig Auftritte, um sein ganzes Können zu zeigen. Der Komtur, Young Doo Park, mit sonorem kräftigem Bass und Daniel Carison als Masetto, ein eher lyrischer Bass, vervollständigten die männliche Sängergilde.

Die drei Frauenrollen trugen ebenfalls mit ihren sängerischen Leistungen maßgebend zum Erfolg bei: Donna Anna, Sumi Hwang, ein jugendlicher, dramatischer, koloratursicherer Sopran und Donna Elvira, Heather Engebretson, herrlich ihre anfängliche Wut, die dann in liebevolle Zuneigung wechselt, sowie Zerlina; hier sang für die kurzfristig erkrankte Katharina Konradi Shira Patchornik.

In den benachbarten Städtischen Bühnen Frankfurt wird zurzeit die sehenswerte Oper Capriccio aufgeführt, inhaltlich geht es um die Gegenüberstellung von Dichtung und Musik. Die Besucher von Don Giovanni im Staatstheater Wiesbaden würden keinen Zweifel aufkommen lassen, ob sie lieber „Dichtung“ oder “Prima la musica” favorisieren würden.

Weiter Termine im Jahre 2018, am 20. Oktober und 25. Oktober

Franz Roos

 

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