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WIESBADEN/ Staatstheater: ANNA NICOLE  von Marc-Anthony Turnage

22.02.2020 | Oper

Bildergebnis für wiesbaden anna nicole
Elissa Huber als „Anna Nicole“. Foto: Karl und Monika Forster

Wiesbaden Staatstheater, Turnage: Anna Nicole Vorstellung am 21.2.2020

 Marc-Anthony Turnage´s Oper Anna Nicole, die den Lebensweg des amerikanischen Busenwunders Anna Nicole Smith nachzeichnet, ist vor fünf Jahren in London am Royal Opera House mit großem Erfolg uraufgeführt worden.

Auch in Deutschland findet das Werk Anklang und Wiesbadens Staatstheaters brachte soeben eine gelungene Neuproduktion heraus.

BERND MOTTL setzt als Regisseur auf eine Pointierung des amerikanischen Traums. Die Möglichkeit, vom Nobody zum Star zu werden, ist mit keiner anderen Nation so verknüpft. Und er macht dies in Form einer Nummernrevue, die vor den Augen der gesamten Öffentlichkeit stattfindet. Der äußert präsente Chor , phantasievoll angekleidet von Kostüm- und Bühnenbildner FRIEDRICH EGGERT, stellt die heterogene Gesellschaft Amerikas dar, mutiert auch zur mannigfaltigen Freiheitsstatue und befeuert rhythmisch und choreografisch (Choreographie: MYRIAM LIFKA) das Geschehen der Protagonisten. Einzelne Figuren treten von der Tribüne ins Spiel. Mit vielen Details und frechem Witz gelingt es der Inszenierung, den rasanten Aufstieg und ebenso rasanten Fall einer eigentlich durchschnittlichen Amerikanerin zu zeigen, die, um Karriere zu machen, eben künstliche Busen (DD) braucht und mit reichen älteren Männern schlafen muss oder auch bereitwillig will. Da sie nicht wirkliche nachhaltige Qualitäten besitzt, beginnt ihr Verfall durch Drogen und Alkoholexzesse befördert rasch und beendet ihr Leben noch in ihren Dreißigern.

Durch Film, Show und Video ist dieser Niedergang öffentlich immer live präsent und zeigt damit auch die Gefahren unserer oberflächlichen Unterhaltungskultur schonungslos auf.

Es ist der Abend von ELISSA HUBER. Der Sopranistin gelingt es umwerfend, für diese Hauptfigur verschiedenste Facetten zu finden, stimmlich changierend von dramatisch- kraftvollen Höhenausbrüchen über lyrische Melodik zum jazzig- lockeren Ton, und darstellerisch von der dumm-naiven Landpomeranze über die hybrid-laszive Selbstdarstellerin zur sinnentleert-ausgelaugten Drogenleiche. Hier verschmelzen Figur und Darstellerin zu einer Einheit, der sich keiner entziehen kann.

Die anderen sind da nur Episodenfiguren, machen aber ihre Sache meist auch vorzüglich.

Anna Nicoles Familie ist weniger Halt als Last: Schräge Figuren sind das wie der gewalttätige Vater (mit machtvoll- kernigen Bariton: DANIEL CARISON), die neurotisch- tänzelnde Cousine (mit starker Präsenz: LENA HASELMANN), die verschattete Tante (konturiert: ANETTE LUIG) und die kassandrisch mahnende Mutter, die MARARETHE JOSWIG mit großer Eindringlichkeit, aber leicht müder Altstimme verkörpert.

Den senilen Milliardär Marshall gibt UWE EIKÖTTER im wenigen Rollstuhl mit charaktervollem Tenor und der passenden Einfalt. Der ständig fotografierende Freund Stern wird von CHRISTOPHER BOLDUC mit mäßig durchschlagkräftigem Bariton und eher defensiver Darstellung zum unauffälligem Begleiter. Markant dagegen der Auftritt des Schönheitschirurgen durch RALF RACHBAUER, dessen Tenor sich problemlos durchsetzt und dem eher musikalische Raffinesse für diesen Musical-verwandten Musikstil fehlt. Sehr positiv fällt der schön timbrierte Mezzosopran von FLEURANNE BROCKWAY als Melissa auf. NATHANIEL WEBSTER zaubert einen rührenden Duett- Auftritt anfangs als Billy, FREDERIC MÖRTH hat als Runner seinen Moment und ein Kabinettstück ist die Drogenarie vom auch szenisch sehr einprägsamen Sohn DAVID KRAHL.

Das Quartett mit den sauber singenden Lapdancern ( RADOSLAVA VORGIC, KAROLINA LICI, MAIKE MENNINGEN und JESSICA POPPE) wirkt sehr homogen.

Besondere Erwähnung verdienen die ausdrucksstarkenTänzer, die verschiedendlich assisiteren und Showeinlagen präsentieren, sei es an der Lapdance-Stange, oder als Nummern- Boys oder Girls. (SOFIA ROMANO, ANNA HELDMAIER, SARAH STEINEMER, JASPER HANEBUTH, SOEREN NIEWELT, MAX MENEDEZVASQUEZ und NATHALIE GEHRMANN).

ALBERT HORNE, der Dirigent des Abends, hat die Zügel fast immer fest im Griff, – fast wünschte man sich für diese Musik eine lässigere- jazzigere Gangart, der viele, aber nicht alle folgen können.

Er hat auch den Chor bestens präpariert. Das um E-Gitarren erweiterte Staatsorchester hat besonders im Blech hörbare Freude an der feisten Partitur, die viel Platz zum sich Ausbreiten lässt.

Das Publikum ist großteils begeistert. Manchen macht die explizit ordinäre Sprache vielleicht zu schaffen, anderen der doch Endlos-Schlaufen drehende Klang. Die Vorstellung hat verdient, besser besucht zu sein.

In jedem Fall ist es ein großer Erfolg für eine hervorragend gemachte Produktion, die die beiden bisherigen deutschen überflügelt.

Christian Konz

 

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